Fehler auf beiden Seiten
Der Vortrag des Papstes an der Universität Regensburg weist gleich in mehrfacher Hinsicht Fehler auf, die sich auf Inhalt, Kontext, Zeitpunkt und Ort gleichermaßen beziehen.
Andererseits lassen sich auch hinsichtlich der Reaktion der Muslime auf die Rede zahlreiche Fehler feststellen, was inhaltliche Kritik und Stil, das Niveau der Reaktion sowie die Nicht-Akzeptanz des Bedauerns des Papstes angeht.
Inhaltlich bestand die Fehlleistung des Papstes darin, dass er verneinte, dass sich der Islam der Vernunft unterwerfe. Außerdem war es falsch, den byzantinischen Herrscher Manuel II zu zitieren, der betont hatte, dass der Prophet des Islam nur das Böse und die Inhumanität gebracht und die Religion mit dem Schwert verbreitet hätte.
Der belesene und intellektuelle Papst weiß sicherlich, dass seine Vorgänger in der katholischen Kirche in den Jahrhunderten der europäisch-christlichen Rückständigkeit in der Philosophie von Al-Farabi, Avicenna, al-Razi und Averroes die erste Stufe der Aussöhnung zwischen Religion und Wissenschaft gefunden hatten. Averroes hat die Theorie der Vereinbarkeit von Vernunft ('aql) und Tradition (naql) bereits Jahrhunderte vor der europäischen Renaissance entwickelt.
Eine alte Behauptung der Orientalisten
Beim zweiten inhaltlichen Fehler handelt es sich um die Aussage, dass die Religion durch das Schwert verbreitet wurde. Es ist dies eine alte Behauptung der Orientalisten, die bereits zu Genüge diskutiert wurde.
Hätte der Papst hingegen über den kulturellen Austausch in den verschiedenen Epochen gesprochen, dann hätte er die Muslime ermutigt, von der heutigen westlichen Kultur zu profitieren, genauso wie der Westen von der islamischen Kultur in der Vergangenheit profitiert hat.
Was den Kontext betrifft, so sprach der Papst über die Vereinbarkeit von Christentum und Rationalität und negierte in diesem Zusammenhang eine vergleichbare Vereinbarkeit von Islam und Rationalität. Das würde bedeuten, dass Rationalität und Moderne Errungenschaften seien, die ausschließlich für europäischen Christen gelten. Nur sie könnten modern und Christen gleichzeitig sein.
Die Muslime hingegen müssten die Wahl treffen zwischen einer irrationalen Religion und einer rationalen Moderne. Beides miteinander zu vereinbaren, sei unmöglich.
Gefährliches Terrain
Diese Überlegung vertiefen nicht nur den Graben zwischen den Kulturen, sondern fördern auch die Glaubenskämpfe, denn sie bedeuten letzten Endes: Unser Glaube ist besser als euer Glaube, weil unser Glaube mit der Zivilisation einhergeht! Für euch besteht der einzige Ausweg darin, eurem Glauben abzuschwören!
Das ist ein gefährliches Terrain, das der islamisch-christliche Dialog und der Religionsdialog im Allgemeinen stets zu vermeiden suchte, sind die Teilnehmer doch bemüht, auf der Basis des gegenseitigen Respekts und ungeachtet der Meinung der einzelnen Religion über die andere zu argumentieren.
Besonders gravierend aber ist der Zeitpunkt, an dem der Papst die Vorlesung hielt, denn sie fällt in ein Klima nie da gewesener Spannung zwischen dem Islam und dem Westen. Hass gegenüber dem Anderen ist auf beiden Seiten weit verbreitet.
Die islamische Welt durchläuft derzeit eine äußerst sensible Phase. Die Mehrheit der muslimischen Bevölkerungen ist davon überzeugt, dass es eine westliche Aggression gegen islamische Länder und gegen die Interessen der Muslime gibt. Die Mehrheit der Muslime ist der Meinung, dass westliche Truppen oder mit ihr alliierte Kräfte in der Region Staaten überfallen, besetzen und Menschen ermorden, und nicht etwa umgekehrt.
Hinzu kommt, dass die päpstliche Vorlesung fast zeitgleich zum fünften Jahrestag der Attentate des 11.9. gehalten wurde. So erscheinen die Äußerungen in Regenburg, als würden sie dem Schlagwort vom religiösen Zusammenprall der Zivilisationen Nachdruck verleihen.
Mit der Wahl des Ortes hat der Papst einen weiteren Fehler begangen. Er hat die Vorlesung an einem öffentlichen Ort gehalten und nicht in den Hinterzimmern theologischer und akademischer Diskussionen, wo es möglich und notwendig ist, ohne Grenzen über die Religion zu disputieren.
Kein Verbot der Kritik an Religion
Über sensible religiöse Themen, die möglicherweise Millionen von Menschen in Rage versetzen, sollte jedoch nicht in einem offenen Forum diskutiert werden. Es sei denn, dass ein Angriff beabsichtigt ist.
Das bedeutet auf keinen Fall, das Denken über oder jede Kritik an religiösen Angelegenheiten zu verbieten. Dies sollte nicht nur erlaubt sein, sondern ausdrücklich gefordert. Denn nur so ist es möglich, dass Religionen und Ideologien sich erneuern und mit dem Leben aussöhnen.
Es ist sicherlich nicht übertrieben zu sagen, dass der Papst hinsichtlich des Islam Überzeugungen hegt, die sich nicht von seiner Äußerung und dem von ihm erwähnten Zitat unterscheiden. Aber er ist frei in seinem Glauben. Er ist jedoch nicht frei in seiner öffentlichen Rede, gerade in seiner Position als Papst aller Katholiken.
Deshalb muss er Kontext, Ort und Zeitpunkt bei seiner Rede berücksichtigen und die Konsequenzen seiner Äußerungen für das ohnehin labile christlich-islamische Verhältnis bedenken.
Aggressive Reaktion der Muslime
Wo liegen nun die Fehler der Muslime? Der inhaltliche Fehler der Muslime liegt darin, dass nur sehr wenige von ihnen den vollständigen Text des Papstes gelesen haben, wie man den Reaktionen und Kommentaren entnehmen kann.
Die überwiegende Mehrheit der Antworten reicht nicht an das philosophische Niveau der Diskussion des Papstes heran, sondern begnügt sich mit Beschimpfungen und der Beschuldigung, dass der Papst Groll gegen den Islam hege und Teil einer amerikanischen und zionistischen Verschwörung sei.
Die Vorlesung des Papstes ist jedoch bedeutsam und fordert die muslimischen Gelehrten und Philosophen heraus. Nun sind sie an der Reihe, eine adäquate Antwort zu formulieren.
Was den Stil betrifft, so besteht der Fehler der Muslime in den aggressiven verbalen und zum Teil gewalttätigen Reaktionen der in vielen islamischen Länder.
Die größte Verantwortung für die verbale Eskalation der muslimischen Antworten auf den Papst aber tragen islamische Gelehrte und Persönlichkeiten aus den islamistischen Bewegungen und die Medien.
Beschämend für Muslime und Islam
Auch die politischen Führungen einiger islamischer Länder trugen ihren Teil bei und überboten die Positionen der islamistischen Bewegungen sogar noch. Das ist beschämend für die Muslime und für den Islam.
Übergriffe gegen Kirchen in einigen islamischen Ländern, der Mord an einer Nonne in Somalia oder die Verbrennung christlicher Symbole bestätigen indirekt die implizierten Verdächtigungen gegen den Islam, die der Papst äußerte.
Die islamische Reaktion war nicht auf eine Art zivilisiert, dass der Papst in Bedrängnis geraten wäre. Die Reaktion gründete sich auch nicht auf der Basis der islamischen Toleranz, dem Prinzip, das die Muslime am stärksten verteidigten, weil der Papst es in seiner Rede ignoriert habe. Die Reaktion war intolerant, aggressiv und scharf.
Dies mündete darüber hinaus in übertriebenen Forderungen: Die erste Forderung war, dass der Papst sich für seine Worte entschuldigen müsse.
Entschuldigung verlangt
Der Vatikan äußerte daraufhin sein Bedauern in einem Erklärungsschreiben, in dem es hieß, der Papst habe nicht die Absicht gehabt habe, die Muslime zu beleidigen.
Dann äußerte auch der Papst zwei Mal sein Bedauern, weil das Zitat des byzantinischen Herrschers die Gefühle der Muslime verletzt habe. Er würde nicht persönlich hinter dem Zitat stehen, sondern den Islam respektieren, ihn für eine große Religion erachten und die Muslime schätzen.
Ungeachtet dessen, ob der Papst dies ehrlich meint oder nicht - und hier liegt ein weiterer Fehler der Muslime - wurde das Bedauern des Papstes nicht angenommen. Man verlangte eine deutliche Entschuldigung.
Von einem der radikalsten Führer in der Region wurde die Erklärung des Papstes allerdings akzeptiert, nämlich vom iranischen Präsidenten Ahmadinedschad. Andere Führer des politischen Islam, an der Spitze Jussuf al-Qaradawi und einige Verantwortliche der Muslimbruderschaft, bewerten hingegen das Bedauern des Papstes als unzureichend.
Die Akte schließen
Dieses Insistieren auf eine Entschuldigung ist kurzsichtig, denn es handelt sich um eine unmögliche Forderung.
Das Bedauern des Papstes muss genügen, denn die Forderung nach einer Entschuldigung kommt der Forderung gleich, dass der Papst seine Ideen und Überzeugungen ablegen solle. Er glaubt aber nicht, dass der Islam die wahre Religion sei. Warum sollte er sich dafür entschuldigen?
Wäre es denkbar, dass islamische Gelehrte sich dafür entschuldigen, dass sie nicht an das Christentum und das Judentum als wahre Religionen glauben? Dies sind Überzeugungen, für die man sich nicht entschuldigen kann.
Man forderte eine Entschuldigung, weil die Gefühle Anderer verletzt worden seien, durch Äußerungen, die an einem falschen Ort, zu einer falschen Zeit und in falschem Stil gemacht wurden. Dies hat der Papst getan.
Nun sollten die Muslime dies akzeptieren und die Akte schließen. Denn es gibt viele tausende Probleme, die viel dringender sind, denen sich Muslime und Christen annehmen sollten, gerade in dieser sensiblen Zeit. Denn diese werden darüber entscheiden, ob die Zukunft friedlich oder blutig sein wird.
Khaled Hroub
Aus dem Arabischen von Mona Naggar
© Qantara.de 2006
Qantara.de
Interview Maha Azzam
"Der Papst muss sich entschuldigen"
Papst Benedikt XVI. habe die Reaktion der Muslime auf seine Rede vorhersehen müssen. Nun sei es dringend geboten, sich unmissverständlich zu entschuldigen, denn der Islam sei eine Religion, in der der Vernunft ein hoher Wert beigemessen wird, meint die in London lebende Islamismus-Expertin Maha Azzam.
Rede von Papst Benedikt XVI.
Wissenschaftskritik aus theologischer Perspektive
Bei genauer Lektüre der Regensburger Papst-Rede zeigt sich, was Katholiken und Muslime gemeinsam teilen: nämlich die Vorstellung, dass die moderne Wissenschaft dem Glauben mehr Platz einräumen müsste, schreibt Ehsan Masood.
www
Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI.