Sehnsucht nach purem Leben
Die Liebe macht es möglich - das versöhnliche, humane Zusammenleben zwischen den Kulturen. Dies ist die eindeutige Botschaft des mit viel Humor und Lebensfreude erzählten Films "Sabah" der syrisch-kanadischen Regisseurin Ruba Nadda. Fahimeh Farsaie stellt den Film vor.
Als sich die 40-jährige attraktive Protagonistin Sabah (Arsinée Khanjian) in einen ebenfalls gut aussehenden und sympathischen Mann verliebt, verwandelt sich ihr bis dato eintöniges Leben in ein buntes und nicht ganz gefahrloses Abendteuer.
Es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch schon bald beginnen die Probleme, denn der kanadische Geliebte Sabahs ist Christ und sie eine Kopftuch tragende traditionelle Muslimin. Und entsprechend dem herkömmlichen Muster im so genannten "Migrantenkino" ist da auch der strenge Bruder Majid (Jeff Seymour), der Sabahs Leben lückenlos überwacht.
Dennoch ist Sabah kein typischer Migrantenfilm, der Klischees projiziert. Zwar verstößt Majid die Hals-über-Kopf-verliebte Schwester aus der Familie, doch es kommt nicht zu Gewalttätigkeiten. Ruba Nadda zeigt vielmehr in einem sanften Rhythmus die "innere Welt" der arabischen Einwanderer in Toronto, den kulturell bedingten familiären Zusammenhang sowie Liebe und Zuneigung in einer orientalisch gefärbten Kultur.
Etwas langatmig erscheint allerdings besonders der erste Teil, in dem die Protagonistin ihren Geliebten Stephen (Shawn Doyle) über diverse arabische Sitten aufgeklärt. Die besinnliche Annährung des Liebespaares - auch als Ausdruck der Eingewöhnung an die jeweils andere Kultur – kommt gemächlich daher. Beinahe verpasst der Zuschauer den Höhenpunkt der Geschichte, doch dank der perfekt ausgesuchten Örtlichkeiten in Toronto, der historischen Kreuzung von Front und Jarvis, an der die zwei Liebenden sich zum ersten Mal küssen, entgeht er knapp dieser Gefahr.
Opfer einer überholten Tradition
Das äußere Zeichen der bevorstehenden Auflösung nimmt man dennoch rechtzeitig wahr, wenn der einst unbeugsame Bruder Majid während eines klärenden Gesprächs mit seiner Schwester zu weinen beginnt. Majid vergießt Tränen, nicht aus Scham oder Trauer, sondern aus Selbstmitleid: Der Hüter der Familienehre sieht auch sich selbst als Opfer einer längst überholten Tradition, die in liberalen Gesellschaften nicht praktizierbar ist.
Die 32-jährigen Regisseurin Ruba Nadda, die bereits einige düstere Liebesgeschichten verfilmte, zeigt in "Sabah" Aspekte einer arabischen Kultur fernab von Terrorismus, Misshandlungen oder Folter. Auch verzichtet sie bewusst auf die bildliche Darstellung der Auswirkungen der Ereignisse des 11. September auf die islamisch-arabische Gemeinden - ein Thema, das in vielen Migrantenfilmen der vergangenen Jahren thematisiert wurde - wie etwa in "Folgeschäden" von Samir Nasr, in Yasmin von Kenny Glenaan oder in "Being Osama" des gleichfalls in Kanada lebenden Libanesen Mahmoud Kaabour, der auf dem kanadischen Filmfestival für junge Regisseure als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde.
"Wahrscheinlich gibt es diese Erwartung, dass eine arabische Filmemacherin diese Themen aufgreifen muss, selbst von Menschen, die Sympathie für die Araber in Nordamerika haben und ihre Probleme kennen. Gewissermaßen ist der Araber, der sich permanent dem Verdacht des Terrorismus aussetzen muss, bereits selbst zu einem Klischee geworden. Ich glaube, wir müssen uns dagegen wehren, dass der 11.9. definiert, was es bedeutet, ein Araber in Nordamerika zu sein", so die Regisseurin Ruba Nadda in einem Interview.
Um das vielseitiges Bild einer "Araberin" zu vermitteln, erzählt Nadda die Geschichte ihrer Hoffnung, ihres Vertrauens, des Verlangens und der Liebe. Die bekannte Schauspielerin Arsinée Khanjian (ARARAT, WAHRE LÜGEN, beide von Atom Egoyan) verkörpert wahrhaftig und gekonnt jene Araberin, die sich nach purem Leben sehnt. Dabei verleugnet sie nicht ihre von ihrer eigenen Kultur geprägten humanen Werte. Und das macht auch die Liebe möglich.
Fahimeh Farsaie
© Qantara.de 2006
Sabah, Regie Ruba Nadda, Kanada 2005, 90 Minuten
Darsteller: Arsinée Khanjian, Jeff Seymour, Shawn Doyle
Qantara.de
Interview Samir Nasr
Klischees benutzen, um sie zu brechen
Der Film "Folgeschäden" von Samir Nasr erzählt die Geschichte eines deutsch-algerischen Ehepaares nach dem 11. September in Deutschland. "Folgeschäden" begeisterte nicht nur Tausende Zuschauer und viele Filmkritiker, der Drehbuchautor erhielt auch den ARD-Medienpreis CIVIS 2005 für das beste Drehbuch. Fahimeh Farsaie sprach mit dem Regisseur.
Interview Mahmoud Kaabour
Being Osama - "Was ist ein Name?"
Der Film "Being Osama" ist eine dokumentarische Nahaufnahme der arabischen Gemeinde in Kanada in der Zeit nach dem 11. September 2001. Sechs Männer werden portraitiert, deren Gemeinsamkeit darin besteht, Osama zu heißen. Mit Mahmoud Kaabour sprach Lewis Gropp.
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Website von Ruba Nadda (engl.)