Gegen Missbrauch der Religion durch die Politik

Qantara-Logo

Mohammed Ali Abtahi, ehemaliger iranischer Vizepremier unter Mohammed Khatami und Gründer des Instituts für interreligiösen Dialog, muss sich gegenwärtig in Teheran vor einem Revolutionsgericht verantworten.

Von Corinna Mühlstedt

​​Mit seiner immer wieder vorgetragenen Forderung Politik und Religion stärker zu trennen, gewann Mohammed Ali Abtahi nicht nur im Westen, sondern auch innerhalb des Irans zahllose Anhänger.

Vor wenigen Jahren erst hat sich der langjährige Stellvertreter des ehemaligen Staatspräsidenten und Reformers Mohammad Khatami aus der aktiven Politik zurückgezogen. Seitdem setzte er seine ganze Energie für den Aufbau des Instituts für Interreligiösen Dialog in Teheran ein, an dessen Seminaren Christen, Juden und Vertreter vieler anderer Religionen gleichermaßen und gleichberechtigt teilnahmen.

Die Veranstaltungen, in denen die Rolle der Frau in der Religion ebenso ein Thema war wie das Verhältnis zwischen Religion und Moderne, sind anschließend sogar auf der Website des Instituts und in einem Newsletter nachzulesen.

Mutiger Einsatz für Toleranz und religiöse Offenheit

Die Beweggründe seines nicht ungefährlichen Einsatzes für Toleranz und religiöse Offenheit erklärt Mohammed Abtahi so: "Es ist eine Verpflichtung für die intellektuelle Elite im Iran, die religiöse Toleranz heute mehr denn je zu vertreten und zu vermitteln, vor allem gegenüber den jungen Leuten im Land. Ihnen müssen wir zeigen, dass es Gott in jeder Religion gibt, dass Sehnsucht nach Gerechtigkeit in jeder Religion ein zentrales Thema ist und dass alle Religionen Wege zu Gott suchen."

​​Diesem Auftrag fühlt sich Mohammed Ali Abtahi und sein Institut verpflichtet. Abtahi unterhält Kontakte zu Universitäten und religiösen Dialogeinrichtungen rund um den Globus. Im Vatikan ist sein Institut ebenso bekannt wie bei Buddhisten in Japan, Anglikanern in England oder Vertretern der evangelischen Kirche in Deutschland, und wurde zu Vorträgen an Universitäten in Rom und München eingeladen.

"Die Kontakte zu religiösen Institutionen außerhalb des Irans sind für uns sehr wichtig, denn in unserem Land leben nur wenige geschulte Theologen anderer Glaubensrichtungen", so Abtahi. "Christen, Juden und Buddhisten sind bei uns nur kleine, unbedeutende Gruppen. Wir wünschen uns deshalb noch mehr Austausch mit westlichen Religionsvertretern. Dann könnten wir uns auch gegenseitig helfen einander besser zu verstehen."

Berater des Reformkandidaten Karrubi

Während der jüngsten Präsidentschaftswahlen beriet Mohammed Ali Abtahi den Reformkandidaten Mehdi Karrubi. Als erstes iranisches Kabinettsmitglied eröffnete er einen eigenen Blog im Internet. Er stieß damit auf viel Resonanz bei der Jugend im Iran und rund um den Globus. Seine Haltung bewies, dass es möglich ist, den schiitischen Islam für die moderne Welt zu öffnen.

Das Dialoginstitut wird von der UNO als Nicht-Regierungsorganisation anerkannt, so Abtahi. Dies sei im Iran schon etwas Besonderes und verleihe der Einrichtung eine gewisse Unabhängigkeit.

Mohammed Ali Abtahi verteidigt sich vor einem Gericht in Teheran; Foto: dpa
Schauprozess gegen den "bloggenden Mullah": Seit Anfang August muss sich Irans Ex-Vizepremier vor einem Gericht in Teheran verantworten; Foto: dpa

​​"Wir versuchen wirklich international zu arbeiten und dabei möglichst viele religiöse Schriften aus anderen Religionen ins Persische zu übersetzen", so Abtahi und fügt hinzu: "In unserem Institut gibt es zudem eine Bibliothek mit Büchern zum Thema Dialog in Arabisch, Persisch und vielen westlichen Sprachen. Etliche Studenten kommen sogar von der Universität in Teheran zu uns, weil es keine andere Bibliothek im Iran gibt, die so umfangreich über den interreligiösen Dialog informiert."

Seine liberale Haltung hat den 51jährigen Geistlichen aber nun zur Zielscheibe der ultrakonservativen Islamisten der iranischen Regierung werden lassen. Als er nach den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni das angeblich überragende Ergebnis Mahmud Ahmadinedschads in der BBC offen als "Wahlbetrug" kritisierte, wurde Mohammed Ali Abtahi verhaftet.

Nach sechs Wochen Isolationshaft im Teheraner Evin-Gefängnis, das für die Folter politischer Gegner bekannt ist, muss sich der dreifache Familienvater nun wegen staatsfeindlicher Aktivitäten vor einem iranischen Revolutionsgericht verantworten und im Extremfall mit einem Todesurteil rechnen.

Corinna Mühlstedt

© Deutsche Welle 2009