Mediale Normalisierung der Islamberichterstattung
Dass Medien eine maßgebliche Rolle bei der Integration von Muslimen spielen und somit darüber mitentscheiden, ob die politisch angestrebte "Einbürgerung des Islam" letztendlich erfolgreich stattfinden würde, liegt ja auf der Hand.
Diese Einschätzung dürfte auch Bundesinnenminister Schäuble dazu veranlasst haben, auf der Fachkonferenz "Das Islambild in Deutschland: Neue Stereotype, alte Feindbilder?" für eine differenziertere Berichterstattung zu plädieren, wenn es darum geht, die Muslime und die Vielfalt ihrer Realitäten darzustellen.
Die Konferenz, die vom Bundesinnenministerium und der Herbert Quandt-Stiftung veranstaltet wurde, ist Teil der "Deutschen Islamkonferenz". Journalisten, Politiker, Medienwissenschaftler und Vertreter muslimischer Verbände kamen zusammen, um darüber zu diskutieren, wie sich das öffentliche Bild von Muslimen in Deutschland seit der Einberufung der "Deutschen Islamkonferenz" vor über einem Jahr gewandelt hat – und vor allem, um die realen Chancen einer Normalisierung der Islamberichterstattung auszuloten.
Klima des Misstrauens
"Das Bild hat sich gewandelt und es besteht kein Zweifel daran, dass es in Deutschland heute ein weit verbreitetes Misstrauen gegenüber dem Islam gibt. Folgt man den Ergebnissen repräsentativer Umfragen, so haben diese Vorbehalte, ja die Furcht in der deutschen Gesellschaft vor dem Islam in den letzten Jahren zugenommen", beschrieb Schäuble die aktuelle Entwicklung, die seine nationalen Integrationspläne zu konterkarieren droht.
Denn einerseits wird der Islam in der Mehrheitsgesellschaft fälschlicherweise immer stärker mit Islamismus und Fanatismus gleichgesetzt. Andererseits "klagen Muslime über Ausgrenzungen und pauschale Ablehnung.
Sie fühlen sich zunehmend unabhängig von ihren persönlichen Einstellungen zur eigenen Religion und zur Gesellschaftsordnung, in der sie leben, einem pauschalen Verdacht ausgesetzt, durch den sie sich ausgegrenzt fühlen", konstatierte Schäuble weiter.
"Dialektik der Integration"
Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer wies in diesem Zusammenhang abermals auf die Ergebnisse seiner seit 2002 jährlich durchgeführten Studien zu den "Einstellungen der Bevölkerung zum Islam in Deutschland" hin und sprach von einer "Dialektik der Integration, da die Menschen so handeln wie sie eine Situation definieren und einschätzen".
Zwar sei "Konflikthaftigkeit im Integrationsprozess" völlig normal und "kulturelle Distanz" stelle keine Fremdenfeindlichkeit dar, jedoch müsse man vor Missbrauch dieser Ängste zu Mobilisierungszwecken in Wahlkämpfen eindringlich warnen, da dies dem Integrationsprozess schweren Schaden zufüge.
Dass Bildung kein Puffer gegen Islamophobie ist, räumte Heiner Bielefeldt, Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte, ein: "Die Skepsis gegenüber dem Islam ist in allen politischen Kreisen und den verschiedensten Schichten der Bevölkerung verankert – bis zum Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung."
Deshalb sah er sich wohl auch veranlasst, für mehr Differenzierung und Fairness zu werben: "Wenn man Differenzierung in der Islamberichterstattung anmahnt, klingt das furchtbar akademisch, ist aber in erster Linie ein Gebot der Fairness", so Bielefeldt.
Normalisierung der Islamberichterstattung?
Im Mittelpunkt der wohltuend, da kontrovers geführten Diskussionen um die "(An)Normalität" der Islamberichterstattung standen die Ergebnisse der Medien-Arbeitsgruppe der "Deutschen Islamkonferenz", wonach sich die aktuelle Berichterstattung zu sehr auf Gewaltthemen konzentriert, wenn es um den Islam geht.
Kai Hafez, Medienwissenschafter an der Universität Erfurt und Verfasser einer viel beachteten Studie zum Islambild von ARD und ZDF, bestätigte diesen Befund:
"Diese Beachtungsökonomie hat eine Schieflage erzeugt, so dass wir momentan mit einer weitgehenden Fixierung auf negative Berichtserstattung zu tun haben. Beispielweise tauchen kaum Berichte über die gute Arbeit von Islamisten auf kommunaler Ebene bzw. deren gewaltloser Widerstand auf." Trotz kleiner Fortschritte gelte dieser Befund leider auch für die öffentlich-rechtlichen Medien.
Elmar Theveßen, stellvertretender ZDF-Chefredakteur, gab zu, dass auch die öffentlich-rechtlichen Medien unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September Fehler gemacht hätten.
Gleichzeitig wies er jedoch darauf hin, dass man inzwischen viel dazu gelernt habe und über die Vielfalt der gelebten muslimischen Realitäten verstärkt berichte. Selbstkritisch merkte auch Reinhard Baumgarten vom Südwestrundfunk (SWR) an: "Wir müssen uns fragen, ob die öffentlich-rechtlichen Medien ihrem Bildungsauftrag gerecht werden."
Massenmedien in der Kritik
Im Kreuzfeuer der Kritik standen freilich andere populäre Medien: die wöchentlichen Nachrichtenmagazine. Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer warf ihnen eine plakative Verkürzungen und Fokussierung der Islamberichterstattung auf Themen mit negativer Konnotation vor.
Jedoch wies Gunther Latsch (DER SPIEGEL) die Kritik an seinem Blatt mit der Bemerkung zurück, man könne die Realität nicht beschönigen: "Journalisten berichten über das, was die Menschen bewegt; und wenn wir über den islamistischen Terrorismus berichten, dann müssen wir den Islam selbstverständlich mit einbeziehen."
Anlass zur Hoffnung auf Normalisierung der Islamberichterstattung gebe es laut Michael Lüders, Nahostberater und Publizist, wenn deutsche Muslime den Marsch durch die (Medien)-Institutionen antreten würden.
In einem zentralen Punkt waren sich Lüders und Schäuble einig: Dass es helfreich sei, wenn Medienhäuser mehr Mitarbeiter mit Migrationshintergrund einstellten, um die kulturelle Vielfalt der deutschen Gesellschaft wiederzuspiegeln. Entwicklungen wie das "Forum am Freitag" des ZDF nannten sie "wichtige Meilensteine in Richtung Normalität".
Loay Mudhoon
© Qantara.de 2008
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