Neuland Vereinigte Arabische Emirate
Erstmals reist ein katholisches Kirchenoberhaupt auf die arabische Halbinsel. Offiziell gilt der dreitägige Besuch von Papst Franziskus einem religiösen Anliegen. Doch beide Seiten - die Führung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und der katholische Bischof vor Ort - setzen auf eine weitergehende Botschaft für die ganze Region.
"Vielfach ist es ja so, dass in der Weltkirche der Eindruck besteht, in Arabien gebe es überhaupt keine Christen", sagt Paul Hinder der Deutschen Welle. Der 76-Jährige ist katholischer Bischof für das südliche Arabien. In einem der weltweit größten Seelsorge-Bezirke der katholischen Kirche kümmert sich der gebürtige Schweizer mit einigen Dutzend Priestern um rund eine Million Katholiken.
Manchmal feiert er acht, zehn oder mehr Gottesdienste an einem Wochenende. Und immer sind die Kirchen voll. "Eine lebendige Migranten-Kirche", sagt er. Entweder "Expats", offiziell entsandte Diplomaten oder Wirtschaftsvertreter, oder Arbeiter, "denen der Glaube wichtig ist". Sie kommen aus Indien und Pakistan, Sri Lanka, den Philippinen. Und Hinder betont ausdrücklich, bei der Freiheit der religiösen Praxis, gerade den Gottesdiensten, könne er sich nicht beklagen.
"Religiöser Pluralismus"
"Heute gibt es mehr als 70 Kirchen, Tempel und auch eine Synagoge in den Emiraten, sagt der VAE-Botschafter in Berlin, Ali Abdulla Al Ahmed. "Religiöser Pluralismus ist in unserem Land sehr verbreitet, mehr als in den fünfziger oder sechziger Jahren." Diese Vielfalt müsse einfach praktiziert werden.
Und - ausgesprochen ungewöhnlich - auch Papst Franziskus äußerte sich vor der Reise in einer Video-Ansprache zu dem Thema.
Er freue sich, ein Land besuchen zu können, "das ein Modell für das Zusammenleben, die Geschwisterlichkeit zwischen den Menschen und die Begegnung zwischen verschiedenen Zivilisationen und Kulturen sein will, in dem viele einen sicheren Arbeitsplatz finden, frei arbeiten und leben können und dabei die Vielfalt respektieren".
Warum der Aspekt dieser Geschwisterlichkeit dem Papst so wichtig ist, zeigt ein Blick auf die Region. Im Westen grenzen die Emirate an Saudi-Arabien, im Norden sind es zwei Stunden mit dem Schnellboot bis an die Küste des Iran. Auch nach Pakistan, Afghanistan, in den Jemen ist es nicht weit.
Es sind Staaten, in denen Christen um ihr Leben fürchten müssen und religiöser Pluralismus undenkbar ist.
Die Emirate haben gut neun Millionen Bewohner. Nur jeder Neunte ist auch VAE-Bürger. Das Land, eine patriarchale Erbmonarchie, wurde durch Öl reich. Zu seinem Boom gehört aber ein bewusster Akzent auf gesellschaftliche Entwicklung.
Aber für den Wohlstand brauchen die VAE Gastarbeiter. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten sorgen sie für diese Einwohner auch langfristig. Aber die VAE sind kein Musterland: Das zeigt unter anderem der Umgang mit Homosexualität, bei der die Todesstrafe droht.
Besuch in Rom
Offizielle diplomatische Beziehungen unterhalten die seit 1971 unabhängigen Emirate und der Vatikan seit 2007. Doch die beiderseitigen Kontakte sind weit älter. Der damalige Herrscher von Abu Dhabi, Scheich Shakhbut bin Sultan Al Nahyan, besuchte 1953 während einer offiziellen Besuchsreise durch europäische Länder auch den Vatikan. Selbst für Papst Johannes Paul II. (1978-2005), der 127 Länder besuchte, blieb die arabische Welt ein weißer Fleck. Manchmal dauert ein Gegenbesuch eben etwas länger.
Immerhin bekam Franziskus selbst schon einen werbenden Besuch. 2016 war Kronprinz Muhammad bin Zayid im Vatikan und präsentierte dem Papst eine Fotosammlung archäologischer Ausgrabungen. Es waren Bilder von Sir Bani Yas, einem christlichen Kloster auf einer der Küste vorgelagerten Insel, das vom sechsten bis achten Jahrhundert bestand. Archäologisch ein Kleinod. Und der Beweis, wie religiös-pluralistisch die Region früher war.
Eigentlicher Anlass der Reise ist ein "interreligiöses Treffen", bei dem auch der Papst sprechen wird. Und vor seinem Rückflug feiert er im größten Stadion von Abu Dhabi eine Messe, zu dem mehr als 120.000 Menschen erwartet werden. Falls der Papst, sagt Botschafter Al Ahmed, bei der Messe für die Opfer des Kriegs im Jemen bete (in dem die Emirate involviert sind), werde man das respektieren: "Er ist ein Mann des Friedens. Wir wissen das."
Notwendiges Zeichen für den Dialog
Doch gerade die interreligiöse Begegnung wird international Beachtung finden. Botschafter Al Ahmed ist überzeugt, dass der Besuch große Bedeutung über die Emirate hinaus habe: "Wir senden eine Botschaft des Friedens und des Zusammenlebens."
Franziskus selbst spricht von einer "neuen Seite in der Geschichte der Beziehungen zwischen den Religionen". Und er dankt dem Groß-Imam der Al-Azhar-Universität in Kairo, Ahmed Al-Tayeb, der ihn bei den Begegnungen begleitet. Die Al-Azhar gilt als höchste religiöse Autorität im sunnitischen Islam. Sie beide bekräftigten, dass der Glaube an Gott vereint und nicht spaltet, er bringt uns einander näher, er entfernt uns von Feindseligkeit und Abneigung".
Wie notwendig ein solches Zeichen des Dialogs ist, das verdeutlicht Bischof Hinder mit seiner langjährigen Erfahrung in der Region. "Ich denke, dass gerade im Blick auf Konfliktsituationen vermehrte Zusammenarbeit unter den Religionen absolut nötig ist, wenn wir nicht auf eine Katastrophe zugehen wollen", sagt er. Und warnt zugleich vor übertriebenen Erwartungen. Es brauche Geduld: "Geduld auf dem Weg des gegenseitigen Kennenlernens. Und Schritte einer gewissen Zusammenarbeit im Feld."
Der Bischof betont die Unterschiede zwischen den Ausprägungen des Islam in den Emiraten und Saudi-Arabien, in Oman, dem Iran oder Jemen. Man dürfe sich, "wenn man mit einem wichtigen Imam redet, nicht der Illusion hingeben, dass man dann die ganze muslimische Welt vor sich hat".
Christoph Strack
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