Falsches Spiel
Die Rückeroberung der Ruinenstadt Palmyra durch die syrische Armee, die das Assad-Regime nun als großen Triumph für sich verbucht, wird in Oppositionskreisen und auch in der arabischen Welt mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Diese Skepsis hat eine heute fast vergessene Vorgeschichte. Um Palmyra war nämlich schon 2013, also zwei Jahre vor ihrer verhängnisvollen Einnahme durch die IS-Terrormiliz, heftig gekämpft worden. Bei den damaligen Kriegshandlungen zwischen Regierungstruppen und Rebelleneinheiten waren mehrere der antiken Baudenkmäler durch Geschosse beschädigt worden, wofür sich seitdem beide Kriegsparteien gegenseitig die Schuld zuschieben.
Im Aufständischenlager wurde nach der Eroberung der Ruinenstätte durch den IS im Mai 2015, bei der die Dschihadisten auf auffallend wenig Widerstand gestoßen waren, zudem der Vorwurf laut, Assads Truppen hätten der Terrormiliz den Ort kampflos überlassen – was Damaskus wiederum vehement bestritt. Nun wird diese Unterstellung in Kreisen der syrischen Opposition, die an der Verschwörungstheorie festhalten, der syrische Staat mache mit dem IS gemeinsame Sache, wieder aufgegriffen und auf die Aktualität zugeschnitten.
Ein Handlanger Riads
Kein Geringerer als Assad al-Zubi, einer der hochrangigen Vertreter der Opposition bei den Genfer Syrien-Gesprächen, behauptete jetzt im internationalen saudischen Fernsehsender Al-Arabiya, sowohl die Einnahme wie die Evakuierung Palmyras sei zwischen Damaskus und dem IS abgesprochen gewesen.
Der Abzug, so Al-Zubi, erlaube dem Regime, sich als Retter des Kulturwelterbes zu inszenieren und damit weltweit Sympathien zu gewinnen. Auf diese Weise hoffe die syrische Regierung, ihren Stand bei den Verhandlungen um die Zukunft des Landes zu verbessern. Dass der Oppositionelle Al-Zubi – früher Offizier in der syrischen Armee – solches in einem saudischen Sender äußert, überrascht nicht: Er gilt als Handlanger Riads, das nichts unversucht lässt, die syrischen Herrscher zu diskreditieren.
Wer an solche Konspirationstheorien glaubt, den würden auch nicht die Aufnahmen vom Gegenteil überzeugen, die jetzt dem arabischsprachigen russischen Fernsehsender RT zugespielt wurden. Zu der vielfach gemeldeten anfänglichen Freude, die Maamun Abdulkarim, Leiter der syrischen Antikenbehörde (DGAM), darüber äußerte, dass die meisten Kulturschätze Palmyras die Besetzung durch den IS überstanden hätten und die zerstörten Tempel bald wiederaufgebaut werden könnten, wollen die neuen Bilder nicht so recht passen. Sie zeigen die totale Verwüstung, die die Dschihadisten im Museum von Palmyra angerichtet haben.
Der bewohnte Teil gleicht einer Geisterstadt
Demnach scheint nicht eine einzige der zahlreichen Steinfiguren und zierlichen Reliefs aus den verschiedensten Epochen der Stadt die Barbarei unbeschadet überstanden zu haben. An mehreren Stellen im Gebäude wurden offensichtlich Sprengsätze zur Explosion gebracht, die ein riesiges Loch in das Dach rissen.
Ob ein Teil der Skulpturen für den illegalen Antikenhandel, den die Terroristen bekanntlich geschickt betreiben, entwendet wurde, steht noch nicht fest. Die DGAM musste nach Bekanntwerden der Schäden jedenfalls ihre erste Bilanz korrigieren. Auf ihrer Internetseite zeigt sie inzwischen zumindest einen Teil dieser Verwüstungen, nicht unbedingt aber die schlimmsten.
Diese Art der Darstellung zeichnet auch die fotografische Dokumentation der Schäden aus, die die jüngsten Kampfhandlungen der Zitadelle von Palmyra zugefügt haben. Es fehlen bei der DGAM Bilder der Explosionen, die durch syrische und vermutlich auch russische Luftangriffe verursacht wurden und die anderswo zu finden sind – etwa auf dem Internetportal der unabhängigen "Vereinigung zum Schutz der syrischen Archäologie" (Apsa2011), die seit einigen Jahren die Zerstörung von Syriens Kulturschätzen akribisch dokumentiert.
Welche sonstigen verheerenden Folgen die offenbar zahlreichen Bombardements aus der Luft gehabt haben, darüber werden die staatlichen syrischen Quellen wohl kaum Auskunft geben. Dies gilt vor allem auch für den unweit der antiken Stätte liegenden modernen Ort Palmyra, der laut arabischen Medienberichten derzeit einer Geisterstadt ähnelt.
Wie es heißt, hätten die Bewohner die Stadt in den letzten Tagen fluchtartig verlassen – aus Angst vor den rücksichtslosen Luftangriffen, für die im Land die syrische und inzwischen auch die russische Luftwaffe berüchtigt sind.
Joseph Croitoru
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