Eine Art ''Ebay'' für Muslime
Auf den ersten Blick sieht "Selisha.de" aus wie jedes andere Internet-Auktionshaus: Man kann kaufen, verkaufen, bei Auktionen mitbieten. Begrüßt wird man allerdings mit "As salamu-alaykum" und jede Suche beginnt mit Allahs Segen "Bismillah".
Seit zwei Jahren ist die Plattform online und wirbt mit dem Slogan "Alles, was das Muslim-Herz begehrt und mehr…" und das reicht von pinkfarbenen Kopftüchern mit aparten Glitzer-Stickereien über Plastikwecker mit integriertem Gebetsruf bis zum Reisekompass, der einem auch unterwegs die richtige Gebetsrichtung gen Mekka weist.
Vielfalt mit einem Klick
Selim Reid, ein Hamburger Student mit irakischen Wurzeln, hat "Selisha.de" gegründet. "Allein in Deutschland gibt es rund 3,5 Millionen Muslime wie mich. Doch leider sind Online-Plattformen wie Ebay nicht auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten", erklärt er. "Wenn überhaupt, wird es dort beispielsweise nur vereinzelt ein Gebetsteppich geboten, meist auch nur in einer Farbe. Und bis man den dann gefunden hat, ist er auch schon längst verkauft."
Diese Lücke wollte Selim Reid mit "Selisha.de" schließen. Der geschäftstüchtige Norddeutsche kennt sich in der islamischen Community aus und hatte vor einiger Zeit bereits "Muslimtaxi" ins Leben gerufen, eine Mitfahrgelegenheit für Muslime.
Alles islamisch korrekt
Seine eigene Familie und Freunde waren zunächst skeptisch, ob die Onlineidee überhaupt funktionieren würde, doch inzwischen ist "Selisha.de" ein erfolgreich wachsendes Startup-Unternehmen. Nach einer kurzen Anmeldung können hier sowohl Privatpersonen als auch professionelle Händler kaufen, verkaufen und mitbieten.
"Und das ganze funktioniert auch noch nach den Sittenregeln des Koran", unterstreicht Selim Reid. Das heißt Preistreiberei ist strengstens verboten."Wir kontrollieren das mit internen Software-Programmen und nehmen ständig Stichproben." Bei Ebay hingegen kann es durchaus passieren, dass ein Freund des Anbieters bei einer Auktion mitbietet und damit den Preis in die Höhe schnellen lässt. Legal ist das nicht, wird jedoch nicht so streng kontrolliert wie bei Selim Reids Online-Plattform.
"Handel dagegen wird im Islam sogar empfohlen, nur die meisten wissen das nicht", erklärt der junge Unternehmer. Um sich religiös abzusichern und Gläubigen die Angst zu nehmen, hat er eigens eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten von einem Islam-Gelehrten, auf die Seite gestellt.
Weiblicher Andrang
Dieses hat vor einigen Monaten auch Fatma überzeugt. Die gläubige Muslima wohnt in einem kleinen Dorf im Rheinland und war von der kunterbunten Auswahl per Mausklick begeistert. "Sonst musste ich immer kilometerweit in die nächste Großstadt fahren, nur um mir ein modisches Kopftuch zu kaufen", erklärt die 56jährige. Ältere Frauen wie Fatma gehören zu den aktivsten Usern des Online-Auktionshauses. Wie passend, dass "Selisha" auch ein gängiger arabischer Vorname für Frauen ist.
Auf der Seite finden sich, man mag es kaum glauben, auch schicke Dessous. Sie werden züchtig an einer Plastikpuppe präsentiert, denn aufreizende Echtmodels wären nicht erlaubt. "Das finde ich als gläubige Muslima angenehm", meint Fatma. "Außerdem kann ich bequem vom Computer aus solche privaten Einkäufe erledigen und niemand sieht mich dabei." Neben der Anonymität spielt auch der praktische Aspekt eine Rolle. "Ich finde hier alles, was ich brauche - und zwar auf einen Blick. Es gibt eigene Kategorien, z.B. für islamische Literatur oder für einen Hadj-Besuch in Mekka. Das ist übersichtlicher und geht schneller als zum Beispiel bei Ebay", meint die Hausfrau.
Keine "virtuelle Ghettoisierung"
Eine Parallele zum amerikanischen Online-Riesen ist dagegen das Vertrauen in die eigenen User und eine starke Selbstregulierung. Wie bei "Ebay" kann auch auf "Selisha.de" jeder Benutzer Bewertungen abgeben und Regelbrüche melden. "Als jemand zum Beispiel `Mein Kampf´ verkaufen wollte, haben sich innerhalb von drei Minuten Hunderte User darüber aufgeregt und sofort eine Mail geschrieben", erzählt Selim Reid voller Stolz. Beleidigungen, Antisemitismus und Rassismus sind auf Selisha-Seiten ein absolutes Tabu.
Den Vorwurf der Abgrenzung, der "virtuellen Ghettoisierung" weisen sowohl Selim Reid als auch Fatma ab. Beide bezeichnen Deutschland als ihre Heimat und sich selbst als gläubige Muslime. Und das sei überhaupt kein Widerspruch. Sie wollen lediglich das, was auch für Millionen andere Menschen in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist: schnell und praktisch im Internet shoppen.
Aygül Cizmecioglu
© Deutsche Welle 2012
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de