Eine Palästinenserin in der Knesset
Hanin Zoabi ist eine von elf arabischen Abgeordneten im 120 Sitze starken israelischen Parlament. Einem breiteren israelischen und internationalen Publikum wurde sie durch ihre Teilnahme an der internationalen Gaza-Flotille im letzten Jahr bekannt.
Sie war auf dem türkischen Schiff Mavi Marmara, das von der israelischen Marine aufgebracht wurde. Dabei wurden neun Aktivisten getötet. Zoabi ist seither in Israel geradezu verhasst. Man wirft ihr mangelnde Loyalität gegenüber dem Staat vor.
Im israelischen Parlament wurde sie deswegen heftig angegriffen, als Verräterin und Terroristin beschimpft. "Geh doch zu deinem Freund Gaddafi, du Terroristin", riefen die Abgeordneten der rechten jüdischen Parteien ihr kürzlich während einer Parlamentssitzung zu, als sie ans Rednerpult trat.
Ohne Diplomatenpass
Doch Zoabi wurde nicht nur geschmäht und beschimpft, die Knesset entzog ihr auch ihre Privilegien als Abgeordnete. Ihr Diplomatenpass wurde bereits eingezogen und nun, so fürchtet sie, stehen auch ihre parlamentarische Immunität und sogar ihre Staatsangehörigkeit auf dem Spiel.
"Auf persönlicher Ebene mache ich mir keinerlei Sorgen", aber auf politischer Ebene bin ich sehr beunruhigt, denn Israel versucht, unseren politischen Kampf zu kriminalisieren", sagt Zoabi.
Der politische Kampf der arabischen Abgeordneten im israelischen Parlament ist ein Kampf um Gleichberechtigung. Auch Zoabi, die an der Universität von Haifa Philosophie und Medienwissenschaften studiert hat, vertritt die Interessen der arabischen Bürger im Staat Israel.
Mit mehr als 1,2 Millionen machen sie fast 20 Prozent der Bevölkerung aus. Sie sind eine Minderheit im jüdischen Staat, aber sie sind keine Fremden, betont Zoabi. "Wir sind nicht nach Israel gekommen, Israel ist zu uns gekommen, nach Palästina."
Die Palästinenser seien sozusagen die Ureinwohner Israels. Die meisten von ihnen seien mit der Staatsgründung Israels geflohen oder vertrieben worden. Die, die da geblieben seien, würden von Israel wie Immigranten behandelt, wie eine Minderheit ohne Rechte.
Trotzdem seien sie bereit, ihre Heimat mit den Israelis zu teilen, in einem Staat, in dem alle Bürger die gleichen Rechte haben - unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.
Die Definition Israels als jüdischen Staat akzeptiert die 41jährige Knessetabgeordnete nicht. Denn was würde das für die nichtjüdische, vor allem für die arabische Bevölkerung bedeuten? Welche Rechte hätten sie dann noch?
Die arabische Stadt Nazareth
Zoabi stammt aus der arabischen Stadt Nazareth in Galiläa, einer geschichtsträchtigen kleinen Stadt in einer grandiosen Landschaft. Doch der Ort, der Christen in aller Welt als Heimatstadt Jesu gilt, leidet unter mangelnden Zuwendungen des israelischen Staates.
"Bei uns gibt es kein staatliches Krankenhaus, keine Behörden, kein Gewerbegebiet, nichts", klagt Zoabi. Alles wurde in die jüdische Neugründung Obernazareth oder in die Stadt Afula verlagert.
Damit ist Nazareth ein typisches Beispiel für die Benachteiligung der palästinensischen Bevölkerung im Staat Israel. Während sich die israelischen Ortschaften nach allen Richtungen ausdehnen, verlieren die Araber zunehmend ihr Land.
"Israel hat bis heute 82 Prozent unseres Landes konfisziert und darauf 600 Städte und Dörfer gebaut, kein einziges für die Palästinenser, alles für die Juden", bemängelt Zoabi.
Zurückhaltung in Deutschland
Mit ihrer Arbeit in der Knesset und in der Öffentlichkeit setzt sie sich für die Belange und Forderungen der Araber in Israel ein. Bei ihrem Besuch in Deutschland versucht sie, für dieses Anliegen Gehör zu finden. Doch das ist nicht leicht, so ihre Erfahrung.
"Wegen der Schande und des Verbrechens des Holocaust sind Politiker und Öffentlichkeit in Deutschland zurückhaltend. Sie wollen die Wahrheit nicht wissen."
Das sei vielleicht der größte Erfolg der israelischen Politik, fügt sie hinzu. Der Regierung in Jerusalem sei es nicht gelungen, die palästinensische Bevölkerung im eigenen Land zu kontrollieren. Aber es sei ihr gelungen, die öffentliche Meinung in Europa zu bestimmen.
Bettina Marx
© Deutsche Welle 2011
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de