Hans Blix erhält Hessischen Friedenspreis 2004
Die Wahl für den ehemaligen Chef der UN-Waffeninspektoren im Irak konnte nicht eindeutiger ausfallen: Einstimmig fiel das Votum des Kuratoriums Hessischer Friedenspreis auf Hans Blix, dessen besonderes Engagement in der Irak-Krise hiermit geehrt wird. Heinrich Bergstresser mit einem Porträt.
Hans Blix wollte nur Fakten sprechen lassen, und ließ sich weder von den Irakern noch von den US-Amerikanern etwas vormachen. Der Wille der Regierung in Washington, im Irak eine neue Ordnung zu etablieren, ließ Blix schließlich zu einer Randfigur der Ereignisse in der Irak-Krise werden.
Im Dienste des UN-Sicherheitsrates
Er stellte sich gern an den Rand. Er schlich bei Empfängen in seinen immer grauen Anzügen regelrecht an der Wand entlang. Und er mied den großen Auftritt. Aber er stand doch zwischen Herbst 2002 und Februar 2003 Monate lang im Mittelpunkt des Weltgeschehens.
Hans Blix sah sich selbst dabei als Diener des Sicherheitsrates. Er wollte Fakten als Grundlage für eine fundierte Entscheidung liefern, nicht selbst über Krieg und Frieden entscheiden.
Er kritisierte die Iraker scharf, wenn sie täuschten und tricksten. Aber er widersprach auch genau so angeblichen Beweisen, egal ob sie vom US-Außenminister oder vom US-Präsidenten selbst vorgetragen wurden.
Dennoch klang die Bilanz am Ende seiner Amtszeit als UNMOVIC-Chef recht bitter: "Jetzt erkennen wir, dass die Gründe für den Krieg nicht so überzeugend waren. Es wäre schön, wenn militärische Operationen nicht aufgrund fehlerhafter Geheimdienstinformationen gestartet würden. Und dies war nicht das erste Mal!", so der 75jährige Blix.
Kriegslegitimation zweifelhaft
Aber zurück im Zorn mochte er nicht blicken. Vielmehr verarbeitete er seine Erlebnisse und Erfahrungen, zum Schrecken des Weißen Hauses, in einem Buch, das vor wenigen Monaten erschien. Der Titel: 'Disarming Iraq' mit dem viel sagenden Untertitel 'Wahrheit und Lügen'.
Trotz dieses Untertitels gehörte Hans Blix nicht zu der Sorte Mensch, die andere schnell der Lüge bezichtigen und die Wahrheit für sich reklamieren. Vielmehr ist Blix durch und durch Diplomat, bescheiden und selbstsicher, ein korrekter Beamter, der unbeirrbar seine Aufgaben erfüllt.
Gleichzeitig war er einer der besten Abrüstungsexperten der Welt mit jahrzehntelanger Erfahrung und gutem Gespür für die Sache. Ihm ging es um Beweise. Kein noch so dreister Anwurf konnte ihn wirklich aus der Fassung bringen, und vermutlich war er deshalb mehr als jeder andere geeignet für diesen schwierigen Job.
Seine eigene Rolle spielte der schwedische Top-Diplomat, den UN-Generalssekretär Kofi Annan im Jahr 2000 persönlich aus dem Ruhestand gerufen hatte, dabei herunter: "Wir sahen unsere Mission etwas bescheidener als viele andere. Viele sagten: 'Krieg oder Frieden', das haben Sie in der Hand!' Ich sagte: Nein. Verantwortlich ist der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sind die Regierungen, die Iraker, die Amerikaner und Briten - und nicht wir!"
Im Clinch mit der US-Regierung
Blix gelang es, Kritisches zu sagen, ohne zu beleidigen. Das Auftreten von US-Präsident George W. Bush bei einem Treffen sei "jungenhaft" gewesen, berichtete er, und dessen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hätte ein "total unlogisches" Statement über den Sicherheitsrat abgegeben.
Die Leitlinie von Blix war, dass die Inspektionen möglichst effektiv und möglichst korrekt sein sollten - und Blix wollte vor allem die dafür nötige Zeit.
Er war ein überzeugter Anhänger der Rüstungskontrolle:
"Rüstungskontrolle ist eine Politik der Diplomatie, der Geduld und der Bereitschaft", so Blix, "als letzte Möglichkeit, auch Gewalt auszuüben. Ich bin kein Pazifist. Militärischer Druck ist notwendig. Ohne die Militärpräsenz der Amerikaner hätten wir gar keine Kontrollen gehabt. Bush hat auch gesagt, Gewaltanwendung sei das letzte Mittel. Aber wir hatten nur dreieinhalb Monate Zeit für die Inspektionen. Auch mit 50.000 statt mit 300.000 Soldaten hätten wir den Druck aufrechterhalten können. Wenn sie [Amerikaner und Briten] mehr Geduld gehabt hätten, hätte sich das gelohnt", meint Blix.
Er warf George W. Bush und Tony Blair vor, die Tatsachen nicht genau genug geprüft zu haben. Sie hätten wirklich an die Existenz von Massenvernichtungswaffen geglaubt und sich auf die Geheimdienste verlassen. Er hätte mehr kritisches Nachdenken von Bush und Blair verlangt.
"Wenn es um Krieg geht, um Tote und Zerstörung, dann sollte man kritisch sein, besonders, wenn man mit Beweisen umgeht, die man selbst nicht sieht, die von den Geheimdiensten kommen. In einem solchen Fall erwarten wir doch von Bush und Blair, dass sie kritischer sein müssten. Und sie bezahlen ja auch heute den Preis dafür - Bush und Blair haben beide ein Glaubwürdigkeitsproblem, und das ist die Lektion daraus", kritisiert der ehemalige Chef der UN-Waffeninspektoren im Irak.
Heinrich Bergstresser
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