"Arabisch ist wie Schach"

In seinem Buch "Arab“ erzählt der britische Autor und Arabist Tim Mackintosh-Smith die arabische Geschichte von ihren Ursprüngen im 2. Jahrtausend vor Christus bis heute. Entscheidend ist dabei für ihn die arabische Sprache als zentrale Quelle kultureller Identität. Interview von Elisabeth Knoblauch für Qantara.de

Von Elisabeth Knoblauch

Herr Macintosh-Smith, 3000 Jahre arabische Geschichte sind ein gewaltiges Unterfangen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, darüber zu schreiben? Welche Geschichte wollten Sie erzählen?

Tim Macintosh-Smith: Der Verlag Yale University Press in London hatte mich gebeten, eine Geschichte der arabischen Welt zu schreiben. Ich hätte mich nie getraut, ein solches Projekt auf eigene Faust in Angriff zu nehmen - zu anmaßend und viel zu viel Arbeit! Außerdem dachte ich, es gäbe bereits viele Werke über die arabische Geschichte. Tatsächlich gibt es aber keines, das den gesamten Zeitraum abdeckt. Ich wollte erstens versuchen, etwas mehr als andere über den vorislamischen Teil der schriftlich belegten arabischen Geschichte zu sagen - die 1400 Jahre vor Mohammed - und darüber, wie er zwangsläufig die Zeit danach geprägt hat.

Zweitens wollte ich eine Geschichte der Araber "an sich" schreiben - und nicht der arabischen Eroberungen und der anschließenden Verbreitung der arabisch-islamischen Kultur, was in der Regel im Mittelpunkt steht. Das Problem ist natürlich, was die Araber "an sich“ eigentlich sind, wenn sie im Laufe der Zeit so vieles waren. Es könnte mehrere Fäden geben, die die Araber verbinden, aber die Sprache scheint mir das stärkste Bindeglied über die Jahrtausende hinweg zu sein. Die ethnische Zugehörigkeit ist nicht so wichtig (ist sie es jemals?), deshalb habe ich immer darauf geachtet, von "Arabern“ zu schreiben und nicht von "den Arabern“, als ob sie schon immer eine homogene und eigenständige Gruppe gewesen wären.

Außerdem wollte ich die Geschichte auf eine lesbare Weise erzählen, denn ein Buch kann gleichzeitig wissenschaftlich und gut geschrieben sein. Wenn man den Lesern mehr als 3000 Jahre und eine Fülle unbekannter Namen zumutet, dann sollte man zumindest sein Bestes tun, um ihnen den Text schmackhaft zu machen.

Cover von Tim Mackintosh-Smiths "Arabs" (erschienen bei Yale University Press)
Tim Mackintosh-Smith behandelt 3000 Jahre arabische Geschichte und beschreibt, wie umherziehende arabische Nomaden und Stämme ihre Sprache und Kultur über große geografische Entfernungen verbreiten konnten. Er spürt den Ursprüngen der arabischen Sprache nach, die bereits tausend Jahre vor dem Propheten Mohammed entstanden ist und die er für die zentrale Quelle kultureller Identität von Arabern über Jahrtausende hält.

Der Jemen als Brennpunkt arabischer Geschichte

Sie haben das Buch während Ihrer Zeit im Jemen geschrieben. Wann kamen Sie in den Jemen und wann mussten Sie das Land wieder verlassen?

Macintosh-Smith: Ich kam zum ersten Mal 1982 in den Jemen und habe seither – abgesehen von einem Jahr in Oxford – dort in der Altstadt von Sana’a gelebt. Ich war dort während der – bis jetzt – schlimmsten Jahre des gegenwärtigen Krieges und musste das Land wegen des Konflikts nie verlassen. Ich bin aber 2019 mit zwei Mitgliedern einer Familie aus Sana'a, denen ich eng verbunden bin, nach Malaysia gegangen, um sie während ihres Studiums dort zu unterstützen. Ich betrachte mich immer noch als einen Einwohner von Sana’a. Mein Haus wartet auf mich, genauo wie meine Bibliothek und der Rest der Familie.

Der Jemen - oder das Gebiet im Süden der Arabischen Halbinsel - ist für Sie ein Brennpunkt der arabischen Geschichte. Warum ist diese Region von so zentraler Bedeutung?

Macintosh-Smith: Auf den ersten Blick erscheint der Jemen in der heutigen arabischen Welt geographisch und politisch als peripher. Und die früheren vorislamischen Bewohner der Region betrachteten sich zu ihrer Zeit nicht einmal als "Araber“. Aber einige wichtige Aspekte ihrer Kultur - politische, soziale, religiöse usw. - trugen in hohem Maße zur Gestalt des "Arabertums“ - wenn man es denn so nennen kann - bei.



Und nicht nur das: Sie wurden in den Jahrhunderten vor dem Islam sprachlich und teilweise auch kulturell arabisiert. Während der arabischen Eroberungen, die mit dem Islam kamen, gab es einfach nicht genug Araber im Sinne von nomadischen, arabischsprechenden Stammesangehörigen, die man für die Eroberungen brauchte. Die Südaraber wurden daher als Araber kooptiert und stellten einen Großteil der Arbeitskräfte und somit die Lebensader des islamischen Reiches.

Später, in der zweiten, "sanfteren“ Welle der arabischen Expansion, die ab dem 13. und 14. Jahrhundert n. Chr. an der Küste des Indischen Ozeans stattfand, waren auch Jemeniten in vorderster Front dabei. Auf dieser größeren Karte der arabischen und arabisch beeinflussten Welt, die sich nicht nur vom Atlantik bis zum Golf, sondern bis nach Ostindien erstreckt, nimmt der Jemen eine zentrale Stellung ein.

Die "'arab": Zunächst nur marginale Stämme

Sie haben mehr als 600 Seiten über die "‘arab“ geschrieben. Warum wurden sie so bedeutend, wenn sie doch anfangs, wie Sie schreiben nur "marginale, herumwandernde und zahlenmäßig unbedeutenden Stämme“ waren?

Macintosh-Smith: Nun, "marginale … Stämme” scheint die Urbedeutung des Wortes ‘arab zu sein, wie man es in den ältesten historischen Aufzeichnungen findet, die ins erste 1. Jahrtausend vor Christus zurückreichen. Es gab viele Ursachen, die dazu führten, dass sie so bedeutend wurden: Ein Grund war die Nutzung einer Kombination aus Kamel und Pferd, die ihnen weit entfernte Angriffe und schließlich Eroberungen ermöglichte. Aber wenn wir einen entscheidenden Grund für ihre Bedeutung ausmachen wollen, dann ist das wahrscheinlich die Sprache.

Ich bin kein Experte für die deutsche Geschichte, aber dieser Prozess erinnert ein wenig an Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert, als aus einer verbindenden Sprache die Idee einer kulturellen und politischen Einheit entstand. Etwas ähnliches geschah vor 2000 Jahren mit dem Arabischen. Diese Einheit hätte auch wieder schwinden können, aber die Sprache war festgeschrieben, unberührbar in einem Buch – dem Koran – und so wurde das Arabische zur Sprache eines riesigen Reiches.

Um eine andere Parallele zu ziehen: Auch die Angelsachsen waren ursprünglich eine geographisch marginalisierte und zahlenmäßig unbedeutende Gruppe von Menschen. Aber sie gewannen eine Bedeutung, die weit über diese ursprüngliche Gruppe hinausgeht, weil sie mit einer Sprache, die sich tausend Jahre später über die imperiale Expansion weit verbreitete, zu einer eigenen kulturellen Einheit geworden sind. Ihre Sprache, das Englische, hat sogar dann noch als verbindende Kraft eines kulturellen Imperiums überlebt, als das politische (britische) Imperium längst schon zerfallen war.

Sie schreiben in Ihrem Buch viel über die Gegensätze zwischen hadari (sesshaft) und badawi (nomadisch). Können Sie diese Gegensätze erklären?

Macintosh-Smith: Kurz gesagt mussten Sesshafte kooperieren und Herrschaftssysteme entwickeln - insbesondere im arabischen Raum -, um die wertvollen Wasserressourcen für die Landwirtschaft zu kontrollieren. Nomaden können natürlich auch kooperieren, aber auf der Arabischen Halbinsel und in den angrenzenden Gebieten waren die Ressourcen immer knapp, und viele Beduinen gingen daher auf Raubzüge. Ein Teil der Genialität des frühen Staates in Medina bestand darin, dass er die Räuber - die badw - und die organisierten Händler und Landwirte - die hadar - zusammenbrachte.

Es war keineswegs das erste derartige Zusammenspiel dieser beiden Gruppen (in der Geschichte), aber es war das erfolgreichste. Das Gleichgewicht zwischen beiden ist jedoch nur schwer aufrechtzuerhalten, und Nomaden (oder heute Menschen, die sich wie plündernde Nomaden verhalten) haben sich oft gegen erfolgreiche Staaten gewehrt. Das alles ist ein wichtiges Thema, über das schon der große Ibn Khaldun wortgewandt geschrieben hat.

Mediaeval Arab historian Ibn Khaldun (photo: Reda Kerbush, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Ibn Khaldun und das Konzept des sozialen Zusammenhalts: Ibn Khaldun, geboren am 27. Mai 1332 in Tunis und wohl der größte arabische Historiker und Vorbereiter der modernen Soziologie, hat in seinem Meisterwerk "Muqaddimah“ (Einführung) eine frühe Philosophie der Geschichte geschrieben. Danach entsteht ein Gefühl sozialer Zusammengehörigkeit - "asabiyyah“ - spontan bei Stämmen oder Gruppen von Menschen, kann dann aber durch eine religiöse Ideologie verstärkt werden, die dann zur treibenden Kraft für politische Gruppierungen wird, um an die Macht zu gelangen. Wenn diese Bindekraft abnimmt, dann läutet dies den politischen Niedergang einer Dynastie oder eines Reiches ein und macht Platz für eine neue Regentschaft, deren Bindekraft wiederum stärker ist.

Nomaden und Sesshafte



Wie kommen Sie zu dem Fazit, dass die Lebensweise der Badw – obwohl sie kurz davor sind, auszusterben – bis heute die treibende Kraft hinter politischem und gesellschaftlichem Wandel ist?

Macintosh-Smith: Ich meine damit nicht einen beduinischen Lebensstil, der in der Tat so gut wie ausgestorben ist, sondern eher eine beduinische "Denkweise“. Es geht um die Vorstellung, dass Raubzüge ein nützliches politisches und wirtschaftliches Instrument und ein probates Mittel zur Umverteilung von Macht und (oft knappen) Ressourcen sind. Die arabische Geschichte kennt viele Beispiele von Stämmen oder sogar einzelnen Familien, die die Macht gewaltsam an sich gerissen und monopolisiert haben (und einen Teil des Reichtums an ihre Anhänger umverteilt haben), bevor sie ihrerseits gestürzt wurden.

Das Phänomen ist keineswegs auf die Araber beschränkt, aber es hat heute in der arabischen Welt an Bedeutung gewonnen: Ein Großteil der übrigen Welt hat andere Wege beschritten, um Macht zu übertragen und Reichtum zu monopolisieren. Ibn Khaldun, der vor mehr als 600 Jahren starb, wäre nicht überrascht über den Aufstieg und die Konsolidierung der Macht durch die Herrscherfamilie Al Saud auf der Arabischen Halbinsel; dies gilt natürlich sinngemäß.

Spielt der Gegensatz zwischen Sesshaften und Nomaden für die Konflikte von heute noch eine Rolle?

Macintosh-Smith: Es trägt zum Verstehen bei, sich daran zu erinnern, dass diese Gegensätze – vielleicht spricht man besser von komplementären Kräften – bis heute eine Rolle spielen. Der Westen tendiert dazu, sich selbst die Schuld für die Probleme in der arabischen Welt zu geben und verweist dazu auf den Kolonialismus und die Grenzen, die in dieser Zeit gezogen wurden.

Wenn die Grenzen so problematisch sind, warum haben die Araber sie nicht aufgehoben, als sie ihre Unabhängigkeit erlangt haben? Zum Teil kann man diese Frage damit beantworten, dass Araber genauso Menschen sind, wie wir alle und das Eigeninteresse überwiegt und dieses durch die Entdeckung von riesigen Mengen an Öl und Gas noch verstärkt wurde.

Sie schreiben über drei wichtige Göttinnen in der arabischen Kultur. Warum haben sie sich nicht durchsetzen können? Wie wurde der Gott, der heute für Millionen von Menschen rund um die Erde so wichtig ist, erst zum wichtigsten und schließlich zum einzigen Gott?

Macintosh-Smith: Fromme Muslime würden natürlich sagen, dass sich der eine Gott durchgesetzt hat, weil er Recht hatte. Betrachtet man die Ereignisse aus der Sicht eines Historikers, so war der Monotheismus zur Zeit Mohammeds bereits seit mehreren Jahrhunderten der bestimmende internationale Trend und in verschiedenen Formen die Staatsreligion der großen zeitgenössischen Reiche Byzanz und Persien. Für die Araber galt das auch: Die theologische und politische Einheit haben sich gegenseitig bedingt und verstärkt. Die großen arabischen Eroberungen wären nicht möglich gewesen ohne die politische Einheit, die durch das Bekenntnis zum einen Gott zustandekam. Die Eroberungen wiederum verbreiteten den Glauben an diesen einen Gott. In gewissem Sinne fungiert eine Gottheit als Ausdruck des Willens ihrer Verehrer, und wenn die Gottheit eine einzige, klar definierte, allmächtige ist, dann trifft das auch auf den irdischen Willen zu.

Warum ist Arabisch so kompliziert?

Arabisch ist eine sehr schwierige Sprache. Sie schreiben: "Ohne Vokalzeichen oder Punkte könnte eine einfache Gruppe von zwei Buchstaben theoretisch auf 300 verschiedene Arten gelesen werden.” Haben Sie in Ihrer Untersuchung der arabischen Geschichte und der Sprache einen Grund für diese Komplexität gefunden?

Macintosh-Smith: Ich weiß nicht, ob wir tatsächlich wissen, warum diese Komplexität entstanden ist. Als man begann, Arabisch aufzuschreiben, erst im 1. Jahrtausend nach Christus, griff man auf die Buchstaben der nabatäischen Schrift zurück, sparte aber bei einigen Buchstabenformen.

Aus diesem Grund kann eine einzige arabische Form bis zu fünf verschiedene Konsonanten repräsentieren. Nur durch die verschiedene Anordnung von Punkten lassen sie sich unterschieden. Diese Punkte an den Buchstaben kamen erst im Laufe der Zeit hinzu. Die kurzen Vokale werden im Allgemeinen nicht geschrieben, was das Verständnis weiter erschwert.

Diese Unzulänglichkeiten fallen nicht so sehr ins Gewicht, wenn man etwas sehr Formales liest und viel von der Textaussage vorhersehen kann. Sie sind von größerer Bedeutung, wenn man einen Text von immenser Subtilität, wie den Koran, niederschreibt - daher die Notwendigkeit, die Buchstabenpunkte und Vokalzeichen zu entwickeln. Im Koran wurden sie schon früh verwendet.

Aber viele andere Texte wurden nur spärlich mit Punkten versehen, und bis heute werden sie nur sehr selten vokalisiert. Arabischlesen ist also ein bisschen wie Schachspielen: Man muss immer vorausschauend lesen. Englisch oder Deutsch zu lesen ist einfacher, es ist eher wie Dame.

Die Sure Al-Fatiha; Kalligrafie von Aziz Efendi (gest. 16 August 1934) - Muhittin Serin: Hattat Aziz Efendi. Istanbul 1988. ISBN 375-7663-03-4 Invalid ISBN. p.53., Public Domain, via Wikimedia Commons
Araber sind nicht in einem Land, sondern in einer Sprache zuhause. "Niemand spricht Hocharabisch als Muttersprache – und hat dies auch nie getan hat. Zugleich ist Hocharabisch eine Sprache von unglaublicher Schönheit, Flexibilität und Kraft,“ sagt Mackintosh-Smith. "Araber streben danach Hocharabisch zu schreiben, auch wenn es den meisten von ihnen schwerfällt, und noch schwerer, es zu sprechen. Die arabische Sprache gibt ihnen eine Identität, eine Art kulturelles Heimatland.“





Können Sie uns noch ein bisschen mehr über die Entstehungsgeschichte des Arabischen erzählen?

Macintosh-Smith: Unweigerlich gibt es eine Menge an Spekulationen. Aber es ist ziemlich klar, dass das Arabische im Vergleich zu anderen Idiomen aus der sog. semitischen Sprachgruppe einige Merkmale bewahrt hat, die wahrscheinlich tatsächlich sehr archaisch sind. Zumindest ein Teil dessen, was später zum Arabischen wurde, spiegelt wahrscheinlich Aspekte des "Semitischen" aus einer sehr frühen Zeit, vielleicht aus dem 5. Jahrtausend vor Christus. Sprachen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter und verzweigen sich dann in Dialekte, das ist beim Arabischen nicht anders.

Bemerkenswert ist, dass neben der Entstehung von Dialekten schon lange vor dem Islam eine Art poetische Sprache in Gebrauch war - eine gehobene Sprache von Dichtern, Sehern und Erzählern. In dieser besonderen Sprache wurde der Koran offenbart. Und die Tatsache, dass der Koran sofort niedergeschrieben wurde (und damit das erste arabische Buch wurde), machte seine Sprache zur Sprache der Literatur.



Sie hat die arabische Kultur geeint, unabhängig davon, welche Dialekte die Menschen tatsächlich sprechen und auch unabhängig davon, dass die Araber im Allgemeinen politisch uneins waren.

Ist das Arabische also in gewisser Weise eine künstliche Sprache?

Macintosh-Smith: In gewisser Weise schon, denn niemand spricht Hocharabisch als Muttersprache – und dies auch nie jemand getan. Zugleich ist Hocharabisch eine Sprache von unglaublicher Schönheit, Flexibilität und Kraft. Araber streben danach, Hocharabisch zu schreiben und noch schwerer, es zu sprechen, auch wenn es den meisten schwerfällt.



Die arabische Sprache gibt ihnen eine Identität, eine Art kulturelles Heimatland. Wie der tunesische Intellektuelle und ehemalige Staatschef Munsif al-Marzuqi es einmal ausdrückte, lebt die arabische Gemeinschaft "nicht in einem Land, sondern in einer Sprache“.

Wie ist es Ihnen gelungen, Arabisch zu lernen? Und worin besteht für Sie die größte Herausforderung beim Sprechen und Lesen?

Macintosh-Smith: Ich begann mit einem Wörterbuch und einem Buch mit einfachen Texten und zog mich in ein Cottage auf den schottischen Äußeren Hebriden zurück. Und ich hatte einige großartige Lehrer in Oxford. Aber ich kann nicht wirklich sagen, dass ich Arabisch "verinnerlicht“ habe, bis ich 1982 in den Jemen ging. Ich habe viel dadurch gelernt, dass ich jahrelang dort gelebt und begonnen habe, den lokalen Dialekt zu sprechen.

Ich nahm auch die jemenitische Angewohnheit an, das stimulierende Qat-Blatt zu kauen, und entwickelte meine eigene Angewohnheit, jeden Tag drei oder vier Stunden lang Qat-Blätter zu kauen und mich in ganze Seiten aus arabischen Büchern zu vertiefen. Das hat wirklich geholfen! Es fällt mir leicht, den Dialekt der jemenitischen Hauptstadt Sana’a zu sprechen, aber wenn man formelles Arabisch spricht, muss man immer vorausdenken.

Was das Lesen anbelangt, so ertappe ich mich oft dabei, dass ich über die genaue Bedeutung von Gedichten und gereimter Prosa rätsele: Manche Autoren haben Spaß daran, obskur und neckisch verspielt zu sein. Und dann betritt man Lichtungen im Wald der Bedeutung, wo Klang, Sinn und Einfachheit zusammenkommen. In solchen Momenten kann man sich ganz und gar verzaubern lassen: Dann stehen die passenden Worte in der besten Reihenfolge, und wirken direkt emotional.

Wie sieht Ihr nächstes Projekt aus?

Macintosh-Smith: Ich arbeite an einer Ausgabe und Übersetzung der Autobiographie von Ibn Khaldun für die New York University Press Library of Arabic Literature. Es ist ein faszinierender Text: Vermischt mit seiner eigenen atemberaubenden Lebensgeschichte, die von politischem Unheil und persönlichen Tragödien geprägt ist, zitiert Ibn Khaldun eine Menge seiner eigenen gereimten Prosa und Gedichte und Werke von seinen Freunden. Das Ganze ist also eine Art selbstreflexives politisch-literarisches Sammelalbum aus dem späten 14. Jahrhundert.



Ich arbeite auch an einer anderen Geschichte, die wie mein Buch über die Araber eine große Zeitspanne abdeckt, aber - glücklicherweise - ein sehr kleines geografisches Gebiet umfasst, das nur etwa doppelt so groß ist wie der New Yorker Central Park ... Ein Freund von mir nennt "Araber" mein "Monsterstück". Das nächste wird etwas anderes sein, ein Mikro-Epos.



Das Interview führte Elisabeth Knoblauch



© Qantara.de 2021



Tim Mackintosh-Smith ist ein prominenter Arabist, Übersetzer und Reisebuchautor. Er lebt seit 35 Jahren in der arabischen Welt und ist Mitglied der Library of Arabic Literature. Er ist Autor von: "Arab. 3000 Jahre arabische Geschichte", Wbg Theiss in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, 2021, 688 Seiten