Eine Liebeserklärung an die iranische Kultur
Bevor wir uns mit "Tahdig" auseinandersetzen, dem Debütalbum von Mitra Sumara, das von Farsi ins Deutsche übersetzt so viel bedeutet wie "Das Licht unserer Freundschaft", sollten wir klären, was die Musiker meinen, wenn sie sich als beste Farsi-Funk-Band von New York City bezeichnen. So selbstredend die Erwähnung von New York City auch ist, so bedarf die Farsi-Funk-Thematik doch einiger Erklärung.
Die iranische Popmusik der 1960er und 1970er Jahre, also noch vor der Revolution, verband Elemente der Disco-, Funk- und Latin-Musik mit nahöstlichen Melodien und poetischen Texten. Mitra Sumara widmet sich der Musik, die in jenen Tagen von den beliebten iranischen Sängerinnen und Sängern Googoosh, Soli und Leila Forouhar populär gemacht wurde. Darüber hinaus bearbeitet die Band aber auch südiranische Bandari-Beats.
Das ist allerdings nicht derselbe Funk, den James Brown so berühmt gemacht hat. Zwar erklingen Hörner, Bass und Schlagzeug, aber die Musik ist nicht so laut und druckvoll wie das, was viele von uns normalerweise mit dem Genre verbinden. Es ist dieser deutliche Jazzeinfluss, der dazu beiträgt, einige Ecken und Kanten zu glätten. Das bedeutet nicht, dass die Musik weniger spannend oder anspruchsvoll ist als andere Funk-Formen. Doch kann es eine Weile dauern, bis man sich eingehört hat.
Mehr als die Suche nach persönlicher Identität
Die Bandgründerin und Sängerin Yvette Saatchi Perez gelangte auf Umwegen zur iranischen Musik der 1970er Jahre. Auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern entdeckte sie nicht nur ihre iranischen Wurzeln, sondern auch die Musik des Landes, wo ihre Eltern einst geboren wurden. Nachdem sie ihren leiblichen Vater gefunden hatte, brachte sie sich Farsi bei und gründete die Band Mitra Sumara. Dabei ist die Band alles andere als ein Nebenprodukt auf der Suche nach persönlicher Identität, sondern eine Liebeserklärung an die Schönheit der iranischen Kultur und Musik.
Perez und ihre Kollegen Peter Zummo (Posaune), Bill Ruyle (Hackbrett), Julian Maile (Gitarre), Jim Duffy (Keyboards), Nikhil Yerawadekar (Bass), Michael Evans (Schlagzeug/Congas) und Kaveh Haghtalab (Schlagzeug/Percussion) bringen allesamt viel Erfahrung in dieses neue Projekt ein.
Von Jazz über Rock bis hin zu Neuer Musik hat diese Band schon in den verschiedensten Richtungen gearbeitet.
Abgesehen von der Tatsache, dass der Großteil des Ausgangsmaterials für das Album den meisten Nicht-Iranern unbekannt sein dürfte, fasziniert an der Gruppe insbesondere ihre Fähigkeit, viele verschiedene Musikstile zu spielen und sie gleichzeitig für eine Vielzahl von Hörern zugänglich zu halten, ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen.
Es bedarf eines großen Könnens, um etwas zu schaffen, das eine Vielzahl von Menschen anspricht und nicht so klingt, als sei unterwegs irgendetwas auf der Strecke geblieben.
Eine musikalische Weiterbildung
Schon beim Eröffnungssong "Bemoon ta Bemoonam" ist klar, dass diese Band ganz bewusst die Chance nutzt, ihre Musik für sich und ihre Zuhörer gleichermaßen interessant zu machen. Die Eröffnung mit Horn und Schlagzeug weicht schnell einem lebhaften E-Piano und einem unsteten Gitarrensound. Beides könnte einem Film oder einer Fernsehshow aus den 1970er Jahre entstammen.
Bevor wir uns jedoch von der weiteren Entwicklung des Songs eine Vorstellung machen können, kehren Horn und Percussion als Einführung zu Perez' Gesang zurück. Beim Singen in Farsi – daher Farsi-Funk – steigt und fällt ihre Stimme wie ein Vogel im Flug. Was aber nicht heißt, dass sie in einem zarten Flüsterton singt. Stattdessen tritt sie kraftvoll, man könnte fast sagen abrupt an, um den Hörer dann, angetrieben durch die spiralförmigen Wellenbewegungen der Musik, mit ihrem Gesang durch das Stück zu führen.
Kraft, Dimension, Textur
Perez zu hören erinnert ein bisschen an einen der großen Jazz-Scat-Sänger; Sänger, die auf verständliche Texte verzichten und stattdessen Klänge improvisieren, mit denen sie die Band begleiten. Perez singt ganz offensichtlich Texte. Allerdings interpunktiert sie die Musik in Liedern wie "Helelyos" mit lautmalerischen Ausrufen. Die klingen nicht nur großartig, sondern verleihen der Musik auch noch mehr Kraft und Dimension.
Neben diesen Elementen, die wir normalerweise mit Musik aus Europa und Nordamerika verbinden würden, gibt es natürlich auch die musikalischen Beiträge aus dem Iran. Manchmal erinnert ein Song subtil daran, dass es sich hier nicht um eine typische Funk-/Jazz-Aufnahme handelt. So ist das Hackbrett kein Instrument, das man in diesem Genre erwarten würde. Doch hier taucht es auf, um der Musik eine andere Textur zu verleihen. Es mag nicht nach einem großen Unterschied klingen, aber sein unverwechselbarer Klang verändert in diesem Kontext die Musik deutlich und trägt zur Einzigartigkeit des Sounds der Band bei.
"Miravi", der vierte Song auf der CD, ist wahrscheinlich der Track, der seine iranische Herkunft am deutlichsten erkennen lässt. Der Fluss der Musik, das Hackbrett im Vordergrund und die Schlichtheit des Stücks vermitteln ein Gefühl, das weit von allem entfernt ist, was wir bisher gehört haben. Jeder Track auf dem Album ist anders. Dieser hier zeichnet sich durch seine schlichte Schönheit aus. Es gibt nicht viele Bands, die uns so auf eine musikalische Reise mitnehmen können und die gleichzeitig ein solches Stück mit gleicher Virtuosität spielen können.
In einem Kommentar zum Album nennt Perez das, was ihre Band tut, "die Chance, dem Westen die positiven Aspekte der iranischen Kultur nahezubringen". Eine Band kann kaum etwas tun, um die Politik einer Regierung zu beeinflussen. Aber sie kann viel tun, um die Menschen aufzuklären. Während die US-Regierung den Iran zu verteufeln versucht, hält Mitra Sumara dagegen und will den Menschen das einzigartige musikalische Erbe dieses Landes nahebringen.
"Tahdig" von Mitra Sumara ist eine wunderbare musikalische Kollektion, die Hörer aller Couleur und Interessen begeistern wird. Damit ist das Album das perfekte Instrument, um Brücken zwischen zwei Ländern und Kulturen zu bauen, die sich über so lange Zeit hinweg entfremdet haben.
Richard Marcus
© Qantara.de 2018
Aus dem Englischen von Peter Lammers