Jesus und Mohammed

Ein ungewöhnliches Theaterprojekt über die Begegnung zweier Weltreligionen wurde kürzlich auf dem Evangelischen Kirchentag aufgeführt. Im Anschluss konnten Theater-interessierte Christen und Muslime über Gemeinsamkeiten und Tabus diskutieren. Von Cem Sey

Darsteller: Nina Herting, Mira Kaspari und Mathias Eysen, Musik und Gesang: Hanan El-Shemouty; Foto: www.spiritdialox.de
Darsteller: Nina Herting, Mira Kaspari und Mathias Eysen
Musik und Gesang: Hanan El-Shemouty

​​"Was würde wohl geschehen, wenn Mohammed und Jesus sich begegneten? Gibt es dann Streit oder Frieden?" - Diese Frage stellte sich der Berliner Regisseur Harald-Alexander Korp, als er sich an ein ungewöhnliches Theaterprojekt heranmachte: ein für viele Gläubige gewiss auch provokantes Theaterstück mit dem Titel "Jesus und Mohammed", dargeboten - auch dies sehr unorthodox - von zwei weiblichen Schauspielern.

Aus Respekt vor dem islamischen Glauben schlüpfen die Darstellerinnen allerdings nicht optisch in die Rolle Mohammeds, was aus Sicht frommer Muslime auch männlichen Darstellern verboten wäre, sondern konzentrieren sich auf das Rezitieren der religiösen Texte.

Austausch zwischen den Religionen

Im Theaterhaus in Berlin-Mitte üben die Schauspielerinnen Nina Herting und Mia Kaspari vom Spiritdialox-Theater den Streit zwischen den Religionen. Es ist ein fiktives Streitgespräch zwischen Jesus und Mohammed.

"Es ist natürlich spannend, wenn man die verschiedenen Religionen miteinander in den Dialog kommen lässt, auch miteinander konfrontiert", sagt Korp, denn dadurch werde auch die eigene Identität noch einmal neu überdacht und damit klarer. "So entsteht ein sehr kreativer Austausch zwischen den Religionen. Und natürlich auch ein Streit zwischen ihnen im positiven Sinne."

Korp, der unter anderem Theologie und Philosophie studiert hat, sieht darin auch eine persönliche Bereicherung und Herausforderung. Er will herausfinden, wie weit man die Texte dadurch erneuern, ihnen frische Energie geben kann.

Es sind zwar im Prinzip Originaltexte, der er sich bedient - aus der Bibel und aus einer deutschen Übersetzung des Korans. Aber die Mischung, die auf der Bühne präsentiert wird - die ist künstlich.

"Die Idee war", so Korp, "dass man Originaltexte nimmt, sie aber miteinander montiert. Das heißt, dass Texte aus dem Koran und Texte aus der Bibel von einem (weiblichen) Schauspieler gesprochen werden, ohne dass man immer genau unterscheiden kann: Wann ist es ein Text aus dem Koran, wann ist es aus der Bibel? Und die Schauspieler kommen dabei dann auch noch zu einer Art Streitgespräch."

Schauspielerinnen leihen ihre Stimme

Ein grundlegendes Problem stellte sich allerdings bei dem Theaterprojekt: Im Islam ist das Darstellen des Propheten nicht erlaubt. Das machte es zu einer schwierigen Aufgabe, Mohammed auf der Bühne zur Sprache zu bringen. Deswegen leihen die Schauspielerinnen dem Propheten nur ihre Stimme, "spielen" ihn aber nicht, betont Korp:

"Wir spielen nicht Jesus und Mohammed. Zum Beispiel die Berufung durch Erzengel Gabriel, die im Koran sehr schön nachzulesen ist: Da stellt ein Darsteller den Erzengel Gabriel dar und die Schauspielerin Mohammed. Dann kommt es zu einem Dialog zwischen dem Erzengel Gabriel und Mohammed. Aber dabei ist klar: Sie sind weder Mohammed noch der Erzengel Gabriel!"

Dass zwei Frauen auf der Bühne seien, ist für Korp ein Teil der Loslösung von der Tradition der Texte: "Es geht für mich um die Poesie und die Schönheit vieler Texte. Nur wenn sie von einer Frau gesprochen werden, entsteht noch eine andere Komponente, als man es eigentlich gewöhnt ist und erwartet. Das sorgt schon für Irritation."

Gerade aktuell geführte Diskussionen kommen in dem Theaterstück nicht zu kurz. Vor allem das Thema Frauen wird in einer Weise thematisiert, die dem im Westen häufig verbreiteten Klischee vom Islam als einer frauenfeindlichen Religion poetisch widerspricht. So wird gefordert, die Frauen fürsorglich und liebevoll zu behandeln.

Dialog der Zuschauer

Das Stück kommt trotz aller anzunehmenden Risiken gut an beim Publikum in Berlin. Die Zuschauer seien oft gemischt, berichtet Korp: zur einen Hälfte deutsch beziehungsweise christlich - und zur anderen Hälfte türkisch beziehungsweise muslimisch.

Innerhalb und zwischen diesen beiden Zuschauergruppen gebe es nach den Vorstellungen oft auch anregende Diskussionen: über unterschiedliche Glaubensüberzeugungen, über Trennendes und Verbindendes, über Tabus.

Auch die evangelische Kirche zeigte sich aufgeschlossen und lud die Theaterleute mit ihrem Stück auf den Evangelischen Kirchentag ein.

Bei der katholischen Kirche hingegen stieß das Stück auf Ablehnung. Mit der Begründung, Mohammed könne aus katholischer Sicht nicht als Prophet angesehen und deshalb auch nicht gleichwertig mit Jesus in einem Stück behandelt werden, lehnte die Katholische Akademie eine Vorführung ab.

Cem Sey

DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

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