Das Spiel ist aus

Pakistans Präsident Musharraf gibt auf. Er weicht dem innenpolitischen Druck, denn seit zwei Wochen betreibt das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn. Dem erwarteten Ergebnis wollte Musharraf offensichtlich zuvorkommen. Thomas Bärthlein kommentiert.

Pakistans Präsident Pervez Musharraf; Foto: dpa
Langwierige autoritäre Herrschaft: Fast neun Jahre lang hat Musharraf Pakistan regiert, mehr als acht Jahre lang als Armeechef, acht weitere Monate geschwächt als Präsident in Zivil.

​​Pervez Musharraf hat - spät genug - eingesehen, dass das Spiel aus ist. Zum Schluss waren weder die Abgeordneten seiner eigenen Partei, noch die Armee, der er länger als ein Jahrzehnt vorstand, noch seine langjährigen Verbündeten Bush und Cheney in Washington mehr bereit, ihn zu stützen. Von der pakistanischen Bevölkerung ganz zu schweigen, die letzten Umfragen zufolge zu mehr als achtzig Prozent seinen Rücktritt forderte.

Musharraf hat fast zehn Jahre erfolgreich taktiert und sich gut verkauft im politischen Machtspiel. Sein Meisterstück war es, sich nach dem 11. September dem Westen als unentbehrlicher Verbündeter im "Krieg gegen den Terror" anzudienen.

Aufstieg und Fall

Aber auch in Pakistan, wo viele seinen Putsch bejubelt hatten, blieb er lange Zeit populär, nicht zuletzt bei Liberalen in den Mittel- und Oberschichten, die ihn als gemäßigten Reformer feierten - als jemanden, der vermeintlich die radikalen Islamisten in die Schranken wies. Und natürlich profitierte das einflussreiche Militär unter der langen Herrschaft des Generals, besonders auch finanziell.

Doch seit März 2007 ist sein politisches Spiel wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Immer deutlicher wurde, dass Pervez Musharraf vor allem ein politisches Programm hatte, und das hieß: Pervez Musharraf.

Der Präsident legte sich mit dem Obersten Richter Iftikhar Chaudhry an, der ihm zu unabhängig wurde und auf rechtsstaatliche Prinzipien pochte. Nicht nur die Richter und Anwälte, sondern auch die Medien, die Zivilgesellschaft, die politischen Parteien und Hunderttausende in der Bevölkerung solidarisierten sich mit Iftikhar Chaudhry.

Sie zwangen Musharraf zum Abtritt als Armeechef im Herbst und zur Abhaltung freier Wahlen im Februar.

Sieg für die Demokratie

Letzten Endes war es eine Bewegung für die Demokratie, und sie gibt dem Rücktritt Musharrafs seine historische Dimension. Die demokratischen Parteien in Pakistan haben einen dramatischen Machtkampf gewonnen.

Ein Pakistaner hört Musharrafs Rede an die Nation zu; Foto: AP
Medial überall präsent, politisch zunehmend isoliert - Pakistans Präsident Musharraf

​​Die pakistanische Verfassung ist widersprüchlich in der Hinsicht, dass sie einerseits dem Parlament die Möglichkeit gibt, den Präsidenten in einem Amtsenthebungsverfahren zu stürzen, umgekehrt aber auch dem Präsidenten erlaubt, das Parlament aufzulösen. Doch Musharraf hat auch das nichts mehr genützt, so isoliert war er.

Es war aber nicht nur ein Machtkampf der Demokraten mit Musharraf. Dass der Präsident so mächtig war, hatte viel mit der politischen Rolle der Armee zu tun. Und so dürfte Musharrafs Rücktritt auch die zivilen Institutionen in Pakistan gegenüber den Streitkräften nachhaltig stärken.

Was bleibt von Musharraf? Vermutlich wird die Bilanz seiner Amtszeit letzten Endes positiver ausfallen, als es jetzt aussieht. Musharraf hat, wenn auch manchmal widerwillig, eine einzigartige Liberalisierung vor allem im Bereich der elektronischen Medien ermöglicht.

Die Gesellschaft hat sich modernisiert, auch durch einen lang anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung. Die moderaten Kräfte in Pakistan sind heute deutlich stärker als vor seinem Putsch 1999. Musharraf war auch entscheidend beteiligt am Friedensprozess mit dem Nachbarland Indien, wo er deutlich populärer ist als im eigenen Land.

Autoritäre und widersprüchliche Politik

Auf der negativen Seite steht eine autoritäre und oft widersprüchliche Politik, besonders im so genannten "Krieg gegen den Terrorismus". Unter Musharraf ließen die Geheimdienste Hunderte von Pakistanern "verschwinden".

Demonstration von Musharraf-Gegnern in Peschawar; Foto: AP
Protest gegen autoritäre Politik: Demonstration von Musharraf-Gegnern am vergangenen Sonntag in Peschawar

​​Mal bombardierte die Luftwaffe vermeintliche Stützpunkte der Militanten, dann wieder ließ sich der Eindruck nicht vermeiden, dass die Geheimdienste immer wieder auch den Extremismus förderten, wenn es im innenpolitischen Machtspiel nützlich erschien.

Für die Auseinandersetzung mit extremistischen Ideologien und militanten Aufständischen wie den Taliban hat sich dieses Vorgehen als extrem kontraproduktiv erwiesen. Es hat die Islamisten in den Augen vieler zu Märtyrern gemacht und den meisten Pakistanern den Eindruck vermittelt, dass der Kampf gegen die Taliban nur auf Befehl aus Washington geführt wird.

Echte Demokratie ist der einzige Ausweg. Das Parlament und die unabhängige Justiz müssen wirksam gestärkt werden, um den starken in- und ausländischen Kräften, die gewohnt sind, in Pakistan hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen, entgegenzutreten. Musharrafs politische Erben stehen vor einer gewaltigen Verantwortung.

Thomas Bärthlein

© DEUTSCHE WELLE 2008

Thomas Bärthlein ist Leiter der Südostasienabteilung der Deutschen Welle.

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