Der dschihadistische Traum
Für markige Sprüche war Donald Trump im amerikanischen Wahlkampf immer zu haben. Etwa, dass er als Präsident der Vereinigten Staaten "den IS in Grund und Boden bombardieren wird". Auch seine Sichtweise des Syrienkonfliktes hat er immer wieder durchscheinen lassen, als er beispielsweise Baschar al-Assad als Antiterror-Kämpfer hofiert hatte. Und über all dem schwebt seine anti-muslimische Rhetorik, die zwar eher für sein Publikum in den USA gedacht war, aber natürlich auch in der arabisch islamischen Welt zur Kenntnis genommen wurde.
Wie eine nicht lenkbare Rakete
Für die Araber könnte ebenso ein Marsmensch auf der Erde landen und sie alle stehen erstarrt da und warten, welchen Schritt diese Kreatur wohl als erstes machen würde. Oder anders formuliert: Trump ist ein bisschen wie eine nicht lenkbare Rakete, von der niemand weiß, wo sie einschlägt.
Tatsache ist: Trump bekommt von seinem Vorgänger Barack Obama zahlreiche Konflikte in der arabischen Welt vererbt, in denen die USA direkt verwickelt ist. Im Moment bombardieren die US-Militärs aktiv in sieben Ländern auf dieser Welt. Vier davon sind arabisch. Im Irak und Syrien richten sich die Angriffe von Kampf-Jets gegen IS-Stellungen, in Libyen und Jemen setzen die Amerikaner Drohnen für militärische Ziele ein. Um die Liste zu vervollständigen: Die anderen Länder im US-Drohnenkrieg sind Afghanistan, Pakistan und Somalia. Zu all diesen Konflikten und dem dortigen Engagements des US-Militärs muss Trump Position beziehen. Die arabischen Realitäten werden ihn also schneller einholen, als ihm eigentlich lieb sein dürfte.
Die arabischen Medien sind sich am Tag nach seiner Wahl einig, dass Trump im Kampf gegen den IS im Irak wenig Neues liefern wird. Auch er wird keine Bodentruppen im großen Stil in den Irak schicken. Und unter diesem Level sind die USA schon längst im Irak aktiv. Also wird sich Trump weiter auf seine "lokalen Partner" und "US-Militärberater" verlassen, wie es im US-Militärjargon heißt.
Ein Blanko-Check im Namen des Antiterrorkampfes?
Die große Frage ist, ob er sich auch im syrischen Bürgerkrieg anders positionieren wird. "Ich mag Assad nicht, aber Assad tötet den IS – genauso wie Russland und der Iran", hatte er einmal im Wahlkampf gesagt. Das Assad-Regime als Bollwerk gegen den IS zu hofieren, wäre in der Tat eine Kehrtwende in der US-Politik. Dabei könnte er sich die Rhetorik des Assad-Regimes und Russlands zu Eigen machen, die alle Rebellen in Syrien in die terroristische Schublade stecken, um das Regime zu erhalten.
Möglich ist auch, dass er Russland und dem Regime einfach einen Blanko-Check im Namen des Antiterrorkampfes ausstellt. "Die Rebellion in Syrien könnte das erste Opfer der Trump-Politik sein", kommentiert die in London erscheinende arabische Zeitung "Al-Arabi al-Jadid" die künftige Ausrichtung der US-Administration im Nahen Osten.
Überhaupt sind es die arabischen Autokraten, die sich ganz besonders über den Wahlsieg Trumps freuen. Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi das erste Staatsoberhaupt weltweit war, das zum Telefonhörer griff, um Trump zu seinem Wahlsieg zu gratulieren. Zu dieser Zeit überlegten die Staats- und Regierungschefs in Europa noch, wie sie ihre Glückwunschtelegramme unverfänglich formulieren sollten.
Der "fantastische Typ" vom Nil
Zuvor hatte Al-Sisi mitten im US-Wahlkampf Donald Trump einmal als "großen politischen Führer" bezeichnet – die Antwort auf Trumps Kompliment für Al-Sisi, der ihn bei einem Treffen in den USA als "fantastischen Typen" charakterisiert hatte. Dass es um die Chemie zwischen Al-Sisi und Obama nicht zum Besten steht, ist kein Geheimnis. Nun hofft Sisi, dass Trump seinen autokratischen Stil eher goutieren wird. Eine Hoffnung, die er sicherlich mit anderen arabischen Autokraten teilt.
Mit Ausnahme vielleicht der Scheichs und Staatsoberhäupter in den Golfstaaten: Denn sie hatten im US-Wahlkampf mehr oder weniger offen Hillary Clinton unterstützt – nach dem Motto "Altbewährtes ist besser als Unbekanntes". Auch mehrere Trump-Tweets, in denen er beispielsweise erklärte, dass Saudi-Arabien eigentlich Milliarden dafür zahlen müsste, da die USA für die Sicherheit des Landes garantiere und dass Saudi-Arabien "ohne uns weg vom Fenster ist", kamen dort nicht gut an, nicht nur im saudischen Königshaus. Bei einer Umfrage kurz vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen erklärten 68 Prozent der befragten Saudis, dass sie Clinton wählen würden. Und das in einem Land, in dem noch nie Wahlen stattgefunden haben, um die politische Führung vom Volk bestimmen zu lassen und in dem Frauen noch nicht einmal Autofahren dürfen. Doch Clinton als US-Präsidentin – das war für sie offenbar doch mehrheitsfähig.
Aber selbst diese Wogen dürften nach Trumps Amtsantritt schnell geglättet werden. Dazu nur zwei Zahlen: Die Vereinigten Staaten beziehen immer noch elf Prozent ihres Erdöls aus Saudi-Arabien, bekommen allerdings einen guten Teil ihres Geldes wieder zurück, indem sie Waffen an das Land liefern. Allein im letzten Jahr lieferten die USA Waffen im Wert von 33 Milliarden US-Dollar an die Golfstaaten. Da dürfte die kühle Trump-Rhetorik doch rasch wieder in der saudischen Wüstenhitze dahinschmelzen.
Ein Dominostein für das "Eliminieren der Grauzone"
Und dann steht noch die Frage im Raum, ob Trumps anti-muslimische Rhetorik den radikalen Islamisten weltweit nutzt oder schadet? Doch das lässt sich relativ einfach beantworten. Wenn der IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi in den USA hätte wählen dürfen, hätte er wahrscheinlich für Trump gestimmt. Denn der passt perfekt in das Weltbild der militanten Islamisten.
Im IS-Online Magazin "Dabiq" wurde letztes Jahr in einem Artikel ausführlich die Idee vom "Eliminieren der Grauzone" diskutiert. Gemeint ist die Koexistenz zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. Ziel des IS ist es demnach, die westlichen Gesellschaften zu polarisieren, in der Hoffnung, dann die Muslime mit der IS-Hassbotschaft mobilisieren zu können. Und in diesem Sinne ist Donald Trump ein echter Traum-Präsident des "Islamischen Staates".
Karim El-Gawhary
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