Gegen die Wand gesetzt

In Jerusalem/Abu Dis fand an einem Teilstück der Trennmauer ein Kunstprojekt statt. Doch das Ziel, die Menschen beiderseits der Mauer einander näher zu bringen, war schließlich zum Scheitern verurteilt. Von Frank Hessenland

Die Trennmauer zwischen Israel und den besetzten Gebieten; Foto: AP
Die umstrittene Trennmauer zwischen Israel und den besetzten Palästinensergebieten.

​​Es gibt manche Projekte, da reden Journalisten und Künstler, die sich zuvor noch im Hotel prima miteinander verstanden zu haben glaubten, nachher nicht mehr miteinander. "Challenging Walls" ist so ein Fall. Was ist passiert?

Die israelisch-deutsche Medienkünstlerin Ruthe Zuntz plante seit einem Jahr eine Fotoprojektion auf beiden Seiten der israelischen Trennmauer. Unterstützt vom Auswärtigen Amt, der Akademie der Künste in Berlin und dem EU-Kulturfond fand die Künstlerin acht Fotografen aus Irland, Deutschland, Zypern und Israel, also aus Ländern, in denen politische Trennmauern bestehen oder bestanden.

Ruthe Zuntz überzeugte die israelische Armee, ihr einen Ort bei Jerusalem an der Mauer für die Installation zu überlassen, flog Fotografen und eine Reihe von weiteren Experten zu einer Konferenz nach West-Jerusalem ein, ließ Teilnehmer und Zuschauer in Bussen zur Mauer fahren und startete dort eine Fotoshow.

Es war ein buntes Kaleidoskop von Bildern: Kinder mit Bällen, Mädchen in Schulen, Märkte, Kartenspieler, Bauern auf dem Feld, Badende in Gaza, in Tel Aviv, in Berlin Wannsee. Die Bilder wechselten im Zwei-Sekunden-Takt.

Auch wenn es hart klingen mag: die Aktion wirkte wie eine Tourismus-Veranstaltung. Auch sonst wurden die Ziele des Projekts vor Ort weit verfehlt. Zum Beispiel durch die desaströse Technik:

Am ersten Tag liefen die Projektoren nur auf der israelischen Seite der Mauer, dort wo die Presse stand. Die Palästinenser drüben standen großteils vor einer schwarzen Wand, während die Künstler auf der anderen Seite ihre Interviews gaben.

Beispiel Zuschauer: Es kamen nur 180-250. Am meisten fehlte jedoch der Kontakt zur direkt angrenzenden Nachbarschaft.

Pakt mit israelischer Armee

Weder Künstler noch Gäste kamen je mit einer nennenswerten Zahl israelischer Araber zusammen, die direkt vor Ort wohnen und am meisten unter der acht Meter hohen Mauer leiden, die mitten durch das Stadtviertel läuft und Familien trennt. Viele Zuschauer beklagten den Ausschluss der anderen.

"Wenn man eine solche Aktion richtig macht, will man die Leute ansprechen und nicht nur nette Bilder zeigen", kritisiert einer der Zuschauer. Da müsse man schon in der Nachbarschaft ein bisschen Werbung machen und Flugblätter verteilen.

Die Künstler gaben an, für solche Werbung nicht genug Zeit und Geld gehabt zu haben. Außerdem wollte man keine Sicherheitsschleuse vor dem Kunstgelände sehen. Es hätte einen zu martialischen Eindruck gemacht und die Aktion beeinträchtigt.

Stattdessen paktierte die Kunst mit der israelischen Armee. Und die sperrte die 20.000 direkten Anwohner der Mauerkunst auf der israelischen Seite mit Stacheldraht und bewaffneten Patrouillen rigoros aus – weil die Armee bei der Aktion eben nicht die Araber sehen wollte, die dort wohnen.

Die gespenstische Lösung: Die Gruppe internationaler Kunstinteressierter wurde in Bussen, die sie nicht verlassen durften, von Militärfahrzeugen durch ein israelisch-arabisches Stadtviertel eskortiert, als lebten dort nur Schwerverbrecher.

Anhalten, mit den Leuten sprechen, Falafel kaufen? Verboten! Erlaubt war nur die Fahrt zur Kunst hinter Stacheldraht.

War das der Sinn einer von der EU finanzierten Kunstaktion zur Überwindung der Mauer? Wie konnte es dazu kommen? War es die Überforderung einer zu naiven künstlerischen Gruppe? War es finanzieller Druck? War es mangelnde Erfahrung?

Man kann nur spekulieren. Die Künstler jedenfalls fanden alles prima, kritische Fragen blieben indessen unbeantwortet.

Frank Hessenland

© DEUTSCHE WELLE 2007

Qantara.de

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