Kritik am Roten Riesen

Während die Regierungen Chinas und Sudans neue Handelsrekorde feiern, wächst bei der einfachen Bevölkerung der Unmut über Pekings Rolle im Land. Menschenrechtler bemängeln Chinas Rolle nicht nur im Darfur-Konflikt. Von Marc Engelhardt

Chinas President Hu Jintao mit Sudans President Omar al-Bashir; Foto: dpa
Chinas Staatspräsident Hu Jintao zu Gast im Sudan

​​Am Flughafen von Khartum wehte ein Meer von roten Fahnen, als Chinas Staatspräsident Hu Jintao Anfang Februar zu einem schon im Vorfeld als "historisch" gefeierten Staatsbesuch landete. Am roten Teppich wartete Sudans Präsident Omar Hassan al Baschir persönlich.

"Wir haben so lange auf diesen Besuch gewartet", schwärmte Sudans Energieminister Ahmad al Dschas in Chinas staatlichen Medien. Und Hu selbst revanchierte sich mit einem Loblied auf die "lange Freundschaft, die wir trotz der weiten Entfernung zwischen unseren Ländern genießen."

Sudans Wirtschaftswunder, made in China

Gemessen an den Wirtschaftsdaten, ist die Beziehung zwischen den beiden Staaten tatsächlich eine Traumpartnerschaft. Das Handelsvolumen zwischen China und dem Sudan in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres betrug fast drei Milliarden US-Dollar.

China ist der größte ausländische Investor im Sudan. Das energiehungrige Reich der Mitte kauft alleine zwei Drittel der sudanesischen Öl-Exporte und hilft dabei, die Produktion ständig zu erhöhen. Zwölf Prozent Wachstum verzeichnete Sudans Wirtschaft 2006, ein Gutteil davon ist Chinas Investitionen zu verdanken.

In vielerlei Hinsicht ist der Sudan das Vorzeigeobjekt für die Afrika-Politik Chinas, die einen einzigartigen Boom hinter sich hat: 1999 wies das Handelsvolumen zwischen China und Afrika noch zwei Milliarden US-Dollar aus – bis 2006 hatte es sich auf 50 Milliarden verfünfundzwanzigfacht.

Bei der Eroberung Afrikas hilft den chinesischen Investoren ihr langer Atem: Die staatlichen Konglomerate müssen keine Gewinne erzielen – Hauptsache, sie gewinnen die Herzen der Regierenden. Verluste werden aus der Pekinger Staatskasse übernommen, solange das Gesamtbild stimmt.

Neben der Ausbeutung der dringend benötigten Rohstoffe wie Öl ist das die zweite Facette des chinesischen Marsches nach Afrika: Den Weg zur Weltmacht, bei dem China auf Afrikas Unterstützung baut. Mit 53 Nationen ist Afrika der größte geschlossene Block innerhalb der UN oder anderer Organisationen wie der WTO.

Unmut an der Basis

Doch jenseits der Regierungspaläste nimmt die Kritik am Engagement des "roten Riesen" China zu. Der sudanesische Regimekritiker Ali Askouri wirft Peking eine rücksichtslose Politik vor, von der ausschließlich die Eliten profitieren.

"Chinas Regierung sagt immer, sie wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen", bemängelt Askouri. "Aber das ist eine Lüge: Tatsächlich mischt sich China ganz aktiv in die sudanesische Politik ein – nur eben auf Seite des herrschenden Regimes."

Ähnlich sieht das auch Miriam Kahiga von amnesty international. "Wenn Afrika mit China ins Bett geht, dann kann das nur zur Folge haben, dass Menschenrechte – wie in China selbst – nur noch eine untergeordnete Rolle spielen." Es sei kein Wunder, dass China vor allem in autoritären Staaten wie Sudan oder Simbabwe mit offenen Armen empfangen werde.

Flüchtlingslager in Darfur; Foto: AP
Etwa 200.000 Tote und geschätzte zwei Millionen Vertriebene hat der Krieg in Darfur bisher gefordert

​​Als Beispiel nennt Kahiga die Darfur-Krise mit mehr als 200.000 Toten und geschätzten zwei Millionen Vertriebenen. Immer wieder hat China im UN-Sicherheitsrat sein Veto eingelegt und so die Baschir-Regierung vor den ungeliebten UN-Blauhelmen bewahrt.

Doch das, so Ali Askouri, sei noch lange nicht alles. "China und Sudans Regierung arbeiten Hand in Hand, um angestammte Bewohner in den ölreichen Regionen zu vertreiben."

Besonders heikel ist das im Umland der "Unity-Ölfelder", die genau auf der Grenzlinie zwischen Nord- und Südsudan liegen. Wenn im Jahr 2011 über die Unabhängigkeit des Südens abgestimmt wird, dann sollen die Bewohner hier in einer separaten Wahl darüber entscheiden, welchem Teil Sudans sie sich anschließen. Wer dann vertrieben ist, kann nicht abstimmen.

China hat Beobachtern zufolge ein großes Interesse daran, dass die von chinesischen Firmen gemanagten Quellen im Norden bleiben, wo gesicherte Beziehungen bestehen.

Gewalt am Nil

Über Vertreibungen berichten Menschenrechtler auch vom Nilufer im Norden von Khartum. Hier baut China derzeit einen Riesenstaudamm, der den Energiebedarf Sudans komplett decken soll.

Die afrikanische Menschenrechtsorganisation "Fahamu" wirft dem chinesischen Unternehmen vor, protestierende Anwohner mit einer regelrechten Privatarmee eingeschüchtert zu haben. Sudanesische Polizisten hatten zuvor ganze Dörfer zerstört.

Siemens und ABB, die bislang am Bau des Merowe-Staudamms beteiligt waren, haben vor einigen Wochen das Ende ihres Engagements angekündigt. "Wir haben aufgrund der humanitären Lage beschlossen, keine neuen Aufträge aus dem Sudan mehr anzunehmen", so ein Konzernsprecher. Für Siemens bedeutet das den Verzicht auf einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag pro Jahr.

Manche glauben, dass solche Schritte und der Unmut in der Bevölkerung erste kleine Erfolge zeigen. "Diplomaten berichten, dass China in Sachen Darfur langsam die Geduld verliert", sagt der Sudan-Experte der "International Crisis Group", Colin Thomas-Jensen.

Eine für chinesische Verhältnisse deutliche Äußerung machte die chinesische Regierung vor Hus Abreise in Peking: Man hoffe, so hieß es in einer Erklärung, dass Sudan gemeinsam mit den UN eine Lösung für Darfur suchen werde. Ob in Khartum deutlichere Worte gesprochen wurden, ist aber ungewiss. Die Treffen fanden durchgehend hinter verschlossenen Türen statt.

Marc Engelhardt

© Qantara.de 2007

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