Islam im Blickpunkt der GTZ
In der Entwicklungspolitik findet ein Umdenken statt. Anstelle der reinen Förderung technokratischer Reformen, sollen auch sozio-kulturelle Faktoren einbezogen werden. Ein Schwerpunktthema ist der Islam. Heinrich Bergstresser nahm an einer Konferenz der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) teil.
In den vergangenen Jahren ist in der deutschen wie auch in der internationalen Entwicklungspolitik Ernüchterung eingezogen. Denn nach vier Jahrzehnten teils massiver finanzieller und technischer Hilfe fallen die Ergebnisse insgesamt recht mager aus.
Das gilt insbesondere für Afrika. Für viele Jahre zielte Entwicklungshilfe auf technokratische Reformen und Stabilisierung staatlicher Strukturen. Seit einiger Zeit setzt sich aber ein anderer Blickwinkel durch, der besonders den weiten und vielfältigen sozio-kulturellen Bereich in die schwierige Aufgabe der Entwicklungspolitik einbezieht.
Der Islam ist ein Schwerpunkt dieser neuen Sichtweise, und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, GTZ, unternimmt erhebliche Anstrengungen, den Islam in ihre Projektarbeit nutzbringend einzubauen, wie eine Konferenz in Berlin zu zeigen versuchte. Ein Fazit: Ein geschlossenes Konzept für den Dialog mit dem Islam kann es aber nicht geben.
In vielen Staaten Afrikas ist der Islam ein wesentliches Element von Kultur und Wertvorstellungen. Besonders die religiös geprägten Wertvorstellungen beeinflussen in hohem Maße den Alltag und das Denken der Muslime. Lokale Überlieferungen und Gebräuche sind ebenso wichtig wie die Vorschriften des islamischen Rechts.
Kulturelle Vielfalt als Bereicherung wahrnehmen
Diesen Zusammenhang zu erkennen und landesspezifische Besonderheiten gerade auf der sozio-kulturellen Ebene zu berücksichtigen, ist mittlerweile fester Bestandteil deutscher Entwicklungspolitik, auch wenn die Umsetzung erst am Anfang steht. Entwicklungspolitik sei immer auch ein interkulturelles Projekt, so die Islambeauftragte im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, BMZ, Gudrun Grosse-Wiese:
"So sind kulturelle Vielfalt und Unterschiedlichkeit keinesfalls eine Bedrohung, vielmehr eine Bereicherung. Wir wollen durch die Unterstützung von Entwicklungsprozessen zu Respekt, Schutz und Erfüllung der Menschenrechte ebenso wie zur Armutsbekämpfung beitragen. Erfahrungen zeigen, dass eine Zusammenarbeit, die an konkreten Problemstellungen ansetzt, hier eher Fortschritte verspricht als ein genereller essentialistischer Dialog, der Unterschiede nur schärfer hervortreten lässt."
Das entwicklungspolitische Wissen über den Islam in Afrika ist noch immer sehr gering. So gab es erst in jüngster Zeit Untersuchungsberichte zum islamischen Stiftungswesen auf dem Kontinent, das fast ausschließlich von Regierungen der islamischen Kernländer im arabischen Raum gesponsert wird.
Projekte mit Islambezug
In Mali unterstützt die GTZ Projekte zum "Islamischen Bankwesen", das den Bauern und Kleinunternehmern den Zugang zu Krediten im Rahmen ihrer islamisch geprägten Wertvorstellungen erleichtern soll.
In Mauretanien berät die GTZ die Regierung bei der Umsetzung internationaler Umwelt- und Klimakonventionen im Rahmen einer islamischen Gesellschaftsordnung.
Und im Senegal unterstützt die deutsche Entwicklungshilfe Projekte zur Dezentralisierung der Verwaltung.
Senegal ist ein islamisch geprägtes Land, in dem demokratische Strukturen ziemlich fest verankert sind, und gilt im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Staaten als politisch stabil.
Senegal als Vorbild
Was für viele Beobachter überraschend sein mag, ist für den Senegalesen Mamadou Diouf eine logische Konsequenz aus der intelligenten politischen Zusammenarbeit zwischen dem Staat, den religiösen Führern, den wichtigsten Familienclans und den traditionellen islamischen Bruderschaften.
Und er stellt heraus, dass der erste Staatspräsident Leopold Senghor als Katholik zwanzig Jahre an der Spitze des Staates stand und die Grundlagen für ein stabiles System legte.
So positiv das Verhältnis zwischen Staat und Religion im Senegal auch sein mag, in vielen Gesellschaften Afrikas findet eine politische und religiöse Polarisierung der Gesellschaft statt. Das heißt, es findet eine Politisierung des Religiösen und eine Religionisierung des Politischen statt.
Kein afrikanisches Problem
So zum Beispiel in Nigeria, aber auch in Kenia. Darauf weist der Islamwissenschaftler Ulrich Rebstock von der Universität Freiburg hin, sieht dies aber nicht als spezifisch afrikanisches Problem. Vielmehr sei dies eine Reaktion auf das politische Vakuum, das schwache Regime in Afrika hinterlassen, so Rebstock:
"Ich glaube, es ist Ausdruck einer komplexer werdenden politischen und religiösen Vielfalt, die nicht mehr unter dem Diktat korrupter säkularer Regime steht, sondern die eine Art politischen Ausdruckswillen behaupten. Es gibt also die religiösen, kulturellen, ethnischen, tribalen Gemeinschaften, die die schwächer werdenden Regime ersetzen, das heißt, die dort Ausdrucksmöglichkeit für sich reklamieren und das zunehmend auch schaffen."
Heinrich Bergstresser
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