Megawahl in Indonesien
Am 5. April finden in Indonesien mehrere Wahlen gleichzeitig statt. Neben dem Nationalparlament (DPR) entscheiden die Wähler im bevölkerungsreichsten islamischen Land der Erde auch über die Zusammensetzung des neu geschaffenen Regionalrats (DPD).
Zudem werden die Parlamente der Provinzen und Kommunen (DPRD) gewählt. Dem Land steht damit ein Mega-Wahlgang bevor: 147 Millionen Wähler entscheiden über die Verteilung von insgesamt fast 16.000 Mandaten.
Zu Wahl stehen 24 Parteien. Sie werden vor allem um die 550 Sitze im nationalen Parlament kämpfen. Das Abschneiden der Parteien dabei entscheidet auch mit über die Aufstellung der Kandidaten für die Wahl von Präsident und Vizepräsident am 5. Juli. Diese beiden Posten werden in Indonesien quasi im Doppelpack und direkt vom Volk gewählt.
Wenn keines der Kandidatenpaare über 50 Prozent erreicht, was sehr wahrscheinlich scheint, gibt es eine Stichwahl am 20. September. Schon jetzt wird über alle möglichen Koalitionsvarianten spekuliert. Wenn es um Macht geht, kennen die Parteien weder ideologische Grenzen noch programmatische Inkompatibilität.
Fünf Sieger bei den letzten Wahlen
Bei den letzten Parlamentswahlen 1999 hatten sich fünf Parteien als politische Kraft etabliert: Sieger wurde die so genannte Demokratische Partei des Kampfes (PDIP) von Präsidentin Megawati Sukarnoputri mit 33,8 Prozent. Die ehemalige Regierungspartei Golkar folgte mit großem Abstand an zweiter Stelle - sie erhielt 22,5 Prozent. Dann folgten die Partei des nationalen Erwachens (PKB) mit 12,6, die Vereinigte Entwicklungspartei (PPP) mit 10,7 und die Partei des nationalen Mandats (PAN) mit 7,1 Prozent.
PDIP, Golkar und PPP stammen noch aus der Suharto-Ära. PKB und PAN sind zwei islamisch orientierte Parteien, die erst nach Suhartos Sturz gegründet wurden. Die PKB wurde von dem populären Muslimführer Abdurrahman Wahid gegründet.
Auch islamische Parteien treten an
Der als moderat und liberal geltende Politiker ist zugleich Vorsitzender der Nahdlatul Ulama (NU), der größten muslimischen Organisation Indonesiens. Doch nicht alle NU-Mitglieder unterstützen Wahid und seine PKB. Die Konservativen innerhalb der NU sympathisieren eher mit der PPP unter Führung von Hamzah Haz.
Die andere Muslim-Partei, PAN, wurde von dem dynamischen muslimischen Intellektuellen Amien Rais gegründet. Er ist zugleich Vorsitzender der Muhammadiyah, der zweitgrößten indonesischen Muslim-Organisation. Seine Popularität erlangte Rais 1998, als er die Studentenproteste unterstützte und offen gegen Diktator Suharto opponierte.
Sowohl PKB als auch PAN bezeichnen sich aber offiziell nicht als 'islamische', sondern als 'nationalistische' Parteien. Beide lehnen einen islamischen Staat öffentlich ab und treten ein für Pluralismus und Demokratie.
Die Position der PPP und ihres Führers Hamzah Haz in diesem Punkt ist allerdings weniger eindeutig. Zwar lehnt Haz in öffentlichen Verlautbarungen einen islamischen Staat ab, weil - wie er sagt - "diese Idee sowieso nicht mehrheitsfähig" sei. Aber die PPP setzt sich für die Anwendung der islamischen Rechtssprechung ein, die laut Haz "zunächst für einige Regionen" gelten sollte.
Präsident wird nun vom Volk gewählt
Obwohl die PDIP die Parlamentswahlen 1999 ganz klar gewonnen hatte, wurde Megawati von der verfassungsgebenden Versammlung damals zunächst nicht ins Präsidentenamt gewählt. Die PDIP hatte sich anfangs geweigert, mit anderen Parteien Koalitionsgespräche zu führen und wollte lieber alleine regieren. So viel Arroganz wollten sich die anderen neu gewählten Abgeordneten jedoch nicht bieten lassen. Sie handelten einen Deal aus und machten Abdurrahman zum Präsidenten. Megawati musste sich mit dem Vizepräsidentenamt begnügen.
Doch Wahid beging später den gleichen Fehler. Er beschimpfte das Parlament als Kindergarten. Die Abgeordneten setzten ihn prompt ab, versöhnten sich mit Megawati, machte sie zur Präsidentin und Hamzah Haz zu Vizepräsidenten.
Doch die Politiker erkannten schnell die Schwäche des alten Systems und änderten die Wahlgesetze. Deshalb wird der Präsident künftig nicht mehr von der verfassungsgebenden Versammlung, sondern zum ersten Mal direkt vom Volk gewählt.
Wenig Erfahrung mit Wahlverhalten
Letzte Meinungsumfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Megawatis PDIP und Golkar voraus. Aber wie aussagekräftig diese Vorhersagen sind, ist ungewiss. Über das Verhalten der indonesischen Wähler ist nur wenig bekannt - auch weil es kaum Erfahrungen auf diesem Gebiet gibt. Freie Wahlen gab es in der fast 60-jährigen Geschichte der Republik erst zwei Mal - 1955 und dann erst wieder 1999.
Zwar hat Megawatis PDIP in jüngster Zeit viel Zustimmung verloren, doch die Präsidentin gilt weiterhin als populärste Figur Indonesiens. Eine weitere Besonderheit ist: Keine der 24 zur Wahl antretenden Parteien verfügt über ein detailliertes Wahlprogramm. Die Unterschiede zwischen den Parteien beschränken sich meist auf ihr generelles Image und das ihrer Kandidaten.
Neues Mehrheitswahlrecht begünstigt große Parteien
Das neue Wahlsystem ist viel komplizierter als vorher, weil erstmals das Mehrheitswahlrecht angewandt wird. Die Wähler könnten ihren Kandidaten jetzt auch direkt wählen. Zugleich begünstigt das neue System jedoch die großen Parteien - was in Indonesien selbst mehreren Politikern noch nicht bewusst zu sein scheint.
Es könnte deshalb Streit geben bei der Stimmenauszählung und Sitzverteilung. Außerdem hatte die nationale Wahlkommission bis zuletzt große Schwierigkeiten bei Produktion und Lieferung der über 600 Millionen Stimmzettel. Wegen des Zeitdrucks werden jetzt auch Stimmzettel mit - wie es heißt - "kleinen Fehlern" zur Verwendung freigegeben.
30 Millionen Erstwähler
Der Ausgang der Parlamentswahlen wird nicht zuletzt davon abhängen, wie sich die etwa 30 Millionen Erstwähler entscheiden. Erste Zahlen werden erst 72 Stunden nach der Schließung der Wahllokale erwartet.
Wie auch immer die Wahlen ausgehen, es ist nur die erste Etappe im indonesischen Superwahljahr, als nächstes folgt die Präsidentenwahl. Für Parteien und Politiker bleibt da nicht viel Zeit. Sobald verlässliche Zahlen über Parlamentsmandate vorliegen, müssen sie im Prinzip schon den nächsten Wahlkampf vorbereiten.
Hendra Pasuhuk
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004