Hilfe aus Deutschland

Viele deutsche NGOs haben langjährige Kontakte in den Libanon und leisten humanitäre Hilfe für Flüchtlinge, die sich im Südlibanon in Sicherheit bringen.

Von Martina Sabra

Nicht nur deutsche Privatunternehmen und Institutionen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit hatten sich nach dem Ende des libanesischen Bürgerkrieges vor 16 Jahren am Wiederaufbau beteiligt. Auch mehrere kirchliche und private Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland haben im Libanon wichtige Aufbauarbeit geleistet.

Sie überweisen keine großen Beträge, aber sie verfügen in der aktuellen Krise über wichtige Kontakte, um humanitäre Hilfe gezielt zu kanalisieren. Das Evangelische Missionswerk in Stuttgart (EMS) zum Beispiel unterstützt seit vielen Jahren über eine Partnerkirche im Libanon die so genannte "Schneller-Schule" in der libanesischen Bekaa-Ebene.

Andreas Maurer, Nahostreferent des Missionswerks, ist die Anspannung in diesen Tagen anzumerken. Erst nach dem morgendlichen Routineanruf beim Verwalter der Schule in Khirbet Kanafar, und mit der beruhigenden Nachricht, dass auch in der vergangenen Nacht trotz heftiger Bombardements in der Umgebung bei "Schnellers" alles heil geblieben ist, entspannt sich Maurer:

"Zum Glück sind derzeit Ferien, sonst wären wir in einer sehr, sehr schwierigen Situation. Wir hoffen, dass es allen Kindern gut geht und fühlen mit ihnen, weil die jetzt eigentlich erholsame Ferien verdient hätten, und das ist im Moment niemandem im Libanon möglich."

Flüchtlingslager statt Internat

Rund 180 Schüler und Schülerinnen leben normalerweise im Internat der libanesischen Schneller-Schule in Khirbet Kanafar. Als Mitte Juli die israelischen Angriffe begannen und sich von Süden und Westen her eine Flüchtlingswelle abzeichnete, öffnete die Schule spontan ihre Türen.

Mittlerweile sind über 300 Menschen in der Schule untergebracht. Es gibt zu wenig Betten, zu wenig Nahrungsmittel, zu wenig Medikamente. Auch das Wasser könnte knapp werden, da die Pumpen nicht funktionieren, meint Maurer.

"Die Lage ist sehr angespannt. Vor allem sind die Menschen natürlich verzweifelt, sie leben in Angst. Viele haben Angehörige zurückgelassen, häufig die Männer, die auf Hab und Gut aufpassen und die die Landwirtschaft, soweit das irgend möglich ist, versorgen. Das ist für viele Menschen dort die einzige Einnahmequelle. "

Das Evangelische Missionswerk Süd rief angesichts der prekären Lage bereits vergangene Woche zu Spenden auf. Außerdem hat das EMS die Bundesregierung aufgefordert, sich energischer für ein Ende der Gewalt in Nahost einzusetzen:

"Wir fordern ein Ende aller Gewalt, und wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand, um im Libanon eine humanitäre Katastrophe auch abzuwenden", so Maurer. "Wir sind aber auch der Meinung, dass die Art und Weise, wie Israel auf die - in der Tat zu verurteilenden - Provokationen und Angriffe der Hizbollah und Hamas in einem Maß reagiert hat, das mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbaren ist.

Während Andreas Maurer auf eine kleine, aber funktionierende Institution zurückgreifen kann, organisiert der Sozialarbeiter Said Arnaout in Tübingen Hilfsaktionen von seinem Wohnzimmer aus.

Freundschaften bewähren sich

Vor rund zehn Jahren gründete der Deutsch-Libanese gemeinsam mit deutschen Freunden im Schuf-Gebirge südlich von Beirut das im Libanon einmalige, politisch und religiös unabhängige deutsch-libanesische Begegnungszentrum "Dar Assalam" ("Haus des Friedens").

Rund 4000 Menschen aus Deutschland, Belgien, der Schweiz und Schweden haben sich dort in den vergangenen Jahren im Rahmen soziokultureller Bildungsreisen über den Libanon und die nahöstliche Region informiert.

Viele der dabei entstandenen Freundschaften bewährten sich jetzt, erzählt Said Arnaout und hält ein Fax hoch: eine Mitfahrerin hat spontan 2000 Euro gespendet. Sie sind für insgesamt 100 Flüchtlinge bestimmt, die das "Haus des Friedens" spontan aufgenommen hat.

"Wir haben gestern per Telefon eine Order gegeben, dass 30 Decken und Bettwäsche aus der Begegnungsstätte zum nächsten Krankenhaus gespendet werden, weil es bei diesen kleinen Krankenhäusern an allem fehlt. Die sind nicht vorbereitet auf so eine große Anzahl von Patienten."

Jüdisch-arabische Verständigung

Auch die rund 100.000 Bewohner der palästinensischen Flüchtlingslager im Südlibanon sind von den massiven Angriffen Israels betroffen. Hier engagiert sich seit gut zehn Jahren der Verein "Flüchtlingskinder im Libanon", mit Sitz in Tübingen.

Über 80 schulpflichtige Kinder werden mittlerweile durch langjährige Patenschaften aus Deutschland und der Schweiz gefördert. Der Verein hat mehrere Arztpraxen eingerichtet, einen Kindergarten gebaut und zahlreiche palästinensische Sozialarbeiterinnen fortgebildet.

Mit einem Ausbildungsstipendium für junge Mädchen, das die verstorbene Berliner Jüdin Rose Wainer gestiftet hat, will der Verein außerdem zeigen, dass jüdisch-arabische Verständigung trotz allem möglich ist. Viele Kinder konnten in den vergangenen Jahren dank des Vereins eine Schule besuchen und eine Zukunftsperspektive entwickeln.

Doch der Krieg werfe die Arbeit nun um Jahre zurück, klagt Ingrid Rumpf vom Verein "Flüchtlingskinder im Libanon": "Es sind noch keine Toten und keine Opfer in unserer Partnerorganisation zu beklagen, aber sie sind insofern betroffen, als schon hunderte Familien in den südlichen Flüchtlingslagern und in Beirut Unterschlupf und Aufnahme gesucht haben und die irgendwie versorgt werden müssen."

Enttäuschung für Jugendliche

Nicht nur die Patenschaften und Sozialeinrichtungen sind in Gefahr: Auch das alljährlich stattfindende deutsch-palästinensische Jugendworkcamp, bei dem Jugendliche aus Deutschland in den libanesischen Palästinenserlagern Ferienfreizeiten für Kinder anbieten und das in wenigen Tagen beginnen sollte, musste abgesagt werden.

Eine große Enttäuschung für die Jugendlichen, die sich fast ein Jahr auf ihren Einsatz vorbereitet hatten. Ingrid Rumpf findet es wichtig, in der aktuellen Situation nicht nur Spenden zu sammeln, sondern auch politisch Stellung zu nehmen.

Der Verein "Flüchtlingskinder im Libanon" hat an die Bundesregierung appelliert, nicht nur den jüdischen Staat zu schützen, sondern auch seine unmittelbaren Nachbarn, die Palästinenser. Ohne eine gerechte Lösung des Palästinakonfliktes sei auch im Libanon keine Lösung möglich, glaubt Ingrid Rumpf:

"Die ohne Zweifel legitimen Interessen Israels stehen bei uns natürlich aufgrund unserer Geschichte im Vordergrund. Aber dass zum Beispiel seit Jahrzehnten eine Besatzung mit allen Folgen stattfindet, mit dem Siedlungsbau von 450.000 Siedlern auf besetztem Gebiet, dass eine Mauer gezogen wird, auf palästinensischem Gebiet … Die gesamte Unterdrückung und das ganze Leid der Palästinenser über Jahrzehnte wird hier sehr wenig und nur sporadisch zur Kenntnis genommen."

Martina Sabra

© DEUTSCHE WELLE 2006

Qantara.de

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Verein Flüchtlingskinder im Libanon