Deutschland erster Ehrengast am Nil
Ägypten im Januar 2006. Ein Drittel der Sitze im neu gewählten Parlament ist mit Abgeordneten der islamistischen Muslimbruderschaft besetzt. Zum ersten Mal seit Mitte der 80er Jahre findet der Afrika-Cup wieder in Ägypten statt.
Und der Ehrgeiz der ägyptischen Kulturbeamten, die Buchmesse in Kairo nach dem Frankfurter Vorbild zu gestalten, hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Der alte und neue ägyptische Kulturminister Faruk Husni führte das Konzept des Ehrengastes nun auch in Kairo ein und lud Deutschland als erstes Land ein, sich dem ägyptischen Publikum zu präsentieren.
Vielseitiges deutsches Programm
Seit 20 Jahren ist Deutschland mit einem Stand in Kairo dabei, doch dieses Jahr ist alles größer, bunter und lebendiger. Am deutschen Stand in Halle 3, der in orange, grün und weiß gehalten ist, präsentieren sich deutsche Institutionen, die in Ägypten aktiv sind: Das Goethe-Institut, die Deutsche Welle, der Deutsche Akademische Austauschdienst und das Deutsche Archäologische Institut.
In den Regalen stehen deutsche Bücher, die arabische Lizenzkäufer anlocken sollen: Ratgeberliteratur, Belletristik, Titel aus der Islamwissenschaft, Schulbücher, Bücher über Fußball oder Kinderbücher. Beratung dazu gibt es von den Vertreterinnen der Frankfurter Buchmesse.
Ägyptische Buchhandlungen verkaufen deutsche Bücher und Übersetzungen aus dem Deutschen. Ein kleines Café bietet Brezeln und Getränke an. Auf einem Podest im hinteren Teil des Standes mit einigen Plüschtieren und Kinderbüchern finden die zahlreichen Veranstaltungen für die kleinen Besucher statt.
Das umfangreiche Begleitprogramm während der Messetage bietet Lesungen, Gespräche mit Chamisso-Preisträgern, Diskussionsrunden zum Thema Orientalismus, das Bild der arabischen Welt in den deutschen Medien oder eine Fotoausstellung zu Frauen im Orient und Okzident.
Bei der Eröffnung des deutschen Standes hoffte Martin Kobler, deutscher Botschafter in Kairo, dass die deutsche Präsentation Neugier auf die deutsche Kultur wecken werde. Für Jutta Limbach, Präsidentin des Goethe Instituts, ist der deutsche Schwerpunkt in Kairo der Höhepunkt des bisherigen Kulturaustauschs zwischen Ägypten und Deutschland.
Gespräche über Zensur, statt über Lizenzen
Zahlreiche arabische Verleger auf der Messe bieten Übersetzungen aus dem Deutschen an. Wie in den Jahren zuvor sind die Verkaufsschlager aus dem Bereich der Belletristik Titel von Hermann Hesse und "Das Parfüm" von Patrick Süskind.
Dass in den letzten Jahren Bücher des Nobelpreisträgers Günter Grass oder Christa Wolf auf Arabisch erschienen sind, hat das literarische Interesse der ägyptischen und arabischen Leser nicht beeinflussen können.
So erhoffte sich mancher syrischer und libanesischer Verleger vom deutschen Schwerpunkt einen Werbeeffekt für die deutsche Literatur in arabischer Übersetzung. Ob das mit dem literarischen Rahmenprogramm des Ehrengastes zu erreichen ist, bleibt fraglich.
Die ägyptische Umsetzung des Vorbilds "Frankfurter Buchmesse" ist bei den teilnehmenden Verlegern in Kairo nicht auf allgemeine Zustimmung gestoßen. Die Idee der Organisatoren, die ersten drei Tage der Messe ausschließlich für Fachpublikum zu öffnen, entpuppte sich als Flop.
Die drei Tage schrumpften zu einem Tag, an dem die Verleger nicht etwa Interessenten empfingen und Gespräche über Lizenzen führten, sondern ihre Bücherkartons ausräumten, die vom ägyptischen Zoll zu spät freigegeben wurden.
Gesprächsstoff der Verleger ist wie bei jeder arabischen Buchmesse die Zensur. Dieses Jahr, so munkelt man hinter den Kulissen, wird es in Kairo keine nennenswerte Zensur geben. Grund soll die Muslimbruderschaft im Parlament sein. Die ägyptische Regierung will sich angeblich liberal zeigen und ihre Politik der vergangenen Jahre, religionskritische Bücher zu beschlagnahmen, nicht weiter verfolgen.
Mona Naggar
© Qantara.de 2006
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Dossier:
Deutsch-arabischer Literaturaustausch
Die Literatur ist immer ein zentrales Medium des Kulturdialogs. Dabei sind es oft Aktivitäten, die im Kleinen, ja Verborgenen stattfinden: Übersetzer und Verleger, die sich am Rande des Existenzminimums um die geliebte fremde Kultur verdient machen. Wir präsentieren deutsche und arabische Initiativen.