Die Stimme der afghanischen Frauen
Jamila Mujahed ist Herausgeberin des einzigen Frauenmagazins in Afghanistan. Für ihre Zeitschrift "Malalai", mit der sie sich für die Rechte von Frauen einsetzt, erhiehlt sie nun den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit. Petra Tabeling berichtet.
Vor fast einem Jahr verabschiedete die Große Ratsversammlung in Afghanistan, die Loya Jirga, eine neue Verfassung. In ihr wurden auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Freiheit der Presse festgelegt.
Die Umsetzung ist allerdings ein langwieriger Prozess, über den die Journalistin Jamila Mujahed immer wieder berichtet in "Malalai", dem einzigen Frauenmagazin Afghanistans. Zum Beispiel über die Wahlbeteiligung von Frauen oder die wachsenden Drogenprobleme.
Aber auch das findet sich in "Malalai": Artikel über Schminktipps oder Fitnessstudios. Der Name der Zeitschrift ist kein Zufall: Malalai war eine afghanische Volksheldin, die durch ihren Widerstand gegen die britische Kolonialmacht berühmt und zu einer Gallionsfigur der afghanischen Frauenbewegung wurde.
Medien ohne Fördergelder
Nach der Niederschlagung der radikal-islamischen Machthaber von Kabul Ende 2001 gründete Mujahed im Februar 2002 - mit finanzieller Hilfe der UNESCO und der Heinrich-Böll-Stiftung - die Zeitschrift "Malalai".
Zunächst konnten Mujahed und ihre Helferinnen das Sprachrohr für afghanische Frauen, das in den Landessprachen Dari und Paschtu erscheint, regelmäßig herausgeben. Doch seit die Förderung der Heinrich-Böll-Stiftung im Januar 2004 auslief, kämpft das kleine Redaktionsteam mit erheblichen finanziellen Problemen.
Den Journalistinnen fehlt es an Unterstützung im eigenen Land. Zum Beispiel an Werbeträgern: "Afghanische Händler haben noch nicht erkannt, dass sie in unserer Frauenzeitschrift ja auch eine Zielgruppe ansprechen. Eine Kultur der Medien muss in unserem Land, in dem wir 25 Jahre lang Krieg und Leid erleben mussten, erst einmal etabliert werden", glaubt Mujahed.
Da werden die 10.000 Euro zunächst einmal helfen, die mit dem Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit verbunden sind und der alle zwei Jahre in Schorndorf bei Stuttgart verliehen wird.
Das Kuratorium der Stiftung - unter Beteiligung von Reporter ohne Grenzen - befand, dass "Malalai" für den "Kampf um Meinungs- und Pressefreiheit zur Stärkung von Demokratie und Menschenrechten ein ermutigendes Beispiel liefert und sich mit für die Stärkung der Rechte von Frauen in Afghanistan" engagiert habe.
Medium der Frauenbewegung
Fünf lange Jahre durfte die 42jährige Journalistin unter der Herrschaft der radikal-islamischen Machthaber von Kabul ihren Beruf nicht ausüben - verbannt unter dem typischen Gewand, der Burka. Heimlich gab Mujahed Unterricht für Mädchen.
Die Burka trägt Jamila Mujahed heute nicht mehr, zumindest in der Hauptstadt Kabul. "Uns ist es gelungen, für die afghanischen Frauen etwas zu erreichen. Bei der Einführung des Grundgesetzes in Afghanistan haben wir einen großen Beitrag leisten können, indem wir mit "Malalai" die Frauen über ihre Rechte als gleichberechtigte Bürger in unserem Land informiert haben", resümiert Mujahed die letzten zwei Jahre.
Widerstand konservativer Kräfte
Doch das stößt bei den islamischen und politischen Kräften auch heute noch auf Widerstände. Es fänden sich auch männliche Leser, "es gibt aber auch Männer, die immer schon gegen uns waren. Sie versuchen unsere Arbeit mit fundamentalistischen, islamistischen Mitteln zu verhindern", so Mujahed.
Mit welchen Mitteln die Arbeit behindert wird, führt die Mutter von fünf Kindern nicht weiter aus. "Dass wir in diesen drei Jahren wieder arbeiten können, verdanken wir der neuen Regierung, und wir sind sicher, mit Geduld erreichen wir unser Ziel. Aber nur langsam."
Ziel: Benachteiligte Frauen erreichen
Gerade die Probleme der Frauen aus den Provinzen, die unter vollkommen anderen Bedingungen als die Großstädterinnen leben, werden in "Malalei" immer wieder thematisiert.
In vielen abgelegenen Regionen des Landes herrschen nach wie vor traditionelle Stammesstrukturen. Dort tragen die meisten Frauen noch die Burka, die Gesundheitsversorgung ist katastrophal, die Lebenserwartung beträgt etwa 44 Jahre, und die Sterblichkeitsrate von Frauen und Kindern ist sehr hoch. Jede zehnte Frau stirbt während der Schwangerschaft. Die meisten Frauen sind Analphabeten.
Auch diese Frauen versucht Jamila Mujahed zu erreichen. "Weil wir wissen, dass viele Menschen nicht lesen und schreiben können, sind die Ausgaben mit vielen Bildern und Illustrationen bestückt. Wir hoffen, dass sie dadurch unseren Inhalt erkennen und dann neugierig werden."
Weil die Analphabetenrate so hoch ist, ist das Radio ein weit verbreitetes Medium in Afghanistan. Mit dem einzigen Frauensender "Stimme der afghanischen Frau" ("Voice of Afhgan Women"), die Mujahed außerdem noch mit fünf anderen Journalistinnen betreut, kann sie deshalb vier Stunden täglich mehr Frauen erreichen.
Wichtige Schritte für die Zukunft der Frauen
Es seien noch viele Schritte notwendig, um "in unserem Sinne das Ziel der Gleichberechtigung der Mann und Frau zu erreichen", glaubt die Journalistin.
"Zuerst steht die Entwaffnung im Vordergrund, damit Sicherheit im Lande herrscht. Zweitens muss die ganze Bevölkerung, vor allem die Landbevölkerung, alphabetisiert werden. Drittens die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen gewährleistet werden."
Das Titelblatt bildet schon einmal mutig einen Frauentypus ab, der derzeit in der afghanischen Öffentlichkeit noch die Ausnahme ist: eine moderne, selbstbewusste, geschminkte Frau ohne Schleier. Daneben steht die Schlagzeile: "Die Gleichberechtigung der Frau: Ein schweres Ziel - aber machbar."
Petra Tabeling
© Qantara.de 2004
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