Stillstand im arabischen Raum
Der Islam prägt das Leben in den arabischen Ländern. Der Islam und eine kränkelnde Wirtschaft. In den letzten zwanzig Jahren wuchs sie im Durchschnitt gerade mal um weniger als 1 Prozent - in den Entwicklungsländern dagegen um mehr als 3,5 Prozent. Auch die Arbeitslosigkeit ist im arabischen Raum mit durchschnittlich 15 Prozent sehr hoch. Verschärft wird die Situation noch durch eine schnell wachsende Bevölkerung. Allein um genügend Arbeitsplätze für die kommenden Generationen zu schaffen, ist ein immenses Wirtschaftswachstum nötig. Angesichts der großen Erdölreserven müsste das eigentlich zu bewältigen sein. Nur, warum ist das Wachstum bislang so gering gewesen, und was passiert mit dem vielen Geld aus dem Ölgeschäft? Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft stellt sich die Frage, "worin es investiert wird, fließt es einfach in den Konsum, wird es - wie es möglicherweise in den einem oder anderen arabischen Staat passiert - in ein großes Staatswesen, in eine pompöse Staatsführung investiert oder fließt es in die Bildung, die Infrastruktur oder in produktive Verwendungen.“
Kein Geld für Bildung
Vor allem in die Bildung fließt es nicht! 65 Millionen Menschen im arabischen Raum - ungefähr jeder Vierte - können nicht lesen und schreiben. Auch Impulse von außen kommen nur spärlich. Jährlich werden gerade mal 330 Bücher in die arabische Sprache übersetzt. Allein Griechenland übersetzt fünf Mal so viele Bücher ins Griechische. Von 10.000 Einwohnern haben nur zwei einen Internetanschluss - in Industrieländern dagegen jeder Achte.
In unserer immer spezialisierteren Welt sind Investition für Bildung und Forschung aber grundlegend für wirtschaftliches Wachstum. Eine weitere Bedingung, so Jürgen Matthes, ist eine Offenheit für Globalisierung, damit Direktinvestitionen in die Länder fließen können. Ausländische Unternehmer halten sich mit Investitionen in arabischen Staaten jedoch zurück. Zu unsicher sind die Rahmenbedingungen, zu aufgebläht die Bürokratie.
Aufgeblähte Bürokratie
So müssen in Ägypten 17 Bewilligungen eingeholt werden, bevor ein Unternehmen gegründet werden darf. In der Schweiz dagegen maximal eine. Um ein Grundstück zu kaufen, müssen 77 Verwaltungsschritte bei 31 Ämtern bewältigt werden - das kann bis zu 14 Jahren dauern - zu lange für internationale Unternehmen. Viel Geld muss zudem dafür ausgegeben werden, um mit den Machteliten auf gutem Fuße zu stehen. Das alles hemmt sowohl arabische als auch ausländische Unternehmen.
Aber auch in anderen Bereichen ist Reformbedarf laut Jürgen Matthes dringend notewendig. Wichtig ist, so sagt er, „dass Handel getrieben wird, dass ein Warenaustausch mit der übrigen Welt stattfindet. Was die Importmöglichkeiten betrifft sind die Handelsschranken immer noch relativ hoch, d.h. Zölle und auch so genannte nicht tariffäre Handelshemmnisse, also Verwaltungsprozeduren sind in vielen Staaten noch recht aufwendig.“
Geringes Handelsvolumen
Dementsprechend ist der Handel untereinander und mit anderen Ländern sehr gering. Während sich weltweit der Umfang der Exporte in den letzen zwanzig Jahren verdreifacht hat, ist er im arabischen Raum gesunken. Exportiert wird früher wie heute hauptsächlich Öl - sinkt der Ölpreis, brechen auch die Exporte ein. Voraussetzung für den Handel mit Gütern sind nicht nur offene Märkte, sondern auch funktionierende Finanzmärkte.
„Dabei spielt eine Rolle, dass die Finanzmärkte nicht genügend ausgebildet sind und dass der Islam mit dem islamischen Zinsverbot ein anderes Bankenrecht hat“, sagt Matthes. Das führt zu einem Systemunterschied, der es nicht ganz so einfach macht, mit den westlichen Finanzzentren eng zusammen zu arbeiten.“
Daher ist Jürgen Matthes der Meinung, dass nicht nur im Irak, sondern auch in anderen arabischen Ländern dringend Wirtschaftsreformen notwendig seien, Reformen, so Matthes, „die für das Wachstum wichtig sind, die Institutionen stärken, vielleicht auch die Demokratie und die wirtschaftliche Freiheit stärken als wichtige Voraussetzung dafür, dass eine Regierung sich der Bevölkerung und deren Interesse für einen steigenden Lebensstandard verantwortlich fühlt.“
Insa Wrede, Deutsche Welle; © 2003, Deutsche Welle