Libyens Vergessener der Wüste
Es gibt Länder in der islamischen Welt, in denen das Diktat, dem die Medien ausgesetzt sind, nicht den geringsten Protest zulassen würde (Syrien, Tunesien, Libyen, Saudi Arabien).
Und es gibt solche, in denen sich die Ausübung dieses Berufes, auch wenn sie sich als einfacher erweisen sollte, dennoch im Rahmen einer abhängigen Justiz bewegt, deren Aufgabe darin besteht, einen Kodex anzuwenden, der jegliche Freiheit unterbindet (Ägypten, Algerien, Marokko, Jemen).
Maulkorb für staatskritische Journalisten
Beispiel Libyen: Dort wurde dieses Jahr eine internationale Kampagne zur Befreiung von etwa 500 inhaftierten Journalisten geführt, außerdem wurde die Aufklärung des Falles Abdullah Ali al-Sanussi al-Darrat gefordert. Der libysche Journalist ist seit 1973 verschwunden.
Seit dem Putsch, der Muammar Gaddafi im September 1969 an die Macht brachte, lastet auf Libyen bleischwer das Verbot jeder Form von Meinungsfreiheit. Befragte Personen haben weder eine Vorstellung von den Motiven, die der Entführung al-Darrats zu Grunde liegen, noch von den Orten, an denen er festgehalten wurde. Kein Gericht hat ihn je verurteilt, und die Nachfragen der libyschen Menschenrechtsliga nach seinem Verbleib stoßen bei den Behörden bislang auf taube Ohren.
Die meisten Beobachter schätzen, dass der Journalist schon längst tot ist, doch wissen sie auch nicht das Geringste über die Umstände eines möglichen Todes. Was bei al-Darrat geradezu rätselhaft erscheint, sind die fehlenden öffentlichen Kampagnen. Falls der "Vergessene der Wüste" doch noch am Leben sein sollte, hätte er mittlerweile 33 Jahre im Gefängnis verbracht, ohne dass sich auch nur eine Person nach ihm erkundigt hätte.
Der Fall al-Darrat – ein Tabuthema in Libyen
Keiner der prominenten Staatsgäste hat es je gewagt, Oberst Gaddafi nach dem Verbleib al-Darrats zu fragen, in der libyschen Öffentlichkeit wurde nie offen seine Freilassung gefordert. Es steht zu befürchten, dass auch durch die Normalisierung der Beziehungen zwischen Libyen, den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union keine weitere Klärung erfolgen wird, solange die Interessen der Staaten deutlich mehr Gewicht haben als die Einhaltung der Menschenrechte in dieser Region.
Diese Haltung steht im Gegensatz zu den öffentlichen Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte und verstärkt daher den Verdacht in der arabischen Welt, dass der Westen sich in diesem Teil der Welt nur dann für Menschenrechte interessiert, wenn seine Interessen in Gefahr sind.
Der diesjährige Tag der Pressefreiheit sollte daher Abdullah Ali al-Sanussi al-Darrat gewidmet werden, um seine Befreiung zu fordern oder zumindest die libysche Regierung dazu zu drängen, nachprüfbare Informationen über seinen Verbleib zu liefern.
Selbstverständlich dürfen, auch wenn die Aufmerksamkeit auf den Fall al-Darrat gerichtet ist, die in Syrien und anderswo inhaftieren Journalisten nicht vergessen werden, auch nicht die in Algerien, wo Mohamed Benchicou gegenwärtig eine Gefängnisstrafe verbüßt, weil er ein Flugblatt gegen den Präsidenten Abdelaziz Bouteflika veröffentlicht hat.
Hamid Skif
© Qantara.de 2006
Übersetzung aus dem Französischen von Ursula Günther
Qantara.de
Pressefreiheit im Maghreb
Zwischen Zensur und Gefängnis
Von Mauretanien bis Ägypten vergeht kein Tag, an dem Journalisten nicht bei ihrer Arbeit behindert werden. Anläßlich des Tages der Pressefreiheit zieht der algerische Journalist und Schriftsteller Hamid Skif eine düstere Bilanz.
Tunesien im Gefängnis der Angst
Drakonische Strafen gegen "Internet-Terroristen"
Die tunesische Regierung geht mit äusserster Härte gegen jugendliche Internetnutzer vor, die verbotene islamistische Websites besucht haben. Menschenrechtsorganisationen kritisieren schwere Verfahrensmängel und werfen den Behörden vor, mit den drakonischen Strafen jegliche Dissidenz im Keim ersticken zu wollen.