Ruhe vor dem Sturm
Auf den Terrassen des Sporting Beach Club, direkt auf den Klippen am Meer, stehen die weißen Plastikliegestühle dicht an dicht. Marwan Abu Nussar, der Manager, grinst zufrieden: "Viele unserer alten Kunden, Libanesen die heute im Ausland leben, besuchen uns. Auch mehr Ausländer kommen wieder nach Beirut."
Von den täglichen, verbalen Drohungen, die die Israelis und die schiitische Hisbollah gegeneinander ausstoßen, will sich der 46-jährige nicht verdrießen lassen. Wenn man sich zu viele Sorgen mache, vernachlässige man die Geschäfte, sagt Abu Nussar. Die Libanesen seien schließlich als Steh-auf-Männchen bekannt. "Wir bauen wieder auf und blicken nach vorn."
Touristen aus aller Welt
Die Mehrzahl der Touristen sind Libanesen, die im Ausland arbeiten und nun ihre Familien besuchen. Die zweitgrößte Gruppe stellen die Golfaraber, die im Sommer Einzug halten, weil es in den Golfstaaten noch viel heißer ist. Es gibt aber auch Reisende aus den USA oder Westeuropa, die das Land erkunden und das schillernde Beiruter Nachtleben genießen wollen.
Die 35-jährige Dima blickt durch ihre Chanel-Sonnenbrille verträumt aufs Meer. Sie kommt während der Ferien fast täglich in den Sporting Club. Normalerweise lebt die Libanesin in Paris. "Ich weiß nicht, ob ich die Lage als stabil bezeichnen würde, aber ich fühle mich sicher", sagt sie. Die Libanesen seien an Kriege gewohnt, man könne deshalb nicht aufhören, sein Leben zu leben.
Zerbrechliche Stabilität
Das Leben genießen, so lautet die Devise für Libanesen, wie auch für Touristen. Schließlich kann niemand sagen, wie lange es noch so ruhig bleibt. Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak erklärte erst kürzlich, Jerusalem werde militärische Maßnahmen erwägen, falls die Hisbollah weiter aufrüste und moderne Luftabwehrraketen erhalte. Barak sagte zudem, die israelische Armee werde im nächsten Konflikt größere Freiheit haben, die gesamte libanesische Infrastruktur anzugreifen.
Und ein israelischer Militärkommandeur warnte Berichten zufolge, die Nordfront könne jederzeit explodieren. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah drohte hingegen, wenn Israel die überwiegend schiitischen, südlichen Vororte Beiruts erneut bombardiere, dann werde die Schiitenmiliz Tel Aviv angreifen.
Ein anderer hochrangiger Hisbollah-Vertreter warnte, falls Israel Dummheiten mache, werde die israelische Regierung schnell herausfinden, "dass die Monate Juli und August 2006 nur ein bisschen Spaß waren." Es handele sich hierbei um einen fortgesetzten Krieg, meint Paul Salem von der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden.
"Er wird im Augenblick nur gemanagt, die UN-Resolution 1701 und die UNIFIL-Friedenstruppen im Südlibanon dienen als Puffer." Es sei ihnen gelungen, die Lage relativ ruhig zu halten. Man dürfe dabei aber nicht vergessen, dass beide Seiten diese Ruhe wollten, sagt Salem.
Sowohl die militärischen Aktionen Israels als auch die der Hisbollah verstoßen gegen die UN-Resolution 1701. Die Schiitenmiliz gibt zu, dass sie massiv aufgerüstet hat, auch wenn sich ihre militärischen Stellungen jetzt nördlich des UNIFIL-Gebietes befinden. Diskussionen über eine Entwaffnung der Hisbollah sind im Libanon erstmal vom Tisch. Israelische Truppen halten unterdessen den nördlichen, libanesischen Teil des Grenzdorfes Ghajar weiterhin besetzt.
Die israelische Luftwaffe überfliegt fast täglich den Libanon, auch dies ist ein Bruch der Resolution 1701. Sollten all diese Probleme nicht bald in einem umfassenden Friedensprozess gelöst werden, dann könne man einen neuen Krieg nicht ausschließen, warnt Paul Salem. "Ich glaube, Hisbollah ist derzeit nicht an Attacken gegen Israel interessiert. Die Schiitenmiliz setzt auf Abschreckung und Vergeltung."
Israel könne hingegen durchaus in den nächsten ein bis zwei Jahren Interesse an einem neuen Krieg mit der Hisbollah haben, sagt Salem. "Nur diesmal würden sie versuchen, ihn zu gewinnen."
Leben mit der Angst
Trotz der angespannten politischen Lage im Libanon, lassen sich die Touristen nicht die Urlaubsstimmung verderben. Dunkelrot versinkt die Sonne im Meer. Im Sporting Club warten jeden Abend ein paar braungebrannte Schönheiten auf diesen magischen Moment.
Den 42-jährigen Elias, der normalerweise in Paris und Nordamerika lebt, stimmt dieser Moment philosophisch. Der Libanon erlebe eine sehr zerbrechliche Stabilität, der Status Quo stehe auf tönernen Füßen, sagt er. "Aber solange uns keine Bomben auf den Kopf fallen und niemand auf uns schießt, versuchen wir eben, einen weiteren Tag zu überleben."
Birgit Kaspar
© Deutsche Welle 2009
Birgit Kaspar war 2003 Studioleiterin des ARD-Nahoststudios (Hörfunk) in Amman. Heute arbeitet sie als Korrespondentin aus Beirut für das Journalistennetzwerk Weltreporternet.
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