Nach Protesten: Berlin setzt Antidiskriminierungsklausel aus

Neuer Berliner Kultursenator: Joe Chialo
Berlins Kultursenator Joe Chialo (Foto: Kirsten Nijhof/dpa/picture alliance)

Die Aussetzung der umstrittenen Berliner Antidiskriminierungsklausel stößt auf ein geteiltes Echo. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft bedauert den Schritt als verpasste Chance. Die Linken-Fraktion begrüßt sie als Weg zum Dialog. 
 
Der Berliner Senat zieht die umstrittene Antidiskriminierungsklausel für öffentlich geförderte Kultureinrichtungen zurück. Die Senatskulturverwaltung begründete den Schritt am Montag mit juristischen Bedenken. Das Ziel einer diskriminierungsfreien Kultur bleibe davon allerdings unberührt, erklärte Kultursenator Joe Chialo (CDU). Die Klausel war erst am 21. Dezember 2023 eingeführt worden. 
 
Die offiziell «Antidiskriminierungsklausel» genannte Bestimmung verlangte von Kultureinrichtungen, bei Förderanträgen mögliche antisemitische Tendenzen in Projekten klar auszuschließen. Sie war unter dem Eindruck von Reaktionen von Kulturschaffenden auf den Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober und den Krieg im Gaza-Streifen beschlossen worden. Grundlage der Klausel war die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Rembrance Alliance (IHRA). Experten hatten unter anderem bemängelt, dass diese Definition zu ungenau sei. Gegen die Klausel hatten mehr als 5.000 «Kulturproduzenten» einen Protestbrief geschrieben. 
 
Kultursenator Chialo betonte am Montag, er werde sich weiter für eine diskriminierungsfreie Entwicklung der Berliner Kultur einsetzen. «Ich muss aber die juristischen und kritischen Stimmen ernst nehmen, die in der eingeführten Klausel eine Beschränkung der Kunstfreiheit sahen.» Derartige Debatten seien jetzt nötiger denn je, sagte Chialo. «Es ist Zeit zu handeln - daran besteht für mich keinerlei Zweifel. Den Diskurs fordere ich ein und baue auf eine überparteiliche Zusammenarbeit.» 
 
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) erklärte, Chialo habe sich mit der Entscheidung Druck aus der Kulturszene gebeugt. Der DIG-Landesvorsitzende für Berlin und Brandenburg, Jochen Feilcke, sagte, angesichts des seit dem 7. Oktober zutage getretenen Antisemitismus auch in Teilen der Kulturszene wäre die Klausel eine Chance gewesen, ein deutliches Stoppsignal zu setzen. «Chialo hätte es auf juristische Auseinandersetzungen ankommen lassen können. Leider hat ihn und seine Verwaltung an dieser Stelle der Mut verlassen”. Antisemitismus sei keine Meinung und könne sich auch nicht auf die Kunstfreiheit berufen. Die von Chialo zugrunde gelegte Definition sei auch die Basis des Handelns der Bundesregierung und erlaube durchaus Kritik an Israel und seiner Politik. 
 
Die Linken-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sprach von einer richtigen Entscheidung. Deren kulturpolitische Sprecherin Manuela Schmidt sieht damit den Weg für einen Dialog darüber bereitet, wie Gesellschaft und Kulturschaffende gemeinsam gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung vorgehen können. 
 
Unter den Kulturvertretern, die vor den Folgen der Klausel gewarnt hatten, war auch der Generalintendant des Berliner Humboldt Forums, Hartmut Dorgerloh.

Es sei richtig, dass der Staat bei Zuwendungsbescheiden die Kultureinrichtungen daran erinnert, dass sie keinen Antisemitismus fördern dürfen. Die der Klausel zugrunde liegende Antisemitismus-Definition führe aber dazu, dass internationale Künstlerinnen und Künstler in Deutschland nicht mehr tätig werden könnten. (epd) 

 

Lesen Sie auch:

Antisemitismus und Israel-Kritik: Mehr Mut zur Differenzierung

Antisemitismus und Islamophobie in Europa: Der ewige Moslem

Rechtspopulismus in Europa: Der gespaltene Kontinent

Qantara-Dossier: Antisemitismus

Qantara-Dossier: Islamophobie | Islamfeindlichkeit