Die Stimme des Friedens verstummt
Gezielte Angriffe auf öffentlich aktive Frauen nehmen in Afghanistan immer mehr zu. Mit der Ermordung der Journalistin und Menschenrechtlerin Zakia Zaki am 6. Juni setzt sich die unheilvolle Mordserie am Hindukusch fort. Einzelheiten von Ratbil Shamel und Sayed Rohulla Yasir
Als Leiterin des lokalen Radiosenders "sadaye solh" (Die Stimme des Friedens) berichtete Zakia Zaki vor allem über die missliche Lage der Frauen in Afghanistan. Ihr Erfolg brachte ihr auch viele Feinde ein.
Feinde, die entschlossen sind jede Stimme des Friedens mit ihren Kalaschnikows zum Schweigen zu bringen. Zakia Zaki wurde zum Schweigen gebracht. Sie hinterlässt sechs Kinder, ihren Mann und Tausende fassungslose Menschen, die um sie trauern.
"Für mich lebt sie noch, ich sehe sie täglich vor mir und kann es immer noch nicht glauben, dass diese lebensdurstige Frau nun tot ist", sagt Saber Yusufi, ein Freund der Ermordeten. So wie ihm geht es vielen Menschen im Norden Afghanistans, wo man ihre Stimme täglich hörte und ihre mutigen Beiträge bewunderte.
Keine der "Schicki-Mickis" aus Kabul
Sie war ein Mädchen des Nordens. Das heißt, wie ihr Freund Yusufi es erklärt, keine von den "Schicki-Mickis" aus Kabul, die nur über Frauenrechte reden können. Sie packte mit an und war stets an der Seite der Betroffenen. Die 35jährige Zakia Zaki war eine Journalistin mit Mission.
Die Frauen sollten es in Afghanistan besser haben als bisher. Das war ihr Moto und das war auch ihre Antriebskraft. Nach Informationen ihrer Freunde ist sie ihrem Geburtsort Gabulu Saraj in der Provinz Parwan trotz allen Angeboten, nach Kabul zu ziehen, stets treu geblieben. Die Menschen ihrer Heimat liebten sie dafür. Und die Kollegen in der Hauptstadt honorierten es mit Respekt.
Auch aus diesem Grund waren zahlreiche Pressevertreter aus verschiedenen Teilen des Landes zu ihrer Beerdigung gekommen – ohne Mikrophone und Kameras. Fazel Sancharaki, Vorsitzender des nationalen Journalistenverbandes in Kabul zeigte sich von der Anteilnahme der Menschen vor Ort beeindruckt.
"Sie war nicht nur eine Journalistin, sondern auch eine Menschenrechtlerin, die sich für die weniger Begünstigen einsetzte", so Sancharaki. "Kein Wunder, dass wir überall in der Stadt traurige Gesichter gesehen haben. Hunderte von Menschen waren gekommen, um sich von ihr zu verabschieden."
Eine Stimme gegen die Taliban
Zakia Zaki genoss den Ruf, eine unabhängige Persönlichkeit zu sein. Sie war nicht erst nach dem Sturz der Taliban im Jahre 2001 politisch aktiv geworden. Als die Radikal-Islamisten Mitte der 1990er Jahre Kabul eroberten, wollte sie ihren Geburtsort gerade mal 60 km von Kabul entfernt, nicht verlassen.
Sie entschloss sich stattdessen, gegen sie ins Feld zu ziehen – aber auf ihre Art und Weise. Sie gründete mit Hilfe ihres Ehemannes im noch Taliban freien Norden einen Radiosender namens "sadaye solh".
Zu Beginn war sie Reporterin, Sprecherin, Sekretärin, Chefin, Putzfrau, Programmdirektorin und Marketingabteilung in einer Person. Und sie war die einzige Frauenstimme, die über die Radiowellen laut und deutlich gegen Mullah Omar und seine menschenverachtende Politik protestierte.
Für die Taliban war sie der Teufel in Person. Denn Frauen dürfen gemäß der Moralvorstellung der selbst ernannten Gotteskrieger nicht in der Öffentlichkeit laut sprechen. Die Stimme der Frau sollte, um die Männer nicht irrezuführen, den häuslichen Bereich möglichst nicht verlassen.
Doch Zakia Zaki sprach, sie sprach außerhalb ihres Hauses und zwar im Radio. Tausende Männer konnten sie hören; und sie hörten, dass sie die Taliban als menschgewordene Monster kritisierte. Eine Ungeheuerlichkeit aus Sicht der Führungselite der Taliban.
Ständige Drohungen
Für Schokria Barekzai, Parlamentsabgeordnete aus Kabul, ist es daher klar, welche Kräfte hinter dem Mord an ihr stecken: "Es sind jene, die Frauen grundsätzlich unterdrücken wollen", so Barekzai. "Sie betrachten Pressefreiheit und freies Denken als große Gefahren für sich."
Zakia Zakis Ehemann erklärte, dass seine Frau stets von unbekannter Seite bedroht wurde. Doch sie wollte diese Drohungen nie wirklich ernst nehmen. Ihren Freunden sagte sie immer, wenn wir den Kampf für ein besseres Leben aufgeben, dann sind wir schon tot. Also, war sie entschlossen, stets weiter zu kämpfen.
Sancharaki vom nationalen Journalistenverband wirft der Regierung in Kabul vor, die Journalistin mit ihrem Kampf allein gelassen zu haben. Er befürchtet nun, dass mit jedem Attentat gegen Frauen weniger Familien bereit wären, ihre Töchter in die Schule schicken oder ihnen eine Berufsausbildung zu ermöglichen.
Für Saber Yusufi ist es im Moment nicht so wichtig, wer letztendlich seine geschätzte Freundin umgebracht hat. Was für ihn zählt ist die bittere Einsicht, dass es sie nicht mehr gibt – ob er das nun glauben möchte oder nicht.
Seit seinem letzten Besuch bei Zakis Ehemann und seinen sechs Kindern weiß er, dass die Polizei von zwei Tätern spricht aber bislang keine Verdächtigen ausmachen konnte. Der Mord an Zakia Zaki wird, höchst wahrscheinlich wie die meisten politischen Morde in diesem Land ungelöst bleiben.
Was aus ihrem Lebenswerk, ihrem Radiosender werden wird, steht noch nicht fest. Alle Mitarbeiter wollen weiter machen. Doch sie wissen, dass es ohne Zakia Zaki sehr schwierig werden wird.
Ratbil Shamel / Sayed Rohulla Yasir
© DEUTSCHE WELLE 2007
Qantara.de
Frauenrechte in Afghanistan
Sitten-Polizei als Demokratie-Bremse?
Auch nach dem Sturz der Taliban hat sich die Situation der Frauen in Afghanistan kaum verbessert. Mit der Einführung einer Sitten-Polizei sollen ihre Rechte weiter beschnitten werden. Von Nabila Karimi-Alekozai
Amnesty International-Report Afghanistan
Frauenrechte nur auf dem Papier
Die Situation der Frauen in Afghanistan ist nach wie vor erschreckend, so der aktuelle Report von Amnesty International. Noch ist der Weg zur Gleichstellung, wie es die afghanische Verfassung vorsieht, Jahrzehnte entfernt. Doch es gibt auch kleine Fortschritte. Von Petra Tabeling
Afghanische Zeitschrift "Malalai"
Die Stimme der afghanischen Frauen
Jamila Mujahed ist Herausgeberin des einzigen Frauenmagazins in Afghanistan. Für ihre Zeitschrift "Malalai", mit der sie sich für die Rechte von Frauen einsetzt, erhiehlt sie nun den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit. Petra Tabeling berichtet.