Arabische Christen für kirchliche Reformen
"Als christlicher Araber fühle ich mich sehr wohl im Libanon, in meinem aktiven Christsein und in meiner Arbeit", sagt Pater Fadi Daou. Daou ist Professor an der Universität Saint Joseph in Beirut und Mitbegründer der Organisation Adyan, die sich für interregliösen Dialog unter jungen Leuten im arabischen Raum einsetzt.
Aber Fadi Daou ergänzt, dass er nicht für die Mehrheit der arabischen Christen stehe: "Der Mehrheit plagt eine existielle Sorge, die man Jahrhunderte zurückdatieren kann. Sie hat in den letzten Jahren allerdings zugenommen."
Daou ist überzeugt, dass der arabisch-israelische Konflikt der Hauptgrund für die Krise in der Region sei und dass dieser auch die Lage der Christen beeinflusse.
Diese "existentielle Sorge" und die Debatte über die schwindende Rolle der Christen im Nahen Osten hat bei der Bischofssynode im Vatikan Priorität. Im Rahmen der Sonderversammlung geht es etwa um die dramatische Situation der irakischen Christen, die Opfer von gegen sie gerichtete Gewaltakte werden und oftmals gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen.
Marginalisierung der Christen
Es geht auch um den erschreckend stark zurückgegangenen Anteil an christlichen Palästinensern im Heiligen Land. Nach Angaben lokaler Kirchen soll dieser Anteil unter zwei Prozent gefallen sein.
Pater Gabriel Hachem vom Rat der Kirchen im Nahen Osten, MECC, der an der Synode teilnimmt, sagt, dass er und andere Kirchenvertreter zunächst einmal nur zuhören werden, was Christen aus den verschiedenen Ländern der Region über ihr Leben zu erzählen haben.
Bei Gesprächen mit arabischen Laien und Klerikern in der katholischen Kirche stellt sich jedoch heraus, dass die Marginalisierung der Christen in der Region für viele nur ein Problem unter vielen darstellt.
Innerkirchliche Probleme und verknöcherte Strukturen empfinden Gläubige als ebenso bedrohlich. Junge arabische Christen beklagen, dass die Kirche ihnen fern sei und nicht auf ihre Bedürfnisse eingehe. Frauen kritisieren die Diskriminierung, die sie in kirchlichen Institutionen erfahren.
Schwester Marie Xavier vom Orden der Antoniter-Schwestern im libanesischen Bekfaya hat ihren Kampf um mehr Rechte in ihrer Kirche längst aufgegeben. "Die Zeit ist noch nicht reif dafür", gibt sie resigniert zu.
Die hagere Mitsechzigerin sitzt in ihrem Arbeitszimmer und zeigt auf einen Stapel Broschüren. Sie ist davon überzeugt, dass die katholische Kirche über genug Dokumente mit den richtigen Lösungsansätzen verfüge. Die wichtige Frage sei jedoch, wie diese bereits existierenden Schriften umgesetzt werden könnten. Schwester Marie Xavier nennt das Apostolische Schreiben für den Libanon als Beispiel.
In dem 1997 in der Zeit von Johannes Paul II. entstandenen Text finden sich ermutigende Sätze zur Notwendigkeit, Frauen an den Entscheidungen der Kirche teil haben zu lassen.
Frauen fordern Gleichstellung
Marie Khoury hat damals bei der Entstehung dieses Schreibens im Vatikan mitgewirkt. Khoury ist engagierte Laiin. Sie arbeitet als Psychotherapeutin und Dozentin an der Universität. Ihr geht es so ähnlich wie Schwester Marie Xavier.
Sie hat wenig Hoffnung, dass sich für Frauen innerhalb der Kirchenhierarchien in naher Zukunft etwas ändern wird: "Es gibt mehr Nonnen als Mönche, und es arbeiten auch mehr Frauen in sozialen und karitativen kirchlichen Institutionen. Die Frauen leisten sehr viel, aber sie haben keine Macht. Wir können nicht mitentscheiden, das bereits auf dem Papier erreichte umzusetzen."
Es gebe zwar einige Einzelkämpferinnen, aber von einer Frauenbewegung innerhalb der Maronitischen Kirche und anderer katholischer Kirchen im Nahen Osten könne keine Rede sein. Von der Synode wünscht sie sich klare Aussagen zu pädagogischen Fragen. Alle Lehrpläne an katholischen Schulen im Nahen Osten müssten dringend modernisiert und den veränderten Rollen der Geschlechter in der Gesellschaft angepasst werden.
Gesamtgesellschaftliches Engagement
Dieser konkreten Forderung schließt sich auch Pater Fadi Daou an. Das sei ein Beispiel für den Einfluss, den Kirchen in arabischen Gesellschaften ausüben könnten. Kirchliche Institutionen hätten sehr wohl noch großes wirtschaftliches und kulturelles Gewicht, auch christliche Bevölkerungsgruppen.
Fadi Daou befällt Unbehagen, wenn die noch existierende Rolle der Christen klein geredet wird.
"Ich denke, dass viele unsere politische Beteiligung an der Macht mit unserem gesellschaftlichen Einfluss verwechseln", erklärt Daou. "Sicher, wir haben an politischer Macht verloren, aber wir müssen uns auch fragen, wie sich die Staatengebilde und die gesellschaftliche Situation für alle Individuen in den letzten Jahrzehnten verändert haben."
Nach Daous Verständnis geht es nicht darum, dass allein die Christen in einer Gesellschaft für ihre Rechte einstehen. Sie sollten einen Staat fordern, der für alle seine Bürger da sei, für Demokratie und Menschenrechte kämpfen.
Die Synode dürfe die Rolle der Christen in der Region nicht allein vom Blickwinkel der Minderheiten diskutieren: "Es geht hier nicht um Rechte von Christen innerhalb einer Mehrheitsgesellschaft. Wir brauchen ein Projekt, eine Vision für alle Menschen in der Region."
Fadi Daou steht mit seiner Forderung bei weitem nicht allein da. Diese Sichtweise wird auch von Pater Gabriel Hachem vom Rat der Kirchen im Nahen Osten geteilt, der in einer demokratischen säkularen Gesellschaft den Garanten für den Pluralismus sieht. Ein Ziel, für das auch verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen in der arabischen Region unabhängig ihrer Religionsezugehörigkeit kämpfen.
Es ist sicher nicht zu erwarten, dass der Trend der zurückgehenden christlichen Präsenz im Nahen Osten in den kommenden Jahren aufgehalten werden kann. Aber die lebendigen und selbstbewussten Stimmen christlicher Araber lassen doch für die Zukunft hoffen.
Mona Naggar
© Qantara.de 2010
Redaktion: Lewis Gropp/Qantara.de
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