Die Königinnen des Islam
Die indonesische Frauenorganisation Rahima kämpft für Demokratie und gegen eine zu enge Auslegung der Scharia. Damit wollen die Vorkämpferinnen für Frauenrechte dem Vormarsch des Fundamentalismus Einhalt gebieten. Christina Schott stellt die Organisation vor.
"Früher galten die Königinnen im Islam als Symbol für die Stärke der Frauen. Heute verbindet man damit einen Harem und der steht für die Unterdrückung und sexuelle Ausbeutung der Frau. Solche Harems gibt es im übertragenen Sinn immer noch viele – ob zu Hause, bei der Ausbildung oder im Job. Und genau das wollen wir ändern."
Die Frau, die hier so energisch spricht, trägt weiße Jeans, modische Ledersandalen und Kopftuch: Farha Ciciek ist 42, gläubige Muslimin und Direktorin der indonesischen Frauenorganisation Rahima, die sich mit sehr modernen, demokratischen Ideen für die Gleichberechtigung der Frauen im Islam einsetzt.
Farha Ciciek und ihre Mitstreiterinnen lassen sich weder den Mund verbieten, noch entsprechen sie sonst irgendeinem Klischee der unterdrückten Frau im Islam. Ganz im Gegenteil: Sie wettern in ihrer jugendlich aufgemachten Zeitschrift gegen Gewalt in der Ehe sowie Polygamie, die in vielen Teilen Indonesiens immer noch üblich ist.
Sie stellen sich vor eine versammelte Dorfgemeinde und erklären den verblüfften Männern, dass sie für die Verbreitung von Aids verantwortlich sind, wenn sie mit Prostituierten verkehren. Sie wehren sich vehement gegen eine zu enge Auslegung der Scharia und kämpfen dafür, dass Frauen in der Politik und den Medien stärker vertreten sind.
"Pluralismus ist unvermeidbar"
"Krieg und Terror sind in der Regel auf dem Mist von Männern gewachsen. Frauen sind dabei meistens die schweigenden Opfer. Kriege im Namen welchen Gottes auch immer bedeuten aber Missbrauch von Religion. Die wahren religiösen Werte bleiben auf der Strecke. Uns dagegen geht es um Menschlichkeit", sagt Farha Ciciek sehr ruhig.
In diesem Sinne arbeitet Rahima auch mit vielen nicht-muslimischen Organisationen zusammen, wie im Moment in Aceh mit dem Tim Relawan untuk Kemanusiaan (Freiwilligen-Team für die Menschlichkeit), einer Koalition verschiedener indonesischer Nichtregierungsorganisationen unter der Leitung von Pater Sandyawan Sumardi, einem katholischen Priester.
"In einem Land wie Indonesien ist Pluralismus unvermeidbar. Gerade in Aceh ist es wichtig, dass die Menschen das verstehen", erklärt die Mutter zweier Kinder.
Das Büro von Rahima befindet sich in einem Wohnviertel in Südjakarta, hinter einer zugewachsenen Veranda mit Korbstühlen. Poster gegen Gewalt und Unterdrückung von Kindern und Frauen zieren die Wände, dazwischen immer wieder Suren aus dem Koran, die an die Rechte der Frau erinnern.
Rahima ist eine relativ junge Nichtregierungsorganisation, im Jahre 2000 hervorgegangen aus einer islamischen Menschenrechtsgruppe, die nach Ansicht der jüngeren Mitglieder nicht genug Wert auf die Gleichberechtigung der Frauen legte.
VorkämperInnen für Frauenrechte im Islam
Der Name des "Zentrums für Training und Information über den Islam und Frauenrechte" ist abgeleitet von Ar-Rahim, einem der Attribute Allahs, das für dessen göttliche Gnade, Mitleid und Gerechtigkeit steht. "Wir vermitteln unsere Ideen von Demokratie und Gleichberechtigung über den Islam. Nur so können wir die Leute überzeugen, denn die Religion ist die Grundlage unserer Gesellschaft."
In nur wenigen Jahren haben sich die Rahima-Aktivisten – darunter auch mehrere Männer – auf verschiedenen politischen Ebenen im Land mit der weltgrößten muslimischen Bevölkerung einen respektablen Ruf als VorkämpferInnen für Frauenrechte im Islam erworben.
Während andere Menschen- und Frauenrechtler hauptsächlich von Konferenz zu Konferenz reisen, fängt die Arbeit von Rahima auf der Graswurzelebene an: Sie fahren direkt aufs Land, in die vom Westen so gefürchteten Pesantrens (Islamschulen), die für viele Kinder in Indonesien die einzige Chance sind, überhaupt eine Schulausbildung zu erhalten.
Mit dem Koran für einen gemäßigten Islam
Trotz anfänglich oft harter Widerstände – von Beschimpfungen bis zu Straßenblockaden – hat es die Organisation geschafft, ein Netzwerk von Pesantrens auf ganz Java aufzubauen, die ihre Botschaft unterstützen: gleiche Erziehung für Mädchen und Jungen, keine Gewalt gegen Frauen in Alltag und Ehe, Gleichberechtigung bei Entscheidungen in der Kommune. Die aktuellen Themen auf der Rahima-Agenda sind Zwangsheiraten sowie Gespräche mit homosexuellen Gruppen.
Dabei behelfen sich die Aktivistinnen geschickt mit Zitaten aus dem Koran, um eingefahrene Vorstellungen konservativer Muslime zu widerlegen. "Mich hat beeindruckt, dass sich Rahima nicht in großen Reden verliert, sondern gleich in die Praxis geht – und dabei nicht vergisst, welche Bedeutung der Islam für die Menschen hier hat", sagt anerkennend Husein Muhamad, der Direktor einer Islamschule in Westjava, die inzwischen eng mit der Organisation zusammen arbeitet.
Rahima ist Teil einer neuen Bewegung im gemäßigten Islam, die viele Beobachter als einzige Chance sehen, um den Vormarsch des Fundamentalismus und der weiteren Konfrontation mit dem Westen zu verhindern.
"Nur wenn wir unsere Religion mit Toleranz gegenüber anderen Menschen ausüben, können wir in Frieden leben", sagt Farha Ciciek. Die Unterdrückung der Frau hat genauso wenig wie irgendein so genannter heiliger Krieg etwas mit dem Islam zu tun. Wir sollten uns daher auf die vergessenen Königinnen des Islam besinnen."
Christina Schott
© Qantara.de 2005
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