Friedensfachkräfte erwünscht

Die Umsetzung des Friedensabkommens in Sudan ist eine gigantische Herausforderung für Regierung und Bevölkerung am Nil. Die internationale Gemeinschaft unterstützt mit Geld und Arbeit.

Von Lennart Lehmann

​​Kürzlich fand - zum ersten Mal seit den Ausschreitungen, die dem Tod des langjährigen südsudanesischen Rebellenführers John Garang folgten - in Khartoum eine friedliche Demonstration statt. Etwa 2000 Menschen beteiligten sich an einem Protestzug gegen Gewalt an Frauen. Ausländische Beobachter sehen darin ein positives Stimmungssignal auf dem Weg zur Implementierung des Friedensabkommens (Comprehensive Peace Agreement CPA).

Abgesehen von dem ungelösten Konflikt in Darfur stellt die Umsetzung des Friedensabkommens vom Januar 2005 zwischen den Rebellen aus dem Süden und der Regierung in Khartoum nach 21 Jahren Bürgerkrieg das Land schon jetzt vor riesige Aufgaben.

Bevor der Süden in fünf Jahren über seine Unabhängigkeit abstimmt, wollen 4,2 Millionen Binnenflüchtlinge in ihre Heimatorte zurückgekehrt sein. Dazu kommen über eine Million Exilanten aus dem Ausland.

Die jetzt einsetzende Migration im größten Land Afrikas hat laut UNDP größere Ausmaße als in Afghanistan. Dementsprechend muss eine Infrastruktur aufgebaut werden. Soldaten der Südsudanesischen Befreiungsarmee sollen wieder in die Gesellschaft integriert werden. Gleichzeitig mangelt es an qualifiziertem Personal, das diese Aufgaben bewältigt.

"Mit den Arabern geflirtet"

Neben immensen logistischen Problemen ist die Repatriierung auch Quelle neuer Spannungen. Vielen Südländern ist nach Jahrzehnten Bürgerkrieg und Leben in den Flüchtlingslagern um Khartoum die Heimatregion fremd geworden. Wer in den Flüchtlingslagern im muslimisch-arabischen Norden aufwuchs, wird es schwer haben, im mehrheitlich christlich-englisch dominierten Süden Fuß zu fassen.

Auch weigern sich Flüchtlinge, in teilweise vollkommen zerstörte Gebiete zu ziehen. Dort wiederum misstrauen manche den Rückkehrern aus dem Norden. Sie werfen ihnen vor, "mit den Arabern im Norden geflirtet zu haben, während die Bevölkerung im Süden bombardiert wurde", wie Alain Leroc beobachtet hat.

Der gebürtige Kameruner ist Koordinator des Zivilen Friedensdienstprogramms einer deutschen Organisation in Khartoum, die nicht genannt werden möchte. Er ist sich sicher: "Für Friedensfachkräfte ist jetzt der richtige Zeitpunkt, im Sudan zu sein."

Die Aufgabe solcher Friedensfachkräfte aus dem In- und Ausland ist vielfältig. "Schwerpunkt der Friedensarbeit ist die friedliche Rückführung der Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge. Dabei sind neue Konflikte zu vermeiden. Dazu kommt die Förderung der Dialogbereitschaft ehemals verfeindeter Stämme. Weiterhin haben so genannte Friedensjournalisten die
Aufgabe, über lokale Medien Feindbilder abzubauen und Konflikte zu entschärfen."

Eskalationen vermeiden

Beteiligt sind lokale, aber auch überregionale Akteure, wie die britische Organisation Responding to Conflict (RTC). "Wir bieten keine Konfliktlösungen an", erklärt RTC Gründer Simon Fisher. "Unser erster Schritt ist, Wissen über Konflikte zu vermitteln. Wir helfen Menschen zu artikulieren, welche Erfahrungen sie in Konflikten gemacht haben.

"Dann erarbeiten wir eine neue Perspektive auf ihre Situation. Unser Ausgangspunkt ist nicht religiöser oder ethnischer Art. Den Ansatz bieten die Leute, die zu uns kommen. Wenn Gruppen sich also seit langem gegenseitig hassen, versuchen wir zu erarbeiten, wie sie trotzdem zusammen leben können. "

Erst kürzlich kam es im Süden des Landes zu schweren Spannungen, nachdem Nomaden ihre Rinder über Ackerland der Bevölkerung der Azande getrieben hatten. Lerocs Leute versuchen, vermittelnden Organisationen durch "Training on the Job" dabei zu helfen, solche Eskalationen künftig zu vermeiden.

"Wir bringen die Menschen dazu, ihre traditionellen Konfliktlösungsmethoden zu reaktivieren", sagt Leroc. Das Engagement von Ausländern ist erwünscht.

"Friedensfachkräfte sind keine Missionare. Aber sie kommen freiwillig in solche Krisengebiete. Das ist wie eine Botschaft an die Menschen vor Ort, sich für Frieden zu engagieren, trotz der Gefahren."

"Aber über Frieden zu reden reicht nicht", sagt Leroc. "Man muss Frieden und Versöhnung leben." Eine Herausforderung ist für die "Peaceworker", wie sie im Sudan genannt werden, gemeinsame Interessen der verfeindeten Parteien zu finden. Leroc: "Das Individuum muss etwas vom Frieden haben. Frieden kann man nicht essen. Man muss erreichen, dass die Leute sich psychisch stabilisieren und was im Magen haben."

Lennart Lehmann

© Qantara.de 2006

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