Fußball unterm Kopftuch
Auf den Rängen wird krakeelt und gesungen, so wie in jedem anderen Fußballstadion der Welt. Doch aus den Lautsprechern ertönt eine Warnung: Bei unsittlichem Verhalten drohe der Spielabbruch. Diese Durchsage ist ernst gemeint, denn wir befinden uns in Teheran.
Das spannende Duell zwischen den Spielerinnen des Berliner Clubs BSV Al Dersim Spor und der iranischen Frauennationalmannschaft erhitzt die Gemüter. Bei einigen Zuschauerinnen sitzt das Kopftuch bereits verdächtig locker und die Sprechchöre werden zunehmend frecher.
Zwar wurden für den heutigen Tag ausnahmslos alle Männer aus dem Stadion verbannt, aber die bigotten iranischen Sittenwächterinnen vergessen nicht, dass Kameras vor Ort sind.
"Im Iran ist fast alles möglich"
Das Spiel wird trotz des Aufruhrs auf den Rängen glücklicherweise nicht abgebrochen, so wie sich in der Dokumentation "Football Under Cover" ohnehin fast alles zum Guten wendet.
"Im Iran ist offiziell nichts möglich – aber dennoch fast alles möglich", hatte der iranische Regisseur Ayat Najafi einige Monate zuvor der Mitinitiatorin Marlene Assmann erklärt, und das Filmprojekt dokumentiert, dass sich diese Einschätzung bewahrheitet. Trotz aller Hindernisse gelingt das ungewöhnliche Projekt, das die Filmemacher und die Spielerinnen über ein Jahr lang beharrlich verfolgen.
Tatsächlich war es so, dass die Filmemacher zuerst die Idee zum Film und der Begegnung der beiden Teams hatten, erst dann wurde das Projekt ins Rollen gebracht. Der Dokumentarfilm berichtet also über ein Ereignis, das er selbst ins Leben gerufen hat. Im April 2006 ist es dann soweit: das Verbandsligateam des Kreuzberger Vereins Al Dersimspor fliegt zum Freundschaftsspiel nach Teheran.
Skurrile Verrenkungen der iranischen Bürokratie
In "Football Under Cover" erfahren die Zuschauer, dass es im Iran schon im Jahre 1968 eine Frauennationalmannschaft gab, und es auch heutzutage weder an weiblichen Schiedsrichtern, noch an Funktionärinnen oder Stadionsprecherinnen mangelt.
Der Film offenbart jedoch auch, welch skurrile Verrenkungen die iranische Bürokratie veranstaltet, um die Pläne für das Freundschaftsspiel unauffällig zu durchkreuzen, und dass von deutscher Seite kaum Unterstützung gewährt wird.
Die Trikots für die Berliner Mannschaft sponsert letztlich der iranische Fußballstar Ali Daei, der einige Jahre in der Bundesliga spielte, unter anderem bei Bayern München und Hertha BSC Berlin.
Fußball als Männerdomäne
Doch so unterhaltsam und humorvoll dieser Kampf mit Behörden, Funktionären und Sponsoren in Szene gesetzt ist, die besondere Stärke des Films von Ayat Nayafi und David Assmann liegt in den einfühlsamen Porträtsequenzen.
Die Zuschauer tauchen für einen kurzen Moment in die Lebenswelten ganz unterschiedlicher junger Frauen ein, deren gemeinsame Leidenschaft das Fußballspielen ist. Und es finden sich weitere Parallelen:
Der Kampf um Anerkennung in der – auch im Westen – männerdominierten Welt des Fußballs ist hier wie dort ein wichtiges Thema. Wenn die Berlinerin Susu davon spricht, dass sie glücklich ist, sobald sie besser spielt als ein Junge, dann ist das nicht weit entfernt von Niloofars Genugtuung, wenn es ihr wieder einmal gelingt, sich beim Training im öffentlichen Park als Junge zu tarnen.
Dennoch verhehlt die Dokumentation auch nicht die wesentlichen Unterschiede im Leben seiner Protagonistinnen. Die Berliner Muslimin Susu kann jederzeit mit Jungen bolzen. Und ein Kopftuch muss die Fußballerin nur beim Besuch in Teheran anlegen. Den jungen Iranerinnen Niloofar und Narmila hingegen ist das Kicken mit Jungen ebenso verboten wie das Ablegen des Kopftuchs in der Öffentlichkeit.
Doch trotz der Unterschiede der jeweiligen Lebenswelten, auf dem Platz begegneten sich die Spielerinnen auf Augenhöhe: Das Match endete 2:2 Unentschieden.
Ariana Mirza
© Qantara.de 2008
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