Robuste Belebung des Friedensprozesses
Die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Norwegen, Irland und Spanien markiert einen wichtigen diplomatischen Wandel im europäischen Umgang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Dieser Schritt zwingt die Europäische Union (EU), sich auf dem komplexen Terrain nationaler Positionen zu orientieren und gleichzeitig eine kohärente Außenpolitik zu formulieren, die Frieden und Stabilität in der Region des Nahen Ostens und Nordafrikas unterstützt. Eine Herausforderung besteht darin, die unterschiedlichen nationalen Positionen innerhalb der EU in Einklang zu bringen und diese kollektive Anerkennung zu nutzen, um eine nachhaltige Nachkriegsordnung zu fördern, sobald der verheerende Krieg, der durch den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst wurde, beendet ist.
Aber ohne eine robuste Wiederbelebung des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses kann es keine sinnvolle Nachkriegsordnung geben. Die EU muss eine gemeinsame Strategie entwickeln, um in diesem Gesamtgefüge wirkungsvoll zu sein, einschließlich der Optimierung der Zusammenarbeit mit den arabischen Ländern und der Implementierung effektiver Dialogformate neben der Außen-, Kultur- und Wirtschaftspolitik. Die EU kann diese Ziele verfolgen, ohne notwendigerweise eine Einigung über die sofortige Anerkennung eines palästinensischen Staates zur Vorbedingung zu machen.
Natürlich sollte die EU ihre Bemühungen um eine rasche EU-weite Anerkennung nicht aufgeben; die Existenz eines souveränen palästinensischen Staates ist letztlich das, was die von der EU unterstützte Zwei-Staaten-Lösung in der Praxis bedeutet. Die EU muss alle Ziele gleichzeitig verfolgen.
„Der Kontext ist entscheidend“
Bisher hat die Europäische Union (EU) keine nennenswerte Vermittlerrolle im Nahen Osten übernommen. Wie kann sie wirksam zu einer dauerhaften Friedenslösung nach dem Gaza-Konflikt beitragen? Welchen Kurs sollte sie gegenüber autoritären Regimen in der Region einnehmen? Der Nahosthistoriker Lorenzo Kamel gibt Antworten.
Sympathie für palästinensische Selbstbestimmung
Die Anerkennung Palästinas durch einzelne europäische Staaten spiegelt ein breites Spektrum nationaler Interessen, historischer Beziehungen und innenpolitischer Erwägungen wider. So spielen beispielsweise Irlands langjährige Sympathie für die palästinensische Selbstbestimmung und Spaniens historische Verbindungen zur arabischen Welt eine wichtige Rolle bei ihren Entscheidungen. Die EU muss zunächst diese unterschiedlichen Motivationen anerkennen und versuchen, eine gemeinsame Basis zu finden, um eine einheitliche Position zu entwickeln.
Die EU sollte zudem die gemeinsamen Vorteile einer einheitlichen Haltung betonen, einschließlich eines größeren geopolitischen Einflusses und des Potenzials für eine effektivere Vermittlung in dem Konflikt. Um einen Konsens innerhalb der EU zu erreichen, bedarf es diplomatischen Geschicks und eines inklusiven Dialogs. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, kann die Bemühungen anführen, die Mitgliedsstaaten zusammenzubringen und Diskussionen über die strategischen und moralischen Erfordernisse der Anerkennung eines palästinensischen Staates zu erleichtern.
EU-Institutionen wie der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) und das Europäische Parlament können eine zentrale Rolle bei der Formulierung und Förderung einer gemeinsamen Politik spielen. Diese Institutionen können den Mitgliedstaaten Plattformen bieten, um ihre Positionen zu artikulieren, politische Vorschläge zu diskutieren und sich schließlich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen. Eine Resolution des Europäischen Parlaments, in der ein gemeinsames Vorgehen befürwortet wird, kann dem Standpunkt der EU erhebliches politisches Gewicht verleihen.
„Eine Resolution des Europäischen Parlaments, in der ein gemeinsames Vorgehen befürwortet wird, kann dem Standpunkt der EU erhebliches politisches Gewicht verleihen“.
Die größte Herausforderung für die EU in dieser Hinsicht ist nicht die Existenz verschiedener EU-Institutionen und -Mechanismen, um die Umsetzung einer kohärenten Politik zu erleichtern, sondern der politische Wille der Mitgliedstaaten, politische Details zu formulieren und zu verabschieden. Borrell kündigte im November 2023 die wichtigsten Grundsätze der EU in der Israel-Palästina-Frage an, darunter die Hilfe für den Aufbau eines souveränen palästinensischen Staates und die Unterstützung der humanitären Initiativen für die palästinensischen Gebiete. Man kann mit Sicherheit sagen, dass sich alle Mitgliedstaaten über diese allgemeinen Prinzipien einig sind. Die Formulierung einer gemeinsamen Strategie für Frieden und Stabilität erfordert jedoch eine Vertiefung, die noch aussteht.
Die EU sollte weiterhin ihre diplomatischen Kanäle nutzen, um die Anerkennung eines palästinensischen Staates in einem Rahmen zu unterstützen, der Frieden und Stabilität fördert. Dazu gehört auch, dass sie ihr Engagement für eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grenzen von 1967 mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt bekräftigt und sich bemüht, alle EU-Mitgliedstaaten an Bord zu holen, um zu erörtern, wie die EU die Umsetzung dieses Engagements am besten unterstützen kann. Die EU hat ihre Bereitschaft erklärt, mit internationalen Partnern, einschließlich der Vereinten Nationen und der Vereinigten Staaten, zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass die endgültige Anerkennung eines palästinensischen Staates zu einem konstruktiven diplomatischen Engagement führt, anstatt die Spannungen zu verschärfen.
Dem stehen jedoch sowohl europäische als auch internationale Hindernisse entgegen: Es gibt immer noch keine interne Einigung darüber, wann die Anerkennung eines palästinensischen Staates erfolgen kann, während die USA nach wie vor gegen eine kurzfristige Anerkennung sind, was die Möglichkeiten einer Annäherung zwischen der EU und den USA einschränkt. Trotz dieser Hürden gibt es für die EU nach wie vor mehrere Möglichkeiten, im Kontext des Israel-Palästina-Konflikts ein wirksamer Akteur zu sein.
Optimierung der Kooperation mit arabischen Ländern
Die EU muss die Zusammenarbeit mit arabischen Ländern in vielerlei Hinsicht optimieren. Da die Gewährleistung von Sicherheit sowohl für Israelis als auch für Palästinenser von entscheidender Bedeutung ist, kann die EU Initiativen vorschlagen und unterstützen, die darauf abzielen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und Gewalt zu reduzieren, und an denen arabische Länder als Partner beteiligt sind. Dies könnte in Form von Ausbildungsprogrammen für palästinensische Sicherheitskräfte und gemeinsamen israelisch-palästinensischen Sicherheitsinitiativen geschehen (auch wenn es solche Versuche bereits in der Vergangenheit gab). Die EU hat 2022 eine strategische Partnerschaft mit den Golfstaaten angekündigt. Eine solche Partnerschaft kann ein Ausgangspunkt für eine Ausweitung der Gespräche über Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten und in Nordafrika insgesamt, einschließlich Israel und Palästina, sein.
„Die EU kann Initiativen unterstützen, die darauf abzielen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und Gewalt zu verringern, und an denen arabische Länder als Partner beteiligt sind. Dies könnte in Form von Ausbildungsprogrammen für palästinensische Sicherheitskräfte und gemeinsamen israelisch-palästinensischen Sicherheitsinitiativen geschehen.“
Die Schaffung regionaler Kooperationsrahmen kann den Dialog und die Zusammenarbeit erleichtern. Die EU kann mit der Arabischen Liga und dem Golf-Kooperationsrat zusammenarbeiten, um Foren zu schaffen, in denen regionale Akteure ihre Bemühungen zur Unterstützung eines palästinensischen Staates und zur Sicherung der regionalen Stabilität erörtern und koordinieren können. Diese Foren könnten sich auch mit umfassenderen regionalen Fragen wie der wirtschaftlichen Entwicklung, der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich und der Terrorismusbekämpfung befassen.
Die EU sollte auch ihre bilateralen Beziehungen zu arabischen Ländern wie Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien verbessern, die eine Schlüsselrolle im israelisch-palästinensischen Konflikt spielen. Diese Länder haben erheblichen Einfluss auf die palästinensische Politik und können wichtige Partner bei den Friedensbemühungen sein. Arabische Staaten wie Saudi-Arabien und Katar haben bereits ihre Bereitschaft bekundet, sich aktiv an Initiativen zur Friedenskonsolidierung zu beteiligen. Im Gegenzug kann die EU ihnen wirtschaftliche Anreize, Handelsabkommen und politische Unterstützung anbieten, um ihre bilateralen Partnerschaften mit ihnen zu stärken.
Wirtschaftliche und humanitäre Hilfe kann zur Stabilisierung der Region und zur Förderung des guten Willens beitragen. Da der Kultur- und Bildungssektor in Gaza nach dem Krieg vom 7. Oktober gänzlich zerstört wurde, hat die EU gewaltigen Spielraum, um eine konstruktive Rolle beim Wiederaufbau dieser Sektoren zu spielen, was auch dazu beitragen würde, das Ansehen der EU im Nahen Osten und Nordafrika zu stärken. Die EU sollte ihre Unterstützung für die palästinensische Infrastruktur, für Bildungs- und Gesundheitsprojekte sowie für die wirtschaftliche Erholung verstärken. Durch die Verbesserung der Lebensbedingungen und der wirtschaftlichen Möglichkeiten in den palästinensischen Gebieten kann die EU dazu beitragen, konfliktauslösende Faktoren abzubauen und die Entwicklung eines lebensfähigen palästinensischen Staates zu unterstützen.
Beispielsweise sollte die EU ihre Kultur- und Bildungsinitiativen ausbauen, um mehr Möglichkeiten für Studierende, Akademiker und Fachkräfte aus der EU und den arabischen Ländern zu schaffen, sich auszutauschen und Kooperations- und Vertrauensnetzwerke aufzubauen. Partnerschaften mit der UNESCO und europäischen Bildungsorganisationen können die Reichweite und Wirkung dieser Initiativen erhöhen.
„Die EU sollte ihre Kultur- und Bildungsinitiativen ausbauen, um mehr Möglichkeiten für Studierende, Akademiker und Fachkräfte aus der EU und den arabischen Ländern zu schaffen, sich auszutauschen und Kooperations- und Vertrauensnetzwerke aufzubauen.”
Das Engagement der EU in Bezug auf Israel und Palästina muss eine Vielzahl von Akteuren einbeziehen. Die EU kann multilaterale Konferenzen organisieren, an denen Vertreter Israels, Palästinas, arabischer Länder und anderer internationaler Akteure teilnehmen. Diese Konferenzen sollten so konzipiert sein, dass sie einen offenen Dialog fördern, Missstände ansprechen und Lösungen ausloten, einschließlich der Unterstützung der Zivilgesellschaft. Die Track-II-Diplomatie, an der nichtstaatliche Akteure, Wissenschaftler und führende Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft beteiligt sind, kann die offiziellen Verhandlungen ergänzen und innovative Ideen hervorbringen. Die EU sollte insbesondere ihre Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen verstärken, die sich für Versöhnung, Menschenrechte und Entwicklung in den palästinensischen Gebieten und in Israel einsetzen. Finanzierung, Programme zum Aufbau von Kapazitäten und Dialogplattformen können diese Organisationen in die Lage versetzen, eine wichtigere Rolle im Friedensprozess zu spielen, so dass die Friedensagenda nicht nur von oben nach unten festgelegt wird.
Hier muss die EU aus ihren laufenden ähnlichen Bemühungen im Zusammenhang mit dem Syrien-Konflikt lernen. Eine der Herausforderungen des israelisch-palästinensischen Konflikts besteht darin, dass er von den politischen Entscheidungsträgern der EU jahrelang auf die lange Bank geschoben wurde. Diese relative Vernachlässigung hat zu der komplizierten Realität beigetragen, mit der wir heute konfrontiert sind. Der Syrien-Konflikt ist nun in eine ähnliche Situation geschlittert: Unzählige Hilfskonferenzen und Track-II-Initiativen finden statt, ohne dass eine politische Lösung des Konflikts gefunden wurde. Die EU darf nicht in die Falle tappen, multilaterale Konferenzen und Initiativen der Track-II-Diplomatie als Ersatz für politisches Handeln zu sehen.
Positive Impulse für eine Nachkriegsordnung
Um eine friedens- und stabilitätsfördernde Nachkriegsordnung zu erreichen, bedarf es eines langfristigen Engagements der EU. Die sofortige Anerkennung eines palästinensischen Staates wäre zwar ein wichtiger Schritt zur Vertrauensbildung zwischen der EU und der arabischen Welt, aber die EU darf nicht zulassen, dass der fehlende Konsens unter den Mitgliedstaaten in dieser Frage zu einer Entschuldigung für die Passivität der EU gegenüber dem israelisch-palästinensischen Konflikt wird. Die Verpflichtung der EU, ein aktiver Akteur für den Frieden zu sein, sollte sich in nachhaltigen diplomatischen Bemühungen, anhaltender wirtschaftlicher und humanitärer Unterstützung und kontinuierlicher Zusammenarbeit mit regionalen und internationalen Partnern widerspiegeln. Die EU muss bereit sein, ihre Strategien an die sich verändernde Situation anzupassen und dabei einen flexiblen, aber entschlossenen Ansatz zu verfolgen. Die EU kann den israelisch-palästinensischen Konflikt vielleicht nicht selbst lösen, aber sie kann eine wichtige unterstützende Rolle bei der Friedenskonsolidierung spielen.
Die Strategie der EU muss die Ursachen des israelisch-palästinensischen Konflikts angehen, einschließlich Fragen der Souveränität, der Sicherheit, der wirtschaftlichen Ungleichheit und der Menschenrechte. Es geht nicht nur darum, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, sondern auch darum, systemische Veränderungen zu unterstützen, die Gerechtigkeit und Gleichheit fördern. Landkonflikte, der Zugang zu Ressourcen und das Rückkehrrecht von Flüchtlingen sind kritische Fragen, die umfassende Lösungen erfordern.
Die Stärkung lokaler Gemeinschaften und Institutionen ist für einen dauerhaften Frieden von entscheidender Bedeutung. Die EU sollte sich darauf konzentrieren, die Kapazitäten der palästinensischen Institutionen zu stärken, damit sie effektiv agieren, öffentliche Dienstleistungen erbringen und die Menschenrechte achten können. Ausbildungsprogramme, technische Hilfe und finanzielle Unterstützung können dazu beitragen, robuste Institutionen zu entwickeln, die für einen funktionierenden Staat unerlässlich sind.
Wirtschaftliche Integration kann die Interdependenz fördern und die Anreize für Konflikte verringern. Die EU kann Initiativen zur Förderung von Handel und Investitionen zwischen Israel und Palästina sowie mit den arabischen Nachbarstaaten und Europa unterstützen. Sonderwirtschaftszonen, Joint Ventures und Infrastrukturprojekte können wirtschaftliche Chancen eröffnen und eine Grundlage für ein friedliches Zusammenleben schaffen.
„Sonderwirtschaftszonen, Joint Ventures und Infrastrukturprojekte können wirtschaftliche Chancen eröffnen und eine Grundlage für ein friedliches Zusammenleben schaffen.“
Auch wenn die EU nicht in der Lage ist, die unterschiedlichen nationalen Positionen zur sofortigen Anerkennung eines palästinensischen Staates zu überbrücken, kann sie dennoch Positives bewirken, indem sie auf diese Versöhnung hinarbeitet. Etwa durch die Formulierung einer gemeinsamen Strategie für Frieden und Stabilität, die Optimierung der Zusammenarbeit mit den arabischen Ländern und die Implementierung effektiver Dialogformate sowie Kultur- und Wirtschaftspolitik. Die EU kann konstruktive Impulse für eine Nachkriegsordnung geben. Dazu gehören die Bekämpfung von Konfliktursachen, der Aufbau lokaler Kapazitäten und die Förderung der wirtschaftlichen Integration. Auf diese Weise kann die EU eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Frieden und Stabilität in der Region des Nahen Ostens und Nordafrikas spielen und ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, als einflussreicher globaler Akteur zu agieren.
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Lina Khatib ist Direktorin des SOAS (School of Oriental and African Studies) Middle East Institute und Professorin am Department of Politics and International Studies der SOAS University of London.