Vielfalt, Dialog und Zusammenhalt
Eine junge Palästinenserin mit Kopftuch, eine Mauretanierin im Nationalgewand und eine Libanesin im Minirock sitzen mit einem Israeli und einem Ägypter beim Mittagessen an einem Tisch. Sie führen ein lebhaftes und ausgelassenes Gespräch.
Die Mittagspause unterbricht die Seminare, die die 43 jungen Frauen und Männer aus elf Mittelmeeranrainerstaaten besuchen, und die unter anderem aus Ägypten, Israel, Tunesien, Algerien, dem Libanon, Syrien, den Palästinensischen Autonomiegebieten und Mauretanien kommen.
Die jungen Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren reisten aus ihren Heimatländern zum Sitz des Goethe-Instituts nach Alexandria, wo sie vom 09. bis zum 15. März 2007 an einer Konferenz teilnahmen. Sie bereiteten sich auf das erste Euro-Mediterrane Jugendparlament und auf die parlamentarische Versammlung vor, die vom 26. Mai bis 03. Juni 2007 in Berlin stattfinden wird.
In Berlin treffen sie auf die übrigen Teilnehmer aus den EU-Mitgliedstaaten, sodass ihre Zahl auf 102 Teilnehmer und Teilnehmerinnen anwächst. Es werden Themen wie Migration, Arbeit, Internationalisierung von Kunst und Kultur, Globalisierung, die Rolle der Medien sowie das eigene Bild vom Anderen diskutiert.
Übung parlamentarischer Diskussionsformen
Nach schriftlichen Prüfungen, Interviews und Tests der Englischkenntnisse, wählten die Goethe-Institute in Nordafrika und dem Nahen Osten in Zusammenarbeit mit der Anna-Lindh-Stiftung für den Dialog der Kulturen sowie mit der Euro-Mediterranean Youth Platform die Bewerber aus und bereiteten sie in Seminaren auf die parlamentarische Sitzung vor.
Während des einwöchigen Aufenthalts der jungen Menschen in Alexandria standen das gegenseitige Kennenlernen, die Teilnahme an verschiedenen Seminaren, Arbeitsgruppen und Vorlesungen sowie die Besichtigung der örtlichen Sehenswürdigkeiten auf der Tagesordnung. Die jungen Teilnehmer diskutierten, geleitet von Mediatoren aus allen euro-mediterranen Ländern, eine Reihe von Fragen zur euro-mediterranen Zusammenarbeit.
In fünf Arbeitsgruppen übten sie parlamentarische Diskussionsformen, indem sie über Fragen, wie z.B. das vorherrschende Bild der Europäischen Union in den Mittelmeeranrainerstaaten, Lösungsansätze für den Darfur-Konflikt, die Rolle der Jugend bei der Lösung von euro-mediterranen Auseinandersetzungen sowie die Gründung von nachhaltigen Netzwerken zwischen jungen Leuten und Jugendorganisationen in den euro-mediterranen Staaten debattierten.
Vielfalt, Dialog und Solidarität fördern
"Es gibt positive Zeichen, dass ein besonderes Gefühl zwischen den Teilnehmern trotz verschiedener nationaler Zugehörigkeiten und trotz unterschiedlicher sozio-ökonomischer Verhältnisse entsteht. Dies geschieht, wenn sie voneinander lernen. Kurz nach ihrer Ankunft gingen sie aufeinander zu und erzählten von sich und ihrem Leben zu Hause. Das Projekt steht nun einmal unter dem Motto 'Vielfalt, Dialog, Zusammenhalt'. Das sind unter anderem auch die Projektziele. Zudem sollen Stereotype beseitigt und Brücken geschlagen werden", so Stephan Winkler vom Goethe-Institut.
"In den Diskussionsrunden versuchen wir die Aspekte zu berücksichtigen, die für uns alle eine gemeinsame Grundlage sein können. Wenn wir den Anderen sehen, versuchen wir nicht zu verallgemeinern und nicht mit Stereotypen zu arbeiten. Es ist doch spannend, wenn junge Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Lebensverhältnissen sich treffen, ihre Erfahrungen miteinander machen und dabei die ihnen bekannten Bilder aus den Medien beiseite lassen", meint Hassan aus Ägypten, der gerade sein Übersetzerstudium an der Azhar-Universität abgeschlossen hat.
Das Ziel heißt voneinander lernen
Für Almo aus Israel ist es das erste Mal, dass er Ägypten besucht und sich mit Arabern trifft. Und es erstaunt ihn, was er hier erlebt. Bisher habe er nicht die Gelegenheit gehabt, sich mit arabischen oder gar palästinensischen jungen Menschen zu unterhalten, obwohl sie auch die gleiche hebräischsprachige Universität besuchen, an der er internationale Politikwissenschaft studiert.
Er betrachtet das Jugendparlament als einen geschützten Ort für alle Teilnehmer – fern von den politischen Spannungen zwischen seinem Land und mehreren anderen Ländern. Zudem glaubt er, dass die Jugend – anders als die Regierungen – Eintracht zu stiften vermag. Wenn er nach Hause zurückkehrt, wird er viele neue Freundschaften geschlossen haben.
Für die junge Libanesin Nour ist es eine besondere Erfahrung, da sie zum ersten Mal jungen Frauen aus Mauretanien begegnet. Vorher wusste sie nicht einmal, dass Mauretanien ein arabisches Land ist. Zudem ist die Konferenz eine Möglichkeit, um das stereotype Bild, das man vom Anderen hat, zu beseitigen. So etwa habe sie vorher geglaubt, die Jugend Ägyptens sei konservativ, doch sie erlebt sie jetzt als offen und habe sich zudem darüber gewundert, dass viele junge Ägypter rauchen.
Beeindruckende Energie und Leidenschaft
Am meisten Spaß machte den jungen Leuten die Idee von der "Mittelmeergemeinschaft". Hierfür brachte jeder Teilnehmer nationale Kleidung und Gerichte sowie Bilder aus seinem Heimatland mit und stellte diese den anderen vor.
Philipp Scharf von der Heinz-Schwarzkopf-Stiftung war von der Energie und Leidenschaft der jungen Leute beeindruckt. Das hatte er so nicht erwartet. Die Heinz-Schwarzkopf-Stiftung ist an der Organisation und Betreuung des Jugendparlaments beteiligt. Sie wählt die europäischen Teilnehmer aus, die die andere Hälfte des Jugendparlaments stellen sollen. Die Teilnehmer werden in den parlamentarischen Sitzungen in Berlin eine Reihe von Empfehlungen und Ideen ausarbeiten. Diese sollen den Regierungsvertretern und zuständigen Institutionen vorgelegt werden, mit dem Ziel Projekte gemeinsam zu planen und umzusetzen.
Nelly Youssef
Aus dem Arabischen von Raoua Allaoui
© Qantara.de 2007
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www
Website Euro-Mediterranes Jugendparlament
Website Goethe-Institut Ägypten
Website Anna-Lindh Stiftung