Helfer bleiben skeptisch
Sudan gibt den Vereinten Nationen endlich nach und gestattet 3.000 UN-Truppen Zugang nach Darfur. Doch nach zahlreichen Enttäuschungen in der Vergangenheit bleiben Hilfsorganisationen skeptisch. Marc Engelhardt berichtet.
Das neueste Flüchtlingslager vor den Toren Nyalas im Süden Darfurs heißt ausgerechnet El Salaam, zu Deutsch: Frieden. Gut 10.000 Darfuris, vor allem Frauen und Kinder, leben hier unter Plastikplanen, die notdürftig auf ein paar Holzstöcken befestigt vor den Elementen schützen sollen.
"Hier kommen praktisch stündlich neue Flüchtlinge an, die vor der neuen Gewalt in ihren Dörfern weglaufen", berichtet Harry Donsbach, der für das Hilfswerk Worldvision arbeitet und gerade aus Darfur zurückgekommen ist.
Anders als in den etablierten Camps gibt es in El Salaam keine Hütten und keine Zelte. Immer wieder sind Wasser und Nahrungsmittel knapp. Denn für die wenigen Hilfsorganisationen, die wie Worldvision noch in Darfur aktiv sind, ist es wegen immer neuer Überfälle täglich schwieriger, den Flüchtlingen zu helfen.
"Wir haben alleine in den vergangenen Wochen sechs Projektfahrzeuge verloren, an wen auch immer, so genau kann man das inzwischen ja nicht mehr sagen." Außer den von der Regierung unterstützten Dschandschawid und den zersplitterten Rebellengruppen machen inzwischen auch einfache Banditen ohne jegliche politische Agenda Jagd auf Flüchtlinge und Helfer.
Forderung nach robustem Einsatz
Dass die 3.000 UN-Beobachter und Polizisten, deren Kommen Khartum nach langem Zögern endlich zugestimmt hat, wirklich Frieden nach El Salaam bringen werden, glaubt eigentlich niemand, der hier arbeitet.
Desiré Assogbavi, der die Entwicklungsorganisation Oxfam bei der Afrikanischen Union (AU) vertritt, zuckt hörbar mit den Achseln. "Darfur braucht einen robusten Militäreinsatz mit mindestens 20.000 Soldaten, so wie es der Sicherheitsrat beschlossen hat. Die 3.000 können allenfalls vorbereitend tätig sein."
Außer mehr Männern, die die 7.000 Soldaten unter Mandat der Afrikanischen Union verstärken sollen, fordert Assogbavi auch mehr Ausrüstung. Gepanzerten Fahrzeugen und sechs Kampfhubschraubern hat Sudans Regierung zunächst zugestimmt, Assogbavi glaubt nicht, dass das reicht.
Vereinbart hatte Präsident Omar Hassan el Baschir das alles bereits mit dem damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan im November. Doch die Regierung in Khartum, deren Armee an der Jagd auf Rebellen und die panische Zivilbevölkerung beteiligt ist, wollte sich schon kurze Zeit später nicht mehr daran erinnern.
Die letzte Phase des Drei-Stufen-Plans, die Entsendung einer 20.000 Mann starken robusten UN-Truppe, lehnt Khartum auch jetzt noch ab. Doch die Sanktionen, die die USA zuletzt immer lauter forderten, dürfte Khartum dennoch vorläufig umgangen haben.
Unmögliche Mission
Dass die gut 7.000 Soldaten unter Mandat der Afrikanischen Union zu wenige sind, zu schlecht ausgerüstet und chronisch unterfinanziert, bestreitet nicht einmal die Afrikanische Union selber. Seit Monaten gehört sie deshalb zu den stärksten Fürsprechern einer gemischten Truppe, der auch UN-Blauhelme angehören sollen.
In Otash, einem weiteren Flüchtlingslager nahe Nyala, sollen gerade mal vier AU-Soldaten 55.000 Flüchtlinge bewachen, "vom Ausmaß her praktisch eine deutsche Kleinstadt, mitten im Nichts", so Donsbach.
Auf der Nyala zugewandten Seite, wo die AU-Soldaten ihre Baracke haben, ist es vergleichsweise sicher. "Aber wer das Lager auf der Rückseite verlässt, dort, wo es noch ein bisschen Brennholz gibt, riskiert überfallen, vergewaltigt oder ermordet zu werden."
Die AU-Soldaten, die alleine mit zwei Jeeps die Sicherheit von Tausenden gewährleisten sollen, können selbst in Sichtweite des Lagers keine Sicherheit garantieren.
Kein Verlass auf Khartum
Dass Khartum es wirklich ernst meint mit seiner Zusage, erste UN-Einheiten nach Darfur zu lassen, kann Oxfam-Mann Assogbavi noch nicht glauben. "Khartum hat schon oft heute ja und morgen nein gesagt – ich glaube das Ganze erst, wenn ich die UN-Truppen mit eigenen Augen in Darfur sehe."
In dem seit vier Jahren währenden Konflikt, bei dem mindestens 200.000 Menschen ums Leben gekommen sind und fast zweieinhalb Millionen vertrieben wurden, hat Khartum schon oft Rückzieher gemacht, wo es kaum möglich schien.
Zudem befürchtet Assogbavi, dass die sudanesischen Behörden den tatsächlichen Einsatz der UN in Darfur so lange wie möglich verzögern werden. Schon für die AU-Truppen standen Jeeps monatelang im Hafen, weil angeblich Zollpapiere fehlten.
Immer neue Formulare machen Hilfsorganisationen täglich das Leben schwer. Dazu kommt, dass die UN-Truppen in vielerlei Hinsicht auf die Regierung angewiesen sind. So muss Khartum ihnen Land und Wasserrechte zuweisen. Und das kann dauern.
Schließlich kommt die UN-Bürokratie hinzu. Die Vereinten Nationen haben bislang weder konkrete Truppenzusagen noch Geld. Der für die UN-Friedensoperationen zuständige Jean-Marie Guehenno will vor allem Soldaten aus afrikanischen oder arabischen Ländern für die Mission gewinnen, was die Vorbereitungen zusätzlich erschweren dürfte.
Drei bis vier Monate, so die Schätzungen, dürfte es dauern, bis die Mission zumindest auf UN-Seite überhaupt startklar ist.
Marc Engelhardt
© Qantara.de 2007
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