So ist kein Staat zu machen
Lange hat sie nicht gehalten, die Waffenruhe zwischen Hamas und Fatah. Der Machtkampf zwischen den beiden Rivalen tobt und ist mittlerweile zu einem Alptraum für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen geworden. Ein Kommentar von Peter Philipp
Es ist längst müßig geworden, in Gaza zu zählen, wann Waffenruhe herrscht und wann nicht. Wenn eine Stunde lang nichts passiert, dann ist das schon fast als Erfolg zu werten.
Was die Palästinenser sich im Gazastreifen – und vielleicht auch bald im Westjordanland? – leisten, ist mit Sicherheit die ernsteste Herausforderung für Sympathie und guten Willen, den viele auf der Welt ihnen bisher entgegen gebracht haben.
Und unter den Schüssen, Scharmützeln, Überfällen und anderen Gewalttaten in Gaza drohen solches Mitgefühl und Sympathie zerstört und denen Recht gegeben zu werden, die "es ja immer schon gewusst" hatten: Nämlich, dass mit den Palästinensern kein Staat zu machen sei.
Das Blutvergießen der letzten Tage und Wochen findet ohne israelisches Zutun statt. Es geht hierbei in erster Linie um einen Machtkampf, bei dem freilich auch nicht die "bessere Ideologie" oder die "bessere Strategie" im Vordergrund stehen, sondern einzig und allein die Frage, wer denn nun das Sagen hat unter den Palästinensern.
Die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas ist weiterhin nicht bereit, sich mit dem Ergebnis der Wahlen vom Frühjahr 2006 abzufinden, die die islamistische Hamas an die Macht brachte.
Die Fatah lässt sich dabei nicht von den Überlegungen leiten, die Israel und den Westen auf Distanz gehen ließen zur Hamas-Regierung. Es geht hier nicht um die Frage, ob Hamas nicht doch eines Tages Israel anzuerkennen bereit sein sollte. Sondern es geht um alte und auch neue Rechnungen zwischen den beiden Gruppen.
Ein Streit, der zwar immer wieder einmal – in Kairo, Damaskus oder Riad – am Verhandlungstisch beigelegt wird, um dann nur umso heftiger wieder auf der Straße auszubrechen und in Gewalt umzuschlagen.
Das Absurde dabei ist, dass beide Gruppen eigentlich ja doch in einer Regierung sitzen und auf saudisches Anraten beschlossen hatten, der Welt durch die Beteiligung von Fatah-Vertretern ein konzilianteres Bild dieser Regierung vorzugaukeln.
Eine Taktik, die beinahe gelungen wäre. Denn im Ausland hatte man sich nur allzu sehr auf die Position der Hamas gegenüber Israel konzentriert und man war heilfroh, dass man nun wieder mit Gemäßigten wie Abbas und anderen Fatah-Politikern würde sprechen können.
Die Kämpfe in Gaza und die Zwietracht zwischen den ungleichen Koalitionspartnern macht diese Hoffnung zunichte – just in dem Augenblick, in dem zum Beispiel die EU beschließt, ihre offizielle Hilfe für die Palästinenser wieder aufzunehmen. Ob das in der geplanten Form nun möglich sein wird, bleibt dahingestellt. Ein Weiteres: Die zerstrittenen Brüder in Gaza machen es der Regierung Olmert leicht.
Statt diese Regierung mit einem friedfertigen Kurs unter Druck zu setzen und in Zugzwang zu bringen, liefern die Palästinenser Jerusalem jeden Vorwand, auf Kontakte, Gespräche und Konzessionen auch weiterhin zu verzichten.
Sicher werden bald Spekulationen kommen, dass gerade deswegen eben doch Israel hinter dem Ganzen stecke, das wäre aber etwas zu abenteuerlich. Wer sich hier "ins Knie schießt", das sind die Palästinenser selbst.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE 2007
Qantara.de
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