Gegen Vorurteile und Halbwissen
Im bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Erde - Indonesien – fand eine internationale Holocaust-Konferenz statt, die über die Judenverfolgung während der deutschen Naziherrschaft aufklären sollte. An dem ungewöhnlichen Treffen nahmen muslimische Würdenträger, Holocaust-Überlebende und sogar israelische Rabbiner teil. Einzelheiten von Tobias Grote-Beverborg
Die in größter Diskretion vorbereitete Holocaust-Konferenz auf der indonesischen Urlaubsinsel Bali, sollte mit dem – vor allem unter Muslimen – weit verbreiteten Vorurteilen und Halbwissen über den Völkermord an den Juden aufräumen. Schirmherr der Veranstaltung war der frühere indonesische Präsident Abdurrahman Wahid, auch bekannt als Gus Dur. Seiner Meinung nach diente die Konferenz vor allem als:
"ein Zusammentreffen der Religionen, mit Vertretern des Buddhismus aus Japan, des Hinduismus aus Indien und mit Christen, Juden und Muslimen aus aller Welt. Die Frage war: Wie verhält es sich mit dem Holocaust? Selbstverständlich hat der Holocaust stattgefunden und wir alle teilen diese Auffassung, die auch in unserer Abschlusserklärung festgehalten wurde."
Gegenentwurf zur iranischen Holocaust-Konferenz
Die als Gegenentwurf zur Teheraner Holocaust-Konferenz gedachte Veranstaltung – auf der der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad den Völkermord an den Juden noch als 'Legende' bezeichnete – hob sich besonders dadurch hervor, dass auch Überlebende des Holocaust zu Wort kamen. Die teilweise aus Israel kommenden Zeitzeugen erhielten ohne Probleme Einreisegenehmigungen, obwohl Indonesien als muslimisches Land keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhält.
Ein ebenfalls eingeladener israelischer Rabbiner betonte, wie wichtig es sei, Überlebende zu Wort kommen zu lassen, da sich der Holocaust ja zum Großteil im Westen abgespielt habe und es deshalb kaum Zeugen in muslimischen Ländern gebe, welche die Fakten bestätigen könnten.
Auch die Wahl des Konferenzortes ist nach Auffassung von Rainer Adam, Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jakarta, von großer Symbolik:
"Es hat ja bisher noch keiner ein Gegenzeichen gesetzt zu dieser Konferenz im Iran, es waren ja auch Indonesier auf dieser Konferenz, jetzt haben die Indonesier die andere Seite zu Wort kommen lassen und sich eindeutig positioniert, von daher ist es sehr gut, dass sich Muslime für die Wahrheit aussprechen."
Unkenntnis über den Holocaust
Ahmad Suaedy, Chef des Wahid-Institutes – einer NGO, die einen moderaten Islam vertritt – wies darauf hin, dass die meisten Muslime in Indonesien nur unzureichend mit den historischen Tatsachen vertraut seien. Sie wüssten nicht genau, was der Holocaust sei, mit Ausnahme jener, die im Nahen Osten studiert hätten. Doch selbst diese bezögen ihr Wissen überwiegend aus ägyptischen und iranischen Quellen, welche häufig den Holocaust leugneten.
Für Rainer Adam ist deshalb die heutige Holocaust-Konferenz auch innenpolitisch von großer Bedeutung, denn:
"bei diesem Ringen um wichtige Werte in diesem Land, wie Toleranz, Freiheit, Pluralismus, ist dieser moderate Islam mit seinen Vertretern hier sehr wichtig. Denn er zeigt, dass es auch anders geht und dass es eben nicht nur den arabischen Islam gibt, sondern auch einen javanischen Islam und einen indonesischen Islam gibt, der aufgeklärt, modern und zukunftsweisend sein kann."
Wahrheitsfindung durch Dialog
Zum Abschluss der Konferenz betonte der Schirmherr der Konferenz, Abdurrahman Wahid, die einigende Kraft der Religionen auf dem Weg nach der Suche der Wahrheit:
"Politisch vertreten wir zwar alle unsere eigenen Ansichten, doch durch die Religion werden wir geeint und können unsere Ansichten miteinander teilen. Nur durch den interreligiösen Dialog können wir die Wahrheit ans Licht bringen."
So bewies die Holocaust-Konferenz auf Bali nicht nur, dass ein friedliches Miteinander der Religionen möglich ist, sondern auch, dass der inter-religiöse Dialog als Instrument zur Wahrheitsfindung geeignet ist.
Tobias Grote-Beverborg
© DEUTSCHE WELLE 2007
Qantara.de
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