Nicht ganz unschuldig?

Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm lassen Fragen aufkommen, inwieweit deutsche Firmen an diesem Aufbau beteiligt waren. Dazu der Atomexperte Mark Higgs.

Von Peter Philipp

Parallel zum Streit um die iranische Atompolitik haben deutsche Behörden ihre Bemühungen verstärkt, jede kommerzielle Verbindung deutscher Firmen und Lieferanten mit dem Iran auf dem Atomsektor zu unterbinden: Vor einigen Wochen führten die Behörden bundesweit eine Großrazzia in 44 Firmen durch - ohne dabei wirklich fündig zu werden -, und in einem ergänzenden Bericht zeigte das deutsche Fernsehen wenig später, wie iranische Einkäufer vor einigen Jahren in Deutschland wichtige Komponenten für ihr Atomprogramm erwarben.

Einer der möglichen Verkäufer steht gegenwärtig in Mannheim vor Gericht: Er soll in den verbotenen Verkauf von Atomar-Zubehör an Libyen verwickelt gewesen sein.

Dass Deutschland gleichzeitig zu den prononciertesten Vertretern der internationalen Front gegen den Iran gehört, ist nicht unbedingt ein Widerspruch, meint Mark Hibbs, ein in Bonn lebender und international renommierter Experte in Atomfragen. Denn die deutsche Haltung in Fragen Proliferation habe sich in den letzten Jahren gründlich geändert:

"Die deutsche Rolle hat in den neunziger Jahren an Bedeutung verloren. Wir wissen, dass die deutsche Industrie in den achtziger Jahren mit Unterstützung einer schwachen Exportkontrollpolitik der Regierung einer Reihe von Staaten - darunter dem Irak - ermöglichte, große Mengen von Material und Maschinen zu erwerben, um Einrichtungen für Atomwaffen zu bauen. Ende der achtziger bis in die neunziger Jahre, als das wirkliche Ausmaß des Nuklearprogramms aufgedeckt wurde, schaltete die deutsche Regierung sich ein und war sehr erfolgreich dabei, den größten Teil dieses Handels abzustellen.

"Und wir haben dann in den neunziger Jahren gesehen, dass der illegale Handel von illegalen Waffen und von 'dual use' Gütern mit Irak und Iran aus Deutschland stark reduziert wurde. Es gibt gelegentlich Fälle deutscher Proliferation, die bekannt werden, aber da scheint es eine Kooperation zu geben mit Dritten, die außerhalb Deutschlands die Anschaffung für Länder wie Pakistan, Iran und Libyen betrieben. Und diese Art der Proliferation ist sehr schwer festzustellen".

Iran als Teil der deutschen Interessensphäre

Das läuft dann in etwa so ab: Eine Firma in Russland bestellt in Deutschland Maschinen oder Teile, deren Verwendung in einem Exportantrag als zivil deklariert und deren Export darauf hin genehmigt wird. Statt aber in Russland zu bleiben, werden die Güter dann auf dunklen Kanälen in ein anderes Land weitergeleitet, das die Exportgenehmigung nie erhalten hätte, weil man diesem Land unerlaubte atomare Ambitionen unterstellt. Wie etwa dem Iran im gegenwärtigen Streit.

"Ich denke, es gibt hier zwei Seiten der Medaille", sagt Mark Hibbs. "Die erste Frage ist, wie die deutsche Export-Kontrolle und der Geheimdienst sich anstellen. Hier bin ich ohne jeden Zweifel überzeugt, dass beide entschlossen sind, sich einzuschalten und die Weiterverbreitung durch deutsche Gesellschaften abzustellen. Die deutsche Regierung weiß: Wenn ein einziger Fall solcher Exporte von Atomtechnologie in ein Land wie den Iran durch eine deutsche Firma bekannt würde, dann würde dies ernsthaft die Reputation der Bundesrepublik beeinträchtigen und diplomatischen Schaden anrichten."

Eine ganz andere Frage sei aber, wie die deutsche Politik und die deutsche Wirtschaft sich generell gegenüber dem Iran verhalten. Sie seien nicht bereit, den Iran unter Druck zu setzen, betrachten den Iran als Teil der deutschen Interessensphäre und seien nicht bereit, die deutschen Wirtschaftsinteressen in dieser Region zu gefährden.

Deutsche Waffen beliebt bei Waffenkäufern

Ein Problem sei dabei die "russische Komponente": Moskau sei schon früh im Iran aktiv geworden, um Atomprojekte fortzusetzen, die Deutschland einst begonnen - und nach der Revolution – eingestellt hatte. Hierbei kooperiere Russland mit Stellen in Teheran, die gleichzeitig für die friedliche wie auch die militärische Nutzung von Atomkraft zuständig seien und es sei praktisch unmöglich, im Voraus den genauen Verwendungszweck von Lieferungen in den Iran festzustellen. Trotzdem bemühten die deutschen Behörden sich, solchen Geschäften auf die Spur zu kommen, bisher aber mit nur mäßigem Erfolg, wie Mark Hibbs erläutert:

"In einigen wenigen, aber wichtigen Fällen drohte man, Missetäter Verrat vorzuwerfen, weil sie Staatsgeheimnisse des deutschen Uran-Anreicherungsprogramms an Staaten außerhalb der EU weitergegeben haben sollen. Und was wir dabei gesehen haben: Es ist ungeheuer schwierig für die deutschen Behörden, diesen ernsten Vorwurf wirklich zu belegen. In einigen der Fälle musste man dann auf weniger ernste Anklagen zurückgreifen. Etwa auf Export-Verstöße, auf die im ersten Fall höchstens ein, zwei Jahre Gefängnis stehen".

Deutschland bleibe trotz all dieser Anstrengungen aber im Interesse von Waffenkäufern, denn hier gebe es fortgeschrittene Technologie und hohe Qualität. Und da viele der einzelnen Komponenten solcher Programme nicht eindeutig Waffenprogrammen zuzuordnen seien, sondern ebenso gut friedlichen Zwecken dienen könnten, da auch die Handels- und Exportbestimmungen innerhalb der EU und mit Osteuropa heute mehr gelockert seien als früher, sei natürlich auch die Gefahr gewachsen, dass bestimmte Güter in falsche Hände geraten.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006

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