Begrenzte Freiheit für Journalisten

Iraks Medien können frei arbeiten - auf dem Papier. Doch die Realität sieht oft anders aus. Das berichteten junge irakische Journalisten jetzt bei einem Deutschland-Besuch. Ein großes Problem: die alltägliche Gewalt. Gernot Jaeger informiert

Saddam als Weihnachtsmann: Spott ist jetzt erlaubt - irakische Zeitung Al-Zaman

​​Der Irak zählt nach wie vor zu den gefährlichsten Orten der Welt für Journalisten. In diesem Jahr wurden dort mehr als 30 Medienleute getötet - Reporter, Fotografen und Kameraleute. Längst nicht alle wurden Opfer von Angriffen islamistischer Gruppen.

Alleine acht Journalisten wurden durch US-amerikanisches Feuer getötet. Dennoch: Die größte Gefahr geht aber nach dem Ende der "offiziellen Kampfhandlungen" von radikalen oder kriminellen Gruppen aus. Da hilft es wenig, dass es auf dem Papier keine Einschränkungen für die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten im Irak gibt.

Selbstzensur aus Angst vor Racheakten

"Es gibt faktisch keine Kontrolle, keine Zensur", sagt die Reporterin Sahr Al Samurai von der regierungsnahen Tageszeitung Al-Sabah: "Aber die Zensur, die früher von außen kam, ist einer Zensur von innen gewichen."

Ihr Kollege Abd Al Sahra Zaki, Redaktionsleiter der Tageszeitung Al-Mada, bringt es auf den Punkt: "Es gibt Selbstzensur", sagt er. "Viele Gruppen im Irak wenden Gewalt an, wenn sie kritisiert werden. Deswegen müssen wir als Journalisten sehr vorsichtig sein." Je näher die Zeitungen den US-Besatzern stehen, desto gefährlicher wird es.

Dabei ist der Markt unübersichtlich. Alleine in Bagdad gibt es nach Schätzungen rund 80 Blätter, viele von ihnen reine Propaganda-Organe politischer Gruppen. Vor 18 Monaten hatte es einen regelrechten Gründungsboom gegeben. Überlebt hat aber noch nicht einmal jedes zweite Blatt.

Wahlen Ende Januar

Sahr Al Samurai und Abd Al Sahra Zaki gehören zu der ersten Gruppe irakischer Journalisten, die Deutschland besucht. Die Einladung kam vom Auswärtigen Amt, die Organisation lag bei der Deutschen Welle Akademie. Ziel war es, den Irakern zu zeigen, wie ein pluralistisches Mediensystem funktioniert. Ein System, von dem der Irak heute noch weit entfernt ist.

Ein erster Schritt für das Land sollen die für den 30. Januar geplanten Parlamentswahlen sein - der erste freie Urnengang nach Jahrzehnten der Diktatur. 73 politische Parteien und Bündnisse wollen antreten.

Als besonders aussichtsreich gilt der schiitische Block "Vereinigte Irakische Allianz" aus über 20 Parteien und Gruppierungen. Auch die beiden großen kurdischen Parteien treten gemeinsam an, während Übergangspremier Ijad Allawi, der über gute Verbindungen zu den USA verfügt, auf eine eigene Liste setzt.

Shamil Hamdallah sieht die Perspektiven des Irak auch nach einer Wahl kritisch. "Unsere Politiker haben große Ideen und versprechen viel, setzen aber wenig um", sagt der Journalist der Zeitung Al-Taachi, die der "Demokratischen Partei Kurdistans" nahe steht: "Auch die USA haben uns bisher viel versprochen und wenig getan."

An wirklich freie und faire Wahlen will er deswegen auch noch nicht so recht glauben. "Wenn es einen Sieg der radikalen Islamisten gibt, lassen die USA das dann zu? Ich glaube nicht", sagt er: "Außerdem haben wir doch im Moment keinen Politiker, der ohne die Amerikaner regieren könnte".

Begrenzte Freiheit

Das neue Parlament ist ohnehin eine Übergangslösung. Schon nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung soll neu gewählt werden, möglicherweise schon Ende 2005. Zumindest dürfen die Medien aber über diese ersten freien Wahlen auch frei berichten - wenngleich diese Freiheit Grenzen hat.

So hat die arabische Zeitung Ash-Sharq al-Ausat ihr Büro in Bagdad Mitte Dezember vorübergehend geschlossen. Moslemische Extremisten hatten mit einem Anschlag gedroht, falls die Zeitung nicht über einen angeblichen Führer der Rebellen in Falludscha schreiben würde.

Geschlossen wurde auch das Bagdader Büro des panarabischen Fernsehsenders Al Dschasira - allerdings durch die irakische Übergangsregierung. Diese hatte dem Sender vorgeworfen, die Gewalt im Irak anzuheizen.

Für Journalisten bleibt die Lage also heikel. Auf die Gruppe der irakischen Reporterinnen und Reporter wartet zuhause schon viel Arbeit - der Wahlkampf hat begonnen.

Von den Bedingungen, die sie in Deutschland kennen gelernt haben, werden sie dann wieder meilenweit entfernt sein. "Die schwierige Sicherheitslage ist eine Einschränkung für unsere Berichterstattung", sagt Abd Al Sahra Saki: "Wir können uns einfach nicht frei bewegen."

Gernot Jaeger

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004