Aussichtsloser Abwehrkrieg

Auch vier Jahre nach den Anschlägen vom 11. September ist der radikale Islamismus nicht auf dem Rückzug, und es scheint äußerst fraglich, ob der "Krieg gegen den Terror" das probate Mittel zur Lösung des Problems darstellt. Peter Philipp kommentiert

Brennende Türme des World Trade Centers in Manhattan, Foto: AP
Vier Jahre nach den Angriffen auf das World Trade Center ist die Welt keine bessere geworden, sondern eher noch gefährlicher, konfuser und widersprüchlicher, schreibt Peter Philipp

​​Ein recht abgedroschener Satz bereits, dass nach dem 11. September nichts mehr so sein würde wie zuvor. Natürlich hat er einen wahren Kern, denn dieser Tag vor vier Jahren hat tatsächlich unendlich viel verändert.

Weit über den grausamen Massenmord von Manhattan hinaus, den die Welt an den Fernsehschirmen mitverfolgen konnte: Der 11. September hat – alles Pathos von George W. Bush beiseite – die Vereinigten Staaten mit Realitäten konfrontiert, die es anderswo auf der Welt bis dahin zwar schon gegeben hatte, die aber die USA weitgehend verschont gelassen hatten.

Terrorismus ist nicht am 11. September erfunden worden. Kaltblütiger Mord an Unschuldigen war zuvor in anderen Teilen der Welt längst zum Instrument für die Durchsetzung verquerer und fanatischer politischer Ideen geworden. Aber nie zuvor war ein Staat auf die Idee gekommen, den "Kampf gegen den Terrorismus" zur offiziellen politischen Priorität zu erklären und zu einer Art Weltkrieg auszuweiten.

So, als könne man Terroristen mit konventionellen Mitteln bekämpfen. Panzer, Bomber und Raketen sind nicht die probaten Mittel gegen fanatische Untergrundkämpfer.

Selbst wenn es mit diesen Waffen gelungen ist, die Terroristen der "Al Qaida" daran zu hindern, sich noch deutlicher in aller Öffentlichkeit als Institution zu etablieren. Sie wurden wieder in den Untergrund getrieben, befinden sich zum Teil auf der Flucht, sind aber nicht geschlagen.

Stattdessen haben die USA sich auf einen Kampf eingelassen, bei dem sie eigentlich nur verlieren können. Verlieren, weil sie dabei auch Unschuldige treffen.

Verlieren, weil sie dabei ungewollt auch das Klischee von der rücksichtslosen Supermacht bedienen und den Demagogen auf der Gegenseite in die Hand spielen. Denen es immer wieder erstaunlich leicht fällt, offene Ohren zu finden für das von ihnen verbreitete Szenario vom "Kampf der Kulturen".

Es wäre aber falsch, nun alles allein den USA anzulasten. In Europa gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Spanier und Briten haben diese Erkenntnis bereits teuer bezahlen müssen und auch die anderen Staaten könnten Ähnliches erleben.

Selbst wenn sie sich offiziell nicht jedem US-Abenteuer angeschlossen haben. Denn auch die Europäer haben es sich doch zum Ziel gesetzt, die Demokratisierung bisher totalitärer Weltgegenden zu unterstützen und sie gehen dabei das Risiko ein, mit denen aneinander zu geraten, die Demokratie dort für westliches Teufelswerk halten.

Erste Ansätze zu mehr Demokratie – wie in Palästina, dem Irak, Libanon und nun in Ägypten sind zwar ermutigend, aber noch zu klein und zu lückenhaft, als dass man damit Staat machen könnte. Auch, weil sie oft nur dem Erhalt der etablierten Kräfte dienen.

Vier Jahre nach den Angriffen auf das "World Trade Center" ist die Welt eine andere geworden. Aber kein Grund zur Zufriedenheit: Sie ist keine bessere Welt geworden, sondern eher noch gefährlicher, konfuser und widersprüchlicher.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

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