Multiethnische Klangteppiche
Um sich noch Blumen ins Haar zu stecken, waren sie noch ein wenig zu jung. Zum Beispiel Loy Ehrlich: Jahrgang 1950, geboren in Paris, aufgewachsen im bürgerlichen Ambiente mit Klavierstunden, Beethoven, Bach und den Beatles.
Während seine Studentenkollegen versuchten, den "Muff von 1000 Jahren unter den Talaren" zu verscheuchen, schloss er sich für kurze Zeit der Progressiv-Rock-Combo "Gong" an.
Bereits dort lernte er den Bläser Didier Malherbe kennen, man jammte und experimentierte. Ein wirklicher Musiker werden wollte Ehrlich aber erst, nachdem er 1972 durch Marokko gereist war. Der Sound der Gnawas hatte ihn gepackt, der Blues Westafrikas kam hinzu. Wanderjahre folgten, die ihn mal in die Band Touré Kunda, mal nach La Réunion führten.
Marokko als zweite Heimat
Als in den 80er Jahren der afrikanische Musikzug losfuhr, war er wieder mit von der Partie, an der Seite von Youssou N'Dour, bei Peter Gabriel in Montreux. Ehrlich spielte mit den unterschiedlichsten Musikern, lernte ein wenig Kora, vor allem aber Guembri spielen, als Schüler von Brahim Elbelkani, mehr und mehr auch in der Praxis.
Über die Musik wurde ihm Marokko zur zweiten Heimat. Und es war nicht zuletzt sein Verdienst, dass Mitte der 90er Jahre in der Hafenstadt Essaouira das Gnawa-Festival ins Leben gerufen wurde, als dessen künstlerischer Leiter Ehrlich seitdem fungiert.
Ähnlich ausgefallen sind auch die Biografien der anderen beiden Charaktere des Hadouk Trios: Steve Shehan wurde als Kind eines indianischen Vaters und einer französischen Mutter in den USA geboren und ist inzwischen ein überzeugter Wahlpariser, der als Trommler und Perkussionist von Bob Dylan über Paul Simon bis Khaled und Salif Keita mit sehr verschiedenen Künstlern gearbeitet hat.
Geflecht stilistischer Impulse
Oder Didier Malherbe, ebenfalls "Gong"-Veteran. Er erforschte für sich erst jahrelang die indische Bambusflöte, dann die armenische Doudouk.
Das alles zusammen ergibt das Geflecht der stilistischen Impulse, aus dem sich wiederum der Sound des Hadouk Trios entwickelte und der außerdem den Phantasienamen der Band nahe legte, eine Fusion aus dem Wort "Hajouj", einer Bezeichnung für den Bass der Gnawas, und dem Wort "Doudouk", dem Namen für die armenische Blattflöte.
Die beiden Auftritte der Band bei den Berliner Jazztagen und dem European Jazzfestival auf Schloss Elmau waren ein Erfolg, die Menschen in den Sälen waren begeistert, denn den Musikern war es gelungen, die eigenen Ideen plausibel zu formulieren: "Wir suchen das Originelle", meint Malherbe auf die Frage nach den Ursprüngen des Hadouk Trios.
"Wir haben Mitte der 90er Jahre als Duo angefangen, dann kam Steve Shehan hinzu. Seitdem arbeiten wir an der Alchemie dieser Verbindung. Die Musik an sich ist einfach und macht es den Leuten leicht, ihr zu folgen. Der Fokus liegt auf rhythmischen, melodischen Elementen. Zugleich aber versuchen wir, mit unseren Mitteln die Klangsprache zu erweitern.
"Loy Ehrlich zum Beispiel hat sich aus einer bundlosen Bassgitarre und einer Guembri ein Instrument gebaut, das er Gumbass nennt. Und ich experimentiere mit einer Doudouk mit Klappen, die die Möglichkeiten der Flöte ergänzt."
Das Multitalent Ehrlich sagt: "Dabei geht es natürlich nicht darum, die Tradition zu ändern. Die besteht für sich. Wir wollen lediglich unsere eigene Neugier stillen und daraus etwas machen, was uns und den Zuhörern gefällt."
Gnawa-Beat à la marocaine
Das führt nicht nur zu ungemein frischen Verknüpfungen unterschiedlicher Stileinflüsse vom Kaukasus über den Jazzklang der Fusion-Ära bis zum Gnawa-Beat à la marocaine. Ganz nebenbei pflegen die Musiker schon aus eigenem kreativen Bedürfnis aktive Toleranz gegenüber allem, was um sie herum ernsthaft und ehrlich klingt.
Nach dem Studioalbum "Utopies" präsentieren sie im Januar 2008 mit den Live-Aufnahmen "Baldamore" ihr aktuelles Programm auf CD und DVD (Naïve), aufgenommen im Pariser "Cabaret Sauvage", unter anderem mit der mauretanischen Sängerin Malouma Mint Meidah als Gast.
Es ist eine faszinierend ausgereifte Rundreise durch die Möglichkeiten der Klangfusionen aus dem Geist der Erfahrung mit dem eigenen kulturellen Globetrottertum. Und damit doch noch ein spätes Erbe der Ideen, die einst in den ausgehenden 60er Jahren zu wachsen begannen.
Ralf Dombrowski
© Qantara.de 2007
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