Manche sind gleicher
Der ägyptische Ex-Diktator Hosni Mubarak ist wieder auf freiem Fuß. Am letzten Freitag (24.3.2017) hatte der 88-Jährige das Militärkrankenhaus in Kairo verlassen und kehrte in seine Villa im Norden Kairos zurück.
Es gibt in Ägypten zwei sehr unterschiedliche Wege, wie man sich in Haft befindet und wie man aus dieser wieder rauskommt. Der freigelassene Mubarak hatte den größten Teil seiner Haftzeit "aus gesundheitlichen Gründen" in einem Militärkrankenhaus im Süden Kairos verbracht.
Ahmed Maher, einer der prominenten Aktivisten der "Bewegung 6. April", eine Gruppe säkularer, liberaler Jugendlicher, die einst gegen die Mubarak-Diktatur auf dem Tahrirplatz demonstrierte, hat dagegen eine ganz andere Haftzeit verbüßen und vor allem eine andere Art von "Freilassung" erfahren müssen.
Maher war nach der Übernahme der Macht durch das Militär 2013 zu drei Jahren Haft verurteilt worden, weil er - wie zu Zeiten der Proteste vom Tahrirplatz gegen das Mubarak-Regime - es gewagt hatte, erneut zu demonstrieren – dieses Mal gegen die Herrschaft der Armee. Sein Vergehen: Teilnahme an einer "illegalen Demonstration", wie es laut ägyptischem Demonstrationsrecht heißt. Später erhielt Maher weitere sechs Monate "für verbalen Widerstand gegen die Staatsgewalt", weil er einen Polizisten aufgefordert hatte, dass er ihm im Berufungsverfahren die Handschellen abnimmt.
Beide, der Ex-Diktator Mubarak und der Aktivist Maher, sind offiziell frei. Das Kassationsgericht hatte Anfang dieses Monats Mubarak von der Anklage freigesprochen hatte, die Ermordung der 800 Demonstranten befohlen zu haben, die während des 18-tägigen Aufstandes gegen ihn umgekommen waren.
Fehlende Beweise
Der Richter hatte wohl kaum eine andere Wahl. Denn es gab keine ausreichenden Beweismittel, um die damalige Befehlskette nachzuweisen. Die Telefonprotokolle sind verschwunden. Vielleicht auch kein Wunder, wenn der Sicherheitsapparat, der hier untersucht werden sollte, der gleiche ist, der die Beweismittel vorlegen und sichern sollte.
Anschließend hatte die Staatsanwaltschaft so schlampig gearbeitet, dass aus der Strafverfolgung im Fall Mubaraks nicht mehr viel übrig blieb. Fakt ist, dass bis heute niemand für den Mord an den 800 Menschen im Jahr 2011 zur Rechenschaft gezogen wurde.
Ahmed Maher war im vergangenen Januar auf freien Fuß gesetzt worden, nachdem er seine gesamte Haftzeit abgesessen hatte. Anders als der Diktator, hat er diese jedoch tatsächlich im Gefängnis verbracht, in der berüchtigten Tora-Haftanstalt, und das meist in Einzelhaft – keine vier Kilometer Luftlinie von Mubaraks Luxus-Einzelzimmer im Kairoer Militärkrankenhaus entfernt.
Und auch die Haftentlassung fällt beim Diktator a.D. und dem Aktivisten, der einst gegen ihn demonstrierte, recht unterschiedlich aus: Während sich Mubarak in seine Villa zurückziehen konnte, in der auch als Präsident und Vizepräsident seit 1979 gewohnt hatte, kommt Maher für weitere drei Jahre auf Bewährung frei.
Korruptionsskandal und der Fall des Präsidentenpalastes
Mubaraks Villa war übrigens Teil eines Korruptionsskandals, der sogar dazu geführt hatte, dass die ehemalige First Lady, Suzanne Mubarak, nach dem Sturz ihres Mannes vorübergehend inhaftiert worden war. Das Gebäude, das sich ursprünglich in Staatsbesitz befand, war nämlich 2002 auf äußerst dubiose Weise an Suzanne Mubarak verkauft worden. Dazu bediente man sich eines komplizierten Konstruktes, wie der investigative ägyptische Journalist Hossam Baghat mit Hilfe eines Whistleblowers aus dem Geheimdienst herausfand.
Der kleine Palast war von der Staatskasse zunächst dem Geheimdienst überschrieben worden, der ihn dann an eine Immobilienfirma verkaufte, die sich ebenfalls unter Kontrolle des Geheimdienstes befand. Diese Immobilienfirma verkaufte die Villa dann wiederum an Suzanne Mubarak. Nachdem sich Suzanne im Mai 2012 wegen Veruntreuung von Staatsgeldern für vier Tage in Untersuchungshaft befand, wurde sie schließlich unter Bedingungen freigelassen, darunter auch, dass sie die Villa an den Staat zurückverkauft.
Und auch was die Einrichtung der Villa angeht, in die Mubarak nun zurückzieht, ist es ganz offensichtlich nicht mit rechten Dingen zugegangen. In einem der zahlreichen Verfahren gegen Mubarak war der Ex-Diktator im Januar 2016 nur ein einziges Mal rechtskräftig verurteilt worden – zu drei Jahren Haft. Der Prozess war unter dem Titel "der Fall des Präsidentenpalastes" bekannt geworden. Mubarak und seine beiden Söhne wurden damals verurteilt, umgerechnet 13 Millionen Euro an Staatsgelder veruntreut zu haben, um ihre Residenzen zu renovieren.
Mit zweierlei Maß
Ahmed Maher ist zwar – genau wie Husni Mubarak – nominell ebenfalls heute ein freier Mann, allerdings mit einer entscheidenden Auflage: Wohl aus Angst, Maher könnte womöglich noch einmal seine alten Tahrir-Netzwerke gegen das heutige Regime mobilisieren, hatte man sich für ihn eine besonders perfide Schikane ausgedacht. Jeden Abend muss er sich die nächsten drei Jahre während seiner "Bewährungszeit" persönlich in einer Polizeiwache im Osten Kairos melden, wo er dann bis zum folgenden Morgen um sechs Uhr übernachten muss.
Ihm ist weder gestattet die Wache zu verlassen, noch Besuch zu empfangen. Auch darf er lediglich mit den Polizisten kommunizieren, das Mitführen elektronischer Geräte ist untersagt. Damit soll sichergestellt werden, dass sich Maher von neuerlichen politischen Aktivitäten fernhält. Tritt er in der Polizeiwache mit einer fünfzehnminütigen Verspätung ein, droht ihm eine neuerliche Gefängnisstrafe.
Der Mann, gegen den sich Maher einst mit seinen Freunden auf dem Tahrirplatz erhob, muss nach seiner Freilassung freilich noch mit zwei weiteren Einschränkungen leben: Er darf das Land künftig nicht verlassen, weil noch eine weitere Untersuchung gegen ihn läuft – nämlich wie er zu seinem gesamten Reichtum gekommen ist. Allerdings dürfte Husni Mubarak dieser zweiten Einschränkung eher gelassen entgegensehen – ein solches Verfahren wird er zu Lebzeiten wohl nicht mehr fürchten müssen.
Karim El-Gawhary
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