Stein des Anstoßes

Zum ersten Mal wurden auf der Berlinale sechs iranische Filme vorgestellt. Die Regisseure Mani Haghighi und Nasser Refaie sprechen über ihre Filme, die Produktionsbedingungen und die Zensur im Iran.

Von Igal Avidan

Vier Iraner, alte Freunde, machen auf der Rückfahrt von einem Skiurlaub eine Pinkelpause. Dabei entdecken sie am Hang einen phallischen Felsen und setzen sich in den Kopf, ihn in den Abgrund zu stürzen. Ihre unbeholfenen Versuche und die Probleme der Midlife-Crisis gut situierter Iraner zeigt der Film "Men at Work" – 'Männer bei der Arbeit'.

Regisseur Mani Haghighi drückt sich vorsichtig aus, wenn er sagt, dass sich hinter der grotesken Handlung auch ein politischer Film verstecke: "Ich kann nicht sagen, dass mein Film unpolitisch ist", meint Haghighi, "ich kann nur sagen, dass die Politik nicht die Hauptrolle spielt. Wenn er bei den Zuschauern politische Wirkungen hinterlässt, würde mich das nicht stören. Man kann nicht zwischen sozialen und politischen Filme trennen. Wie soll das überhaupt gehen?"

Schnelle und unbürokratische Produktion

Haghighi überlässt den Zuschauern die Interpretation des Felsen-Symbols. Die Genehmigung und die Produktion von "Men at Work" verliefen überraschend schnell und unbürokratisch. Der Streifen wurde vor einigen Wochen auf dem Fadjr-Filmfestival in Teheran gezeigt und gewann den Preis für das beste Drehbuch. In einigen Monaten kommt er in die iranischen Kinos, sagt Mani Haghighi.

Die Genehmigung habe er schon nach einem Tag erhalten. Der Film konnte schnell realisiert werden, denn der Produzent stimmte der Idee für den Film rasch zu und bewilligte einen kleinen Etat.

Auch der Gang zum Kulturministerium stellte keine Barrieren dar, berichtet Haghighi: "Mein Produzent brachte das Manuskript zum Kulturministerium, das ihn innerhalb von zwei Tagen genehmigte. 10 Tage später drehten wir bereits. Die Dreharbeiten dauerten 18 Tage. Schnitt und Tonarbeit dauerten viel länger. Dann legten wir den fertigen Film dem Ministerium vor. Dort lag er eine Weile, weil der neue Präsident gerade alle Beamten in den Ministerien auswechselte. Sobald die neuen Beamten den Film sahen, genehmigten sie ihn sofort."

Seinen ersten Film "Abadan" hatte Mani Haghighi dagegen 2003 noch ohne staatliche Genehmigung gedreht. Die Dreharbeiten in Teheran waren daher sehr kompliziert und zeitaufwendig. Die Zensoren verboten den fertigen Film offiziell, weil er unautorisiert gedreht wurde. Sie störten sich aber wahrscheinlich auch an den vielen Schimpfworten und den Hinweisen auf den Iran-Irak-Krieg.

Mani Haghighi hat 17 Jahre in Kanada gelebt und kehrte erst im Jahre 2000 in den Iran zurück. Einschränkungen und Zensur waren auch vor der islamischen Revolution ein Teil der iranischen Kultur, erzählt Mani Haghighi:

"Es gibt sehr viele Geschichten, die ich gern erzählen würde, die ich aber nicht erzählen darf. Das Gesetz verbietet Szenen mit eindeutiger Gewalt und Sexualität sowie bestimmte politische Themen. Auch bestimmte historische Perioden in der iranischen Geschichte sind tabu. Man könnte viele gute Geschichten über all dies erzählen, aber wir dürfen es nicht. Selbstverständlich gibt es Zensur im Iran. Aber wir haben gelernt Geschichten zu finden, die erlaubt sind und die wir erzählen wollen."

Zu dieser iranischen "Schizophrenie" aus Zensur und Freiheit gehören nicht zuletzt die Millionen Satellitenschüsseln und der blühende Markt der Raubkopien. Fliegende DVD-Händler bringen Hollywood-Filme in iranische Wohnzimmer, manche sogar vor der Weltpremiere.

Dieben, DVD-Händlern und Junkies auf der Spur

Einen solchen Händler zeigt Nasser Refaies in seinem Film "Another Morning", auf Deutsch "Noch ein Morgen". Sein Held ist ein schweigsamer Witwer, der auf den Straßen Teherans vielen Menschen begegnet, darunter einem DVD-Händler, der Pornofilme als "DVDs für Singles" anbietet, Drogensüchtigen, einem Dieb und einem Ehebrecher.

Für Nasser Refaie war es ein Spießrutenlauf, eine Filmgenehmigung zu bekommen. "Nachdem ich das Drehbuch vorgelegt hatte, brauchte ich acht Monate und viele Diskussionen, um die Behörden zu überzeugen, dass der Film gut ist und ein Zeitdokument der iranischen Gesellschaft darstellt, um die Drehgenehmigung zu erhalten", so Refaie.

Der Film wurde erst kurz vor der Berlinale fertig gestellt. Deswegen habe er den fertigen Film mit Untertiteln zum ersten Mal in Berlin sehen können. Auch für die Vorführung in Berlin brauchte Refaie eine Genehmigung.

"Es war dann aber so, dass einige aus dem Gremium den Film gesehen und den anderen mitgeteilt hatten, dass der Film unproblematisch sei und man ihn im Ausland zeigen dürfe", berichtet Refaie. "Der Mensch besitzt die Fähigkeit, jede Beschränkung durch eine Behörde zu umgehen, sowohl ich als auch jeder Iraner, der sich die verbotenen DVDs anschauen will."

"Men at Work" von Mani Haghighi gilt im Iran als künstlerischer Film, nicht als Kassenschlager. Ob er in den iranischen Kinos laufen wird, ist deshalb ungewiss. Für künstlerische Filme, die noch dazu eher im Ausland als im Iran gezeigt werden ist es oft leichter eine Genehmigung zu erhalten.

Das Filmteam von "Men at Work" konnte selbst jedoch nicht nach Berlin kommen. Wegen einer Demonstration gegen die Mohammed-Karikaturen wurde der Zugang zur deutschen Botschaft in Teheran gesperrt. Dort aber lagen die Pässe des Filmteams für die Visa.

Igal Avidan

&copy DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006

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