Nahostdialog im Äther
Die Station wird von Israelis und Palästinensern gemeinsam betrieben, die finanzielle Unterstützung kommt unter anderem von der Europäischen Union. Gesendet wird derzeit täglich 14 Stunden über das Internet, die terrestrische Ausstrahlung soll bald erfolgen.
Hinter dieser geradezu revolutionären Rundfunkinitiative stehen palästinensische Intellektuelle und Geschäftsleute aus der nichtstaatlichen palästinensischen Organisation "Biladi" und das israelisch-arabische Forschungszentrum Givat Chaviva, das nördlich von Tel Aviv liegt und sich seit einigen Jahrzehnten um die Vermittlung der arabischen Kultur in Israel bemüht.
Sinkende Bereitschaft, die andere Seite anzuhören
Die Initiatoren wollen den erlahmten Dialog zwischen Israelis und Palästinensern wieder aktivieren – ein keineswegs leichtes Unterfangen, haben sich Israelis und Palästinenser in den letzten Jahren doch immer weiter entfremdet.
Die sinkende Bereitschaft, der jeweils anderen Seite zuzuhören, hat auch vor dem Rundfunkbereich nicht Halt gemacht. Palästinenser kommen im israelischen Rundfunk kaum noch zu Wort, und auch auf palästinensischer Seite sind israelische Stimmen im Äther verstummt.
Genau dagegen will die "Stimme des Friedens" ankämpfen. Gesendet wird hauptsächlich in zwei Sprachen: Hebräisch und Arabisch. Ein Wochenmagazin auf Englisch ergänzt das Angebot. Neben israelischer, arabischer und westlicher Popmusik liegt der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Hintergrundinformationen.
Hebräische Sendung bietet Palästinensern eine Plattform
Vormittags moderiert an Werktagen die Israelin Orly Noy das hebräische Wortmagazin "Kav Hamashve", zu Deutsch: der Äquator. Der Name ist zugleich Programm, denn im Hebräischen leitet sich dieser Begriff vom Wortstamm "Gleichheit" ab. Für Gleichheit ist hier im Hinblick auf die Rundfunkpräsenz von Israelis und Palästinensern auch gesorgt.
Nach einer kurzen Presseschau aus palästinensischen Zeitungen bietet Orly Noy in ihrer Sendung Palästinensern eine Plattform.
So darf der arabische Anwalt von Marwan Barghuti, dem Anführer der palästinensischen Militärorganisation Tanzim, der seit 2002 in einem israelischen Gefängnis sitzt, das Publikum daran erinnern, dass sein Mandant, ehe er von der israelischen Armee gefangen genommen wurde, eigentlich für den Frieden geworben hatte.
Auch palästinensische Politiker können bei Orly Noy auf Hebräisch israelische Hörer erreichen und Stellungnahmen zur Aktualität abgeben – was ihnen im israelischen Rundfunk unter der rechtsgerichteten Regierung Scharon schon längst nicht mehr möglich ist.
Dort ist es mittlerweile sogar für Israels linke Politiker eng geworden, und so ist der neue Friedenssender für sie ein ebenso wichtiges Forum.
Annäherung durch Differenzierung und Dialog
Differenzierung steht dabei im Mittelpunkt: Im Gespräch mit israelischen Orientalisten wird der Versuch unternommen, zwischen dem Terror von al-Qaida und den Terroranschlägen palästinensischer Kampforganisationen zu unterscheiden.
Die Moderatorin Noy legt bei der Gestaltung ihres Magazins auch besonderen Wert auf Kultur: Interviews mit Israelis und Palästinensern informieren über wichtige Veranstaltungen und Tagungen, die für einen Dialog zwischen den Völkern förderlich sind.
Förderung einer palästinensischen Zivilgesellschaft
Ähnlichen Themen verpflichtet ist auch die arabischsprachige Sendung "Muhawalat", zu Deutsch: Versuche. Sie wird von der Palästinenserin Adele Zumot im Anschluss an das hebräische Magazin moderiert. Wie beim hebräischen Pendant wird hier zunächst das Wichtigste aus der Presse der Gegenseite in arabischer Sprache zusammengefasst.
Die Aktualität wird aus palästinensischer Sicht behandelt. Schonungslos nennt man hier das israelische Militär "Besatzungskräfte"; ein Begriff, der übrigens auch im hebräischsprachigen Programm beim Zitieren aus der palästinensischen Presse Verwendung findet: Schließlich will man sich mit der politischen Sprache der anderen Seite vertraut machen.
Die Palästinenserin Zumot führt - wie ihre israelische Kollegin Orly Noy - Gespräche mit Personen des öffentlichen Lebens sowohl aus Israel als auch aus den Palästinensergebieten. Da das Arsenal der fließend arabisch sprechenden jüdischen Israelis recht klein ist, werden meist israelische Orientalisten oder israelische Araber befragt.
Noch stärker als im Hebräischen ist man im arabischen Programm mit gesellschaftlichen Themen befasst, etwa mit der alltäglichen materiellen Not der palästinensischen Bevölkerung. Unterstützt werden soll die Bildung einer palästinensischen Zivilgesellschaft, für deren Vertreter die "Stimme des Friedens" jetzt schon ein wichtiges Sprachrohr geworden ist.
Joseph Croitoru
© Qantara.de 2004
Ausstrahlung des Radiosenders "Stimme des Friedens" über das Internet