Respekt als Bedingung für Verständigung
In seiner Rede im "Haus der Berliner Akademie der Künste" würdigte Prof. Dr. Klaus Briegleb die besonderen Verdienste Tim Guldimanns, der unter anderem als Diplomat, Wissenschaftler und Publizist tätig war. Guldiman hatte sich insbesondere als Leiter der OSZE-Unterstützungsgruppe im Tschetschenien-Konflikt und als Schweizer Botschafter in Teheran im Streit um das iranische Nuklearprogramm einen Namen gemacht.
Fairness und offener Dialog
In seiner Dankesrede nannte der Preisträger drei Bedingungen, die für eine gegenseitige Verständigung erfüllt werden müssen: Zum einen sollten die Parteien in ihren Gesprächen beiden Seiten die gleichen Chancen eröffnen, sich an der Diskussion zu beteiligen. Zum anderen sollten sie einander mit Respekt begegnen. Und außerdem müssten Zwang, Gewalt oder Drohung grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Übertragen auf den Nahost-Konflikt, den Streit um das iranische Nuklearprogramm und den Kampf gegen den Terrorismus betonte Guldimann, in Anlehnung an die Worte der früheren israelischen Premierministerin Golda Meir, dass man Frieden nur mit Feinden schließen könne.
Auf den gegenwärtigen Nahost-Konflikt bezogen seien dies die Hamas und die Hisbollah sowie die sie unterstützenden Staaten Syrien und Iran. Verhandle man mit diesen, so spreche man mit Parteien, die für Terroranschläge verantwortlich seien und das Existenzrecht Israels negierten. Aber auch die grundsätzliche Ablehnung dieser für uns unakzeptablen Positionen rechtfertige nicht die Gesprächsverweigerung, so Guldimann.
Ein Gespräch mit einem Vertreter der Hamas in Teheran habe ihn hoffnungsvoll stimmen lassen. Zwar habe sich dieser skeptisch bezüglich einer Anerkennung Israels durch seine Organisation geäußert. Aber falls Israel eines Tages bedauern würde, was dem palästinensischen Volk angetan worden sei, dann "wären wir durch unsere Kultur gezwungen, uns mit ihnen an den Tisch zu setzen", so der Hamas-Vertreter.
Zwar stelle die Hamas damit eine Vorbedingung auf, so Guldimann, aber es zeige sich doch gleichzeitig, dass eine Verständigung nicht ausgeschlossen sei.
Der Konflikt mit dem Iran
Der Sturz des iranischen Premierministers Mossadegh durch die CIA im Jahre 1953 einerseits sowie die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran durch regimetreue Studenten im November 1979 andererseits hätte die iranisch-amerikanischen Beziehungen nachhaltig gestört.
Erst unter US-Präsident Clinton und dem reformorientierten iranischen Präsidenten Chatami seien sich beide Staaten durch eine Politik des Dialogs "im gegenseitigen Respekt" vorsichtig näher gekommen. Jedoch lasse sich nunmehr erneut eine Verhärtung der politischen Fronten feststellen. Damit werde der Respekt, den Deutschland, England und Frankreich der iranischen Seite während ihrer Verhandlungen entgegengebracht habe, entkräftet.
Guldimann konzedierte, dass man annehmen müsse, die derzeitige iranische Regierung werde ohne äußeren Druck in der Frage des Nuklearprogramms kaum nachgeben. Doch die Frage bleibe, wie sich dieser Druck so einsetzen lasse, dass damit der Respekt - als Grundlage für eine künftige Regelung - nicht zerstört werde.
Konflikte würden zusätzlich durch Ausgrenzung, Dialogverweigerung und fehlenden Respekt geschürt. Umgekehrt könne bereits die Bekundung von Respekt für die andere Seite zur wichtigsten Voraussetzung für substanzielle Konzessionen im Rahmen einer Verständigung werden, sagte Guldimann.
Warnung vor übersteigertem Sicherheitsdenken
Dezidiert wandte sich der frühere Diplomat gegen die These, dass die Ursache für das Spannungsverhältnis zwischen dem Westen und der islamischen Welt im Widerspruch zwischen "unseren" Prinzipien der Aufklärung und den Grundsätzen des Islam liege – eine These, die er für nicht historisch belegbar, falsch und gefährlich halte.
Abschließend warnte Guldimann vor einem übersteigerten Sicherheitsdenken, das der Rechtsgüterabwägung kaum mehr Raum lasse. Damit untergrüben wir unsere Werte, anstatt sie zu verteidigen.
Wenn wir in dem Konflikt mit dem Terrorismus über die Zweckmäßigkeit der Folter diskutierten, das Kopftuch einer Beamtin als "Kampfsignal gesellschaftspolitischer Aggression" verböten und die Menschenrechte missachteten, wie das in Guantánamo geschehe, liefen wir Gefahr, "uns vom eigenen Anspruch der universellen Gültigkeit unserer Werte zu verabschieden."
Kurt Scharf
© Qantara.de 2006
Kurt Scharf erhielt 1998 den Moses-Mendelssohn-Preis. Tätig war er u.a. an den Goethe-Instituten in Teheran, Porto-Alegre und Istanbul. Scharf hat zahlreiche literarische Arbeiten vom Persischen ins Deutsche übersetzt.
Qantara.de
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