„Die Welt braucht eine Pause von der Ära Trump!“
Viele arabische Herrscher, vor allem die Autokraten, haben es sich in den vier Jahren mit Donald Trump durchaus gut eingerichtet. Mit Trumps Abwahl und der Wahl Joe Bidens zu seinem Nachfolger gerät einiges in Bewegung. Das beschäftigt auch die großen arabischen Zeitungen, die sich vor allem Trumps Irrwegen, den von ihm angestoßenen Normalisierungstendenzen arabischer Staaten mit Israel und dem Blick der USA auf den Iran widmen.
Die in London erscheinende Tageszeitung al-Quds al-Arabi kommentiert in einem nicht namentlich gekennzeichneten Beitrag: „Die Welt braucht eine Pause von der Ära Trump!“ Die Zeitung war, neben al-Sharq al-Awsat und der mittlerweile eingestellten al-Hayat, lange Zeit das Medium einer panarabisch ausgerichteten Intellektuellenszene.
Im Kommentar heißt es: „Der Slogan ‚Make America Great Again‘ verdeutlicht einen von Trumps großen Irrwegen, denn er ignoriert völlig, dass Amerikas Größe von jeher auf zwei Säulen ruhte: auf dem demokratischen System der Gründerväter und auf den Einwanderern, die mit ihrer ethnischen, religiösen und sozialen Vielfalt zu Amerikas Stärke beitrugen. Auch Trumps Vorfahren selbst sind Einwanderer.“
Natürlich könne nicht jedes „Weltunglück“ der Trump-Regierung zugeschrieben werden, schreibt al-Quds al-Arabi, aber: Trumps vierjährige Amtszeit im Weißen Haus habe Politiker wie den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu, den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman oder den ungarischen Premier Viktor Orbán unterstützt und inspiriert – alle Vier im Verständnis der Autoren wahrlich keine Sympathieträger.
„Eine Demokratie kann es schaffen, ihre Tyrannen loszuwerden“
„Auch mit Trumps Abgang wird die Welt nicht zu einem Paradies werden und der „Trumpismus“ bleibt als bedrohliches und spaltendes Element bestehen, in den USA und weltweit. Dennoch: Die Wahl hat zumindest gezeigt, dass es eine Demokratie schaffen kann, ihre Tyrannen auch wieder loszuwerden.“
Auch al-Sharq al-Awsat erscheint in London, die Tageszeitung galt lange Zeit ebenfalls als panarabisch. Sie ist im Besitz des saudischen Prinzen Faisal, einem der Söhne von König Salman, und gilt heute als sehr nah an der saudischen Politik.
In seinem Kommentar „Amerika und die Araber“ meint der Autor Abdulah Bin Bijad al-Otaibi, Trump habe sich während seiner gesamten Amtszeit ständigen Angriffen der liberalen US-Linken widersetzen müssen, der es nur darum gegangen sei, ihn als Person zu diffamieren und zu verspotten. Viel wichtiger, betont al-Otaibi, sei jedoch die Außenpolitik der kommenden vier Jahre und hier vor allem die Frage, wie man mit der „nachlässigen Haltung der Obama-Regierung gegenüber brennenden Themen in der Region“ umgehe.
Mit den „brennenden Themen“ meint der saudische Autor natürlich Iran im Allgemeinen und das Atomabkommen im Besonderen. Trump hatte den von Obama verhandelten Deal mit dem Iran bekanntlich aufgekündigt. Für al-Otaibi ist die Sache klar: „Die Golfstaaten und die arabischen Länder wenden sich deutlich gegen das Regime in Teheran und sie werden keine Rückkehr zu dem Abkommen mit all seinen Fehlern und Mängeln akzeptieren.“
Für Saudi-Arabien könnte es ungemütlich werden
Auch die katarische Tageszeitung Al-Arabi al-Jadid erscheint in London. Sie ist in Besitz des privaten Unternehmens Fadaat Media aus Doha.
Die jordanische Autorin Lamis Andoni befasst sich in einem Kommentar der Zeitung vorrangig mit den von Trump angestoßenen Normalisierungsbestrebungen der arabischen Welt mit Israel. „Die Rückkehr der Demokraten ins Weiße Haus wird weder die ‚Errungenschaften‘ der Trump-Regierung bei der Konsolidierung der US-israelischen Hegemonie aufheben, noch die Verletzung des arabischen Sicherheitsgefühls wiedergutmachen.“
Trump habe es verstanden, verschiedene neuere Entwicklungen in den arabischen Ländern für seine Politik in Bezug auf den palästinensisch-israelischen Konflikt zu nutzen: das völlige Fehlen auch nur irgendeines Widerstands gegen die Normalisierungsbestrebungen, die allmähliche Isolation der Palästinenser und die Einbeziehung Israels in ein Bündnis gegen die Bedrohung aus dem Iran. „Diese neuen Tatsachen werden den Umgang der zukünftigen US-Regierung mit der arabischen Welt diktieren.“ Doch die arabischen Regime stünden nach Trumps Abwahl mehrheitlich unter Schock, sie seien schwächer als zuvor. „Die zukünftige US-Regierung wird kontinuierlich auf die Umsetzung solcher Normalisierungsabkommen drängen und sogar versuchen, neue zu fördern.“
Ungemütlich könnte es für Saudi-Arabien werden. Denn die Demokraten, so Lamis Andoni, drängten auf die Umsetzung eines Gesetzes, das den saudischen Staat wegen der Bombenanschläge vom 11. September 2001 und der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Herbst 2018 zur Rechenschaft ziehen könnte.
Ägypten schaut auf US-Haltung im Streit um das Nilwasser
In Ägypten, dessen Eliten mit den USA traditionell sehr stark verbunden sind, beurteilt neben anderen Zeitungen auch al-Masry al-Youm die US-Wahl. Das liberal ausgerichtete Blatt galt lange Zeit als relativ unabhängig von politischer Einflussnahme, steht aber heute genauso unter staatlichem Druck wie die ägyptische Medienlandschaft generell.
Der Autor Amr el-Shobaki schreibt in zwei Kommentaren, „Trumps Niederlage“ und „Bidens Sieg“, der demokratische Wahlsieger werde „eine Reihe sehr schlechter Trump-Entscheidungen aufheben, etwa den Rückzug der USA aus Weltgesundheitsorganisation und Pariser Klimaabkommen sowie das Einreiseverbot für Bürger mehrerer islamischer Länder nach Amerika.“
Die besondere Herausforderung für Ägypten sei nicht etwa die Haltung der USA zur Muslimbruderschaft, sondern ihr Blick auf Äthiopien – eine interessante Kombination dieser beiden Themen. Shobaki geht es um den fast fertiggestellten äthiopischen Renaissance-Staudamm (GERD) am Blauen Nil; Ägypten befürchtet Abhängigkeiten und Wasserknappheit. „Äthiopien stellt sich als Teil der Bürgerrechtsbewegung in den USA dar und fördert politische Propaganda“, die Ägypten als Kolonialland erscheinen lassen wolle. Für Ägypten hänge vieles davon ab, wie die künftige US-Regierung mit dieser Frage umgeht.
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