Religiöser Brückenbau in Polen

In der polnischen Hauptstadt Warschau wird, gleich neben der neuen Moschee, ein islamisches Kulturzentrum gebaut. Während der Bau anfangs noch Proteste hervorrief, gibt es inzwischen Stimmen, die die Rechte der muslimischen Minderheit stärken wollen. Rafal Kiepuszewski berichtet.

Muslimische Männer beim Gebet in der Moschee; Foto: DW
Auch wenn die meisten Muslime in Polen Einwanderer aus Syrien, dem Irak und Libyen sind, lebt auch eine einheimische muslimische Gemeinschaft im Land, die Tataren.

​​ Auch Polen ist, wie so viele andere Länder Europas, auf der Suche nach Wegen zur Integration seiner Einwanderer, nach Wegen zu einem besseren Zusammenleben. Die muslimische Gemeinschaft im Land wächst, vor allem durch Migranten aus Ländern wie Syrien, dem Irak oder Libyen, die es nicht zuletzt wegen Polens Mitgliedschaft in der Europäischen Union in das Land zieht. Polnische Behörden beginnen daher damit, den Bau einiger Moscheen freizugeben.

In Warschau führte das Projekt zum Bau eines Kulturzentrums anfangs zu Kontroversen und zu Widerstand besonders von Seiten konservativer römisch-katholischer Gruppen, doch fand der Plan auch Zustimmung. So sprachen sich liberale Christen, jüdische und laizistische Gruppen für das Recht der Muslime auf Ausübung ihrer Religion aus.

Rücksicht auf christliche Bevölkerung

Das islamische Kulturzentrum, das in Warschau gebaut wird, passt sich schon im Entwurf den architektonischen Traditionen Polens an. Salim Ismail von der "Islamischen Liga Polen" betont, dass sehr darauf geachtet werde, keine Symbole zu verwenden, die die römisch-katholische Bevölkerungsmehrheit als Beleidigung empfinden könnte.

Historische Moschee aus Holz in Polen; Foto: dpa
Historische Tartaren-Moschee: Tataren leben seit mehr als 600 Jahren in Polen, wo sie sich unter Beibehaltung ihrer Religion vollständig kulturell assimilierten.

​​ "Es gibt kein Minarett, das die Gläubigen an ihre Gebetszeiten erinnert", sagt Ismail. "Unsere Idee war es, das Zentrum multi-funktional zu gestalten. Wir wollen Brücken bauen und Kontakte zwischen Katholiken und Muslimen ermöglichen."

Neben einem Gebetsraum wird das Gebäude eine Galerie beherbergen, ein Multimedia-Zentrum und eine Bibliothek. Die Organisatoren hoffen, dass die Institution dazu dienen wird, Klischees und Vorurteile über Muslime abzubauen. Um ihre Botschaft möglichst wirkungsvoll zu verbreiten, wandten sie sich an eine muslimische Gemeinschaft, die seit langer Zeit in Polen heimisch ist: die Tataren.

Polens einheimische muslimische Bevölkerung

Polnische Tataren sind eine ethnische Gruppe muslimischen Glaubens, die schon vor 600 Jahren von der Krim kam, um sich in Polen anzusiedeln. Diese kleine, aber einflussreiche Gemeinschaft stellte traditionell Soldaten für polnische Armeen. Außerdem gibt es eine ganze Reihe prominenter polnischer Gelehrter und Künstler, die von den Tataren abstammen.

Der Autor Selim Chazbijewicz ist der Ansicht, dass sich die polnischen Tataren ihrer Brückenfunktionen zwischen der polnischen und der islamischen Kultur durchaus bewusst sind:

"Wir Tataren sind Teil der polnischen Kultur", sagt Chazbijewicz. "Tatsächlich sind wir heute so etwas wie die letzte Erinnerung daran, wie facettenreich die polnische Gesellschaft in den vergangenen Jahrhunderten war. Wir wollen die Spuren unserer Kultur in Bibliotheken und Archiven bewahren, weil uns bewusst ist, dass die nächsten zwei bis drei Generationen in der polnischen Gesellschaft aufgehen könnten."

Mehr als nur eine Touristenattraktion

Polnische Touristen besuchen gern die historischen Holzmoscheen in traditonellen Tatarendörfern wie Kruszyniany im Nordosten des Landes. Die Sichtbarkeit der tatarischen Kultur sorgt dafür, dass auch gewöhnliche Polen sich der Zugehörigkeit der Muslime zum kulturellen Erbe ihres Landes bewusst werden.

Soldaten marschieren vor dem Holzkreuz vor dem polnischen Präsidentenpalast; Foto: AP
Ein zutiefst katholisches Land: Sechs Wochen lang stand ein hölzernes Kreuz vor dem Präsidentenpalast, um an die Opfer des Flugzeugabsturzes in Russland zu erinnern.

​​ Und doch gibt es Stimmen in Polen, wie etwa den linken Politiker Tadeusz Iwinski, die glauben, dass es nicht genug sei, die Tradition nur für die Touristen aufrechtzuerhalten. Iwinski möchte, dass die wachsende muslimische Gemeinschaft in Polen ein formelles Verhältnis zum Staat eingeht, in Form etwa eines Konkordats, das bereits die Beziehungen von Staat und christlichen Kirchen regelt.

"Große Kirchen, insbesondere die dominante römisch-katholische Kirche, finden sich mit den Behörden zu regelmäßigen Konsultationen zusammen, bei denen auftretende Probleme ausdiskutiert werden. Ich meine, dass polnische Muslime die gleichen Rechte haben sollten wie die Christen", meint Iwinski.

Angesichts der enormen Bedeutung, die für gewöhnlich christlichen Werten im alltäglichen politischen und sozialen Leben Polens beigemessen wird, hoffen nun auch die Angehörigkeiten von Minderheiten, dass ihren Rechten mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Rafal Kiepuszewski

© Deutsche Welle/Qantara.de 2010

Übersetzung aus dem Englischen: Daniel Kiecol

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de

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