Raida Chbib, 21. November 2004
zu Entgrenztes Entsetzen, von Eberhard Seidel
Sehr geehrter Herr Seidel,
Sie bringen die Eindrücke der betroffenen Muslime in Bezug auf den Umgang der Medien mit dem Thema Integration von Muslimen in ihrem Artikel auf den Punkt. Mich hat der Umgang von "seriösen Medien" mit diesem brisanten Thema, darunter meiner favorisierten Wochenzeitung "Die Zeit", die sich ja vordergründig an die Intellektuellen unserer Gesellschaft richtet, sehr verstört und enttäuscht.
Anstatt in dieser schwierigen Situation zu Besonnenheit und Differenziertheit aufzurufen, beteiligt man sich an eine Stimmungsmache, deren negative Konsequenzen für das friedliche gesellschaftliche Zusammenleben immer stärker zu spüren sind.
Ein großes Unbehagen macht sich breit. Wohin soll das führen? Die Millionen Muslime, die mittlerweile hier leben und deren deutsche Kinder werden nicht weniger und sie können auch nicht mit der strengsten Sicherheitspolitik entfernt werden; auch nicht die frommen oder "fundamentalistischen" unter ihnen.
Durch die Debatte wird das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Abstammungen und Weltanschauungen innerhalb Deutschlands schwieriger. Radikale und extremistische Elemente aller Seiten werden in ihrer Anziehungskraft und in ihrem (Un-)Tatendrang gestärkt. Feindseligkeiten und Misstrauen nehmen innerhalb der "normalen" Bevölkerung stetig zu.
Unsere Politiker und Medien tragen eine riesige Verantwortung. Es ist schade, dass sie das eigentlich große Ziel ihrer Arbeit in einer solch prekären Situation aus den Augen verlieren und teils blindwütig ihre eigenen Stimmungen und Einstellungen in den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess hineintragen und damit sehr viel Porzellan zerbrechen.
Raida Chbib