Prominente Frauen zeigen Solidarität
Verhaftet, weil sie kein Kopftuch trugen: Die iranischen Schauspielerinnen Hengameh Ghaziani und Katayoun Riahi wurden festgenommen, nachdem sie von der Staatsanwaltschaft vorgeladen worden waren, um ihre "provokativen" Beiträge in den sozialen Medien und ihre Medienaktivitäten zu untersuchen. Nach mehr als einer Woche wurde Ghaziani auf Kaution wieder freigelassen. Ob das für Riahi auch gilt, ist unklar.
Die Schauspielerinnen Ghaziani und Riahi sind mit ihrer Solidarität nicht allein. Immer mehr Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich stellen sich auf die Seite der Protestierenden, die im Iran einen Systemwandel fordern.
Seit gut zwei Monaten dauern die von Frauen angeführten Proteste im Iran gegen das Mullah-Regime nun schon an. Begonnen hatten sie nach dem Tod der 22-jährigen iranischen Kurdin Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei in Teheran festgenommen worden war und kurz darauf im Krankenhaus verstarb, vermutlich an den Folgen von Gewalteinwirkung.
Starkes Symbol: Frauen legen den Hijab ab
Ein wichtiger Aspekt der Protestbewegung besteht im Ablegen des Kopftuchs. "Im Iran ist das Kopftuch das Symbol für den Hijab-Zwang", meint die im norwegischen Exil lebende Frauenrechtlerin Asieh Amini im Deutsche Welle-Interview. "Die Islamische Republik Iran hat es immer für ihre Ideologie benutzt." Deshalb ist das Kopftuch heute vielen Iranerinnen verhasst.
Es seien zwar alle Teile der Gesellschaft an den Protesten beteiligt, so Amini, doch sie gelten als von Frauen angeführt, weil "sie die ersten waren, die nach der Revolution 1979 ihre grundlegenden und fundamentalen Rechte verloren haben."
"Die Protestbewegung ist eine säkulare Revolution"
Viele Menschen im Iran wollen weder die Hijab-Pflicht befolgen noch irgendeine andere Form einer religiösen Regierung haben, sagt Amini. "Das Ablegen oder das Verbrennen des Kopftuchs bedeutet, dass man sich gegen das religiöse System der Islamischen Republik stellt. Es bedeutet auch, dass die Protestbewegung des iranischen Volkes eine säkulare Revolution ist."
Die iranischen Behörden dagegen beschreiben die Proteste als "Unruhen", die von den westlichen Feinden des Irans geschürt würden.
Immer mehr Prominente solidarisieren sich mit der Protestbewegung. Die Schauspielerinnen Hengameh Ghaziani und Katayoun Riahi sind nicht die ersten und sie werden wohl auch nicht die letzten Prominenten sein, die sich solidarisieren. Die Aktivistin Amini meint, "viele Jahre lang hat die Islamische Republik Iran versucht, Prominente dazu zu bringen, sich nach den islamischen Gesetzen zu richten. Doch jetzt stellen sie sich immer mehr auf die Seite des Volkes und sie haben einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung."
Hengameh Ghaziani, Ketayoun Riahi oder Taraneh Alidoosti seien Schauspielerinnen mit Millionen von Fans, so Amini. Wenn sie den Hijab ablegen, dann sehen das Millionen ihrer Anhängerinnen - "und sie können das dann unterstützen oder nachahmen."
Haare zeigen, Haltung zeigen
Vor ihrer Verhaftung hatte die 52-jährige Hengameh Ghaziani bereits angedeutet, dass sie - wie eine Reihe anderer prominenter Persönlichkeiten - von der Justiz vorgeladen worden sei. Kurz darauf veröffentlichte sie ein Video auf Instagram, in dem sie die im Iran obligatorische Kopfbedeckung für Frauen, den Hijab, abnimmt.
"Vielleicht wird das mein letzter Beitrag sein", schrieb sie am Samstag (19.11.) auf der Social Media-Plattform. "Von diesem Moment an, was auch immer mit mir geschieht, sollt ihr wissen, dass ich, wie immer schon, mit dem iranischen Volk bis zu meinem letzten Atemzug verbunden bin."
Das Video, das mittlerweile nicht mehr im Netz steht, wurde in einer Einkaufsstraße aufgenommen. Es zeigt Ghaziani, wie sie schweigend und ohne Kopfbedeckung vor der Kamera stehen. Dann dreht sie sich um und bindet ihr Haar zu einem Pferdeschwanz.
Verhaftung kann jedem drohen
Die Frauenrechtlerin Amini betont, dass im Iran momentan viele unterschiedliche Menschen verhaftet werden, nicht nur politische Aktivistinnen und Aktivisten oder Frauenrechtlerinnen. Auch "ganz normale Menschen, die auf der Straße protestiert haben, Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler, oder sogar Leute, die nur ein Gedicht oder ein Lied vorgetragen haben. Viele der Verhafteten sind Jugendliche!"
Iranische Filmschaffende standen schon vor Beginn der Protestbewegung, die durch Mahsa Aminis Tod am 16. September ausgelöst wurde, unter Druck. Die preisgekrönten Regisseure Mohammad Rasulof und Jafar Panahi befinden sich seit Anfang des Jahres in Haft. Viele weitere Künstler und Filmschaffende wie Bahram Beyzaei, Naser Taqvaei und Sousan Taslimi, die sich dem Regime widersetzten, wurden zensiert oder erhielten Arbeitsverbote, so Amini. "Sie waren die wichtigsten Wegbereiter" für die derzeitigen Protestbewegungen.
Kevin Tschierse
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