Scheckbuch statt Reue?

Ein offenes Schuld-Eingeständnis, für den Anschlag auf die Diskothek La Belle verantwortlich zu sein, gibt es von Libyen nicht. Es wird jedoch Entschädigungs-Zahlungen für die Opfer in Höhe von 35 Millionen Dollar zahlen. Peter Philipp kommentiert.

Ein offenes Schuld-Eingeständnis, für den Anschlag auf die Diskothek La Belle verantwortlich zu sein, gibt es von Libyen nicht. Es soll jedoch Entschädigungs-Zahlungen für die Opfer in Höhe von 35 Millionen Dollar geben. Darauf einigten sich die libysche Gaddafi-Stiftung und deutsche Opfer-Anwälte in Berlin. Peter Philipp kommentiert.

Muammar al-Gaddafi, Foto: AP
Muammar al-Gaddafi

​​Den Verletzten und Hinterbliebenen des Anschlags auf die Berliner Diskothek "La Belle" vor achtzehn Jahren mag es ein schwacher Trost sein, dass sie nun doch endlich eine materielle Entschädigung für das ihnen widerfahrene Leid erhalten. Und auch die Politik ist zufrieden, weil der Weg geebnet sein könnte für einen Neubeginn mit Libyen.

Aber es können - und müssen - doch auch einige ernste Fragen gestellt werden - besonders Fragen nach Moral, Politik und Geschäft.

Libyen hat sich im Fall "La Belle" nach langen Geheimverhandlungen zwar bereit erklärt, 35 Millionen Dollar Wiedergutmachung zu zahlen.

Aber es hat immer noch nicht zugegeben, für den Anschlag
verantwortlich gewesen zu sein, wie das Berliner Landgericht dies festgestellt hatte. Kann man deswegen von Reue und Umkehr sprechen?

Die nämlich wären ja wohl eigentlich Voraussetzung für eine Rückkehr des nordafrikanischen Ölstaates in die Völkerfamilie. Aber so funktioniert das nicht in einer Welt, in der Länder im Namen des Kampfes gegen den Terror mit Krieg überzogen werden oder auch, um ihnen Demokratie zu bringen.

Libyens Staatschef Muamer Gaddafi hat das längst erkannt: Nicht Reue und Umkehr sind wichtig, sondern das Scheckbuch: 2,7 Mrd. Dollar für die Hinterbliebenen des Lockerbie-Attentats, 170 Mio für die eines französischen Flugzeuges, das über Westafrika explodierte, ein paar Millionen zur Auslösung deutscher Geiseln in Südostasien und Algerien.

Im Gegenzug wurden die Sanktionen gegen Libyen aufgehoben und Gaddafi in Brüssel empfangen. Und europäische Politiker machen ihm wieder die Aufwartung, noch in diesem Jahr auch der deutsche Bundeskanzler.

Es ist fast so wie in einem exklusiven Tennisklub, in den man sich "einkaufen" muss, um dann von den Vorteilen der "besseren Gesellschaft" profitieren zu können. Vorteile, die das Einstandsgeld bzw. den Aufnahmebeitrag bei weitem übersteigen.

So auch im vorliegenden Fall: Die 35 Millionen Dollar - zahlbar in Raten - sind wahrlich gut angelegt: Deutschland wird sich wirtschaftlich wieder in Libyen engagieren - hierfür sollen wieder "Hermes"-Bürgschaften genehmigt werden.

Und auch die Exporte Libyens nach Deutschland werden die bisherige 2 Milliarden Dollar-Linie sicher rasch übersteigen. Da sind 35 Millionen gerade mal ein Griff in die Portokasse.

Es wäre indes falsch, die Vereinbarung von Berlin nun völlig klein zu reden. Denn eine dauerhafte Isolierung und Verteufelung eines Staates kann auch niemandem nutzen. Die internationale Staatengemeinschaft hat ein Interesse an geregelten und normalen Beziehungen - von den wirtschaftlichen Interessen ganz zu schweigen.

Nur: es sollte immer das richtige Maß gefunden werden. Beziehungen um jeden Preis sind sicher falsch, weil hierfür immer grundlegende Werte geopfert werden. Aber man sollte auch schon ein wenig mehr Ehrlichkeit erwarten können.

Im vorliegenden Fall eben: Reue und Umkehr. Dass Libyen dazu imstande ist, hat es letztes Jahr demonstriert, als es sein noch junges Atomprogramm aufgab und die dazu benützten Gerätschaften samt und sonders in die USA verfrachtete.

Peter Philipp

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