Die späte Gnade des Monarchen
Lange hat Marokkos König Mohammed VI. mit sich gerungen, den regimekritischen Journalisten Ali Lmrabet doch noch freizulassen. Ursprünglich war dieser zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden – wegen angeblicher Majestätsbeleidigung. Martina Sabra mit einem Porträt über den unbequemen Journalisten.
Es war ein Urteil, das internationalen Unmut erregte: Im vergangenen Sommer war der Herausgeber der satirischen Wochenzeitungen "Demain" (französisch) und "Duman" (arabisch), Ali Lmrabet, zu drei Jahren Haft verurteilt und direkt aus dem Gerichtssaal in die Zelle abtransportiert worden. Fast zeitgleich: drei Jahre Haft für den Journalisten Mohamed El-Hurd, von der Zeitung "Al-Sharq", Oujda, wegen der Veröffentlichung eines Interviews mit einem Islamisten. Damit nicht genug: Es folgten drei weitere Journalisten, mit Haftstrafen von 18 bis 24 Monaten.
Doch die energischen Proteste internationaler Menschenrechtsorganisation, wie Reporter ohne Grenzen und Amnesty International, waren letztlich von Erfolg gekrönt: Der marokkanische König Mohammed VI. hat inzwischen Ali Lmrabet, Mohammed El-Hourd sowie fünf weitere Medienvertretern, deren Berufungsverfahren noch im Gang waren, begnadigt.
"Den Mächtigen fehlt der Sinn für Humor!"
Aber aus welchem Grund erfolgte die Verhaftung Lmrabet, des letztjährigen Menschenrechtspreisträgers von Reporter ohne Grenzen? Der 44jährige Satiriker Lmrabet hatte unter anderem Kritik an der marokkanischen Westsaharapolitik und an der Feudalmonarchie veröffentlicht. Seine satirischen Wochenzeitungen "Demain" und "Duman", wurden daraufhin verboten. Umgerechnet 2000 Euro Bußgeld sollte Lmrabet zahlen. "Die Mächtigen in Marokko akzeptieren Satire nicht, weil sie keinen Sinn für Humor haben. Man kann keine Scherze über den König machen. Aber das ist doch der Preis, den man für echte Demokratie zahlen muss!", sagt Lmrabet.
Doch nach der Verurteilung Ali Lmrabets regte sich in Spanien und Frankreich heftiger Widerstand. Ali Lmrabet trat in einen Hungerstreik - insgesamt 50 Tage lang. Die Richter in Rabat setzten daraufhin die Strafe auf drei Jahre herab.
Trübe Aussichten für Marokkos Pressefreiheit
Aber auch nach der Begnadigung bleibt die Signalwirkung für die inländischen Medien bestehen: Seit Jahren versuchen die marokkanischen Herrscher, die unabhängige Presse zu gängeln oder ganz zum Schweigen zu bringen: mit Geldstrafen, Gefängnis, Erscheinungsverboten. Im Rahmen der so genannten Anti-Terrorgesetze wurde im Mai letzten Jahres die Pressefreiheit eingeschränkt. Und nach den Bombenattentaten von Casablanca verkündete die Regierung, die Zeit des "laschen Umgangs" mit kritischen Medien sei jetzt vorbei: zuviel Demokratie schade dem Land.
Viele Journalisten wurden inhaftiert, Lmrabet traf es am härtesten. Aber er wollte sich schließlich nicht einschüchtern lassen, erklärt er: "Man hält uns Journalisten für subversiv. Die meisten marokkanischen Zeitungen und ihre Macher sind doch völlig diskreditiert, weil sie mit den politischen Mächtigen im Bunde sind. Wir dagegen sind glaubwürdig. Die Mächtigen haben Angst, dass wir die Rolle der marokkanischen Monarchie in Frage stellen. Aber warum eigentlich nicht? Eines Tages muss es dazu kommen!"
Die besondere Härte gegen Ali Lmrabet dürfte auch mit seinen persönlichen politischen Beziehungen zu tun haben. Lmrabet, der im ärmlichen Nordmarokko aufwuchs und sich aus bescheidenen Verhältnissen in den diplomatischen Dienst hochdiente, ist befreundet mit Moulay Hisham, einem Cousin von König Mohammed dem Sechsten. Moulay Hisham, auch der "Rote Prinz" genannt, hatte vor einiger Zeit das Regime König Mohammed VI. heftig in aller Öffentlichkeit kritisiert und damit den Zorn des Königs auf sich gezogen.
Hungerstreik als Mittel des Protests
Er lebt im Exil in den USA und schreibt viel beachtete Artikel über Reformen in der arabischen Welt – unter anderem auch für die Zeitung Le Monde Diplomatique. Moulay Hisham war es auch, der Ali Lmrabet im Juli überzeugte, seinen Hungerstreik aufzugeben. Lmrabet war kurz davor, ins Koma zu fallen, und hat immer noch gesundheitliche Probleme: er kann Hände und Füße nicht richtig bewegen und mit dem rechten Auge nicht richtig sehen.
Doch medizinische Betreuung wurde Lmrabet während seiner Haft verweigert. Stattdessen wurde der Journalist systematisch isoliert: Mitgefangene, die es wagten, trotz Verbot mit ihm zu sprechen, wurden verlegt. Rund um seine Zelle wurden insgesamt drei Apparate aufgestellt, die Gespräche per Handy unmöglich machen. Post und Zeitungen erreichen ihn wenn überhaupt mit großer Verspätung.
Am 30. November trat Lmrabet daher erneut in Hungerstreik – zusammen mit seinem Kollegen Mohamed El-Hurd. Für Ali Lmrabet bedeutete dies einen zwingend logischen Schritt: "Ich denke, für die Meinungsfreiheit muss man leiden. Wenn man historisch zurückblickt, haben die kritischen Geister letztlich immer gewonnen."
Martina Sabra © Qantara.de 2004
Mehr Berichte über Ali Lmrabet und den Menschenrechtspreis 2003 finden Sie auf der Homepage von Reporter ohne Grenzen