"Die Seele des Islam scheint wund gescheuert"

Papst Benedikt XVI. hat in Regensburg über das Verhältnis von Vernunft und Glaube gesprochen und dabei ein Streitgespräch zwischen einem Christen und einem Muslim zitiert. Über die Worte zeigten sich viele Muslime verärgert. Clemens Finzer mit einem Erklärungsversuch

Papst Benedikt XVI. hat in der Universität Regensburg über das Verhältnis von Vernunft und Glaube gesprochen und dabei ein Streitgespräch zwischen einem Christen und einem Muslim aus dem 14. Jahrhundert zitiert. Über die Worte zeigten sich viele Muslime verärgert. Clemens Finzer mit einem Erklärungsversuch

Papst Benedikt XVI in der Kathedrale von Freising; Foto: AP
Papst Benedikt XVI wählte diese Passage, weil sie ihn im Zusammenhang des Themas "Glaube und Vernunft" faszinierte

​​Wohl kaum einer der 1500 Zuhörer im Audimax der Regensburger Universität hätte gedacht, dass die Vorlesung des Papstes in der islamischen Welt solche Reaktionen auslösen würde. Der Papst, so die einhellige Meinung, habe ganz in der Tradition der Wissenschaften lediglich einen Text zitiert, um seinen Ausführungen Nachdruck zu verleihen.

Es handelt sich dabei um einen spätmittelalterlichen, mehr als 600 Jahre alten Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. und einem gebildeten Perser.

Der Papst zitierte daraus den Kaiser, der sagte: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden, wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten".

Ausführlich hatte der Papst zuvor erklärt, dass er diese Passage gewählt habe, weil sie ihn im Zusammenhang des Themas "Glaube und Vernunft" fasziniert habe und als Ausgangspunkt seiner Überlegungen dieser Vorlesung dienen soll.

Wörtlich fügte er hinzu, dass die Ausführungen des Kaisers für uns heute "überraschend schroff" klingen. Benedikt XVI. ließ deshalb auch Manuel II. dessen Aussagen selbst erklären:

"Ich zitiere weiter: 'Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung.'"

"Typisch für Ratzinger"

Wolfgang Beinert hat die Vorlesung des Papstes im Audimax gehört. Er bewertet sie als ausgezeichnet, aber auch als "typisch für Ratzinger". Den Reaktionen aus der islamischen Welt steht der ehemalige Assistent Ratzingers und Dogmatikprofessor im Ruhestand etwas fassungslos gegenüber:

"Man hat den Eindruck, dass die Seele des Islam wund gescheuert ist, zumindest die mancher Leute, wenn man das gutwillig interpretiert und nicht eine böswillig Propaganda unterstellt, aber das möchte ich nicht tun."

Der Papst habe lediglich ein Zitat verwendet, um ein Problem aufzuzeigen, mit dem jede Religion zu kämpfen habe: Es gebe neben dem Wesen der Religion auch immer ein Unwesen, dass man in Fanatismus gerät, nämlich dann, wenn es eine Vernunft gebe ohne Gott, oder einen Gott ohne Vernunft. Beide gehören zusammen, meint Wolfgang Beinert.

Er interpretiert die Rede des Papstes dahingehende, "dass Fanatismus und Emotionalität in übertriebenem Maße nicht die Weise ist, wie man die Probleme löst. Vor allem nicht die Probleme des interreligiösen Dialogs, und man muss auch dazu sagen, des innerchristlichen und innerkirchlichen Dialogs."

Verzerrte Wahrnehmung

Das sieht auch Harry Harun Behr so. Der Professor für islamische Religionslehre an der Uni Erlangen und Nürnberg kann die Aufregung zwar verstehen, aber nicht gutheißen.

In den vergangenen Jahren sei allzu viel geschehen, bei dem Christen und Muslime sich in der Wahrnehmung des anderen verzerrt dargestellt gesehen haben. Dem Papst, betont auch Behr, sei es aber tatsächlich um das Verhältnis von Glaube und Vernunft gegangen und um nichts anderes:

"Das Thema seiner Vorlesung war mitnichten das Verhältnis von Islam und Christentum. Wäre die Vorlesung in der Hinsicht signifikant für die katholische Sichtweise auf den Islam gewesen, dann wäre das ein Rückfall hinter das zweite Vatikanische Konzil - so ist es aber nicht zu verstehen."

Anders als es beim Auftritt des Papstes an der Regensburger Uni gewesen sei, wünscht der Professor für islamische Religionslehre sich jetzt eine ernsthafte Diskussion, einen Dialog unter den Gelehrten darüber, was der Papst tatsächlich gesagt hat und was es mit dem Verhältnis von Christen und Muslimen auf sich habe.

Jeder, so rät Behr, solle sich noch einmal den Text dieser Vorlesung runter laden und ihn noch einmal in Ruhe ganz durchzulesen:

"Der nächste Schritt wäre dann - das entspräche auch der islamischen Ethik, dass man auch vom anderen etwas über sich selbst lernen kann - darüber nachzudenken und in sich zu gehen, ob vielleicht etwas dran ist an der Geschichte, wie sie da dargestellt wird."

Clemens Finzer

© DEUTSCHE WELLE 2006

Qantara.de

Interreligiöser Dialog auf dem Weltjugendtag
Der Papst und die Muslime
Im Rahmen des Weltjugendtags in Köln empfing der Papst zehn Vertreter der islamischen Gemeinden in Deutschland. Über den christlich-islamischen Dialog berichtet Walid Abd El Gawad.

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